Ergänzende
Elemente – wie etwa Videobotschaften der Artisten in vorherigen
Ausgaben – gibt es nicht. Die Regie sorgt dafür, dass die Show ein
ungeheures Tempo hat. Leerlauf Fehlanzeige. Lediglich die Auftritte
des moderierenden Comedians sorgen für Atempausen. Im fünften Jahr nun
steht das schwarz-gelbe Chapiteau auf dem Friedrichsplatz mitten in der
Kasseler Innenstadt. Ein perfekter Ort, welcher bestmögliche
Sichtbarkeit garantiert. Die Stadt Kassel ist zudem durch den
Bürgermeister bei der Preisverleihung präsent. Denn selbstverständlich
geht es bei diesem Festival um Preise, die mit 15.000, 10.000 und 5.000
Euro dotiert sind. Die Jury besteht hier aus einer Handvoll Zuschauern
je Vorstellung, die mehr oder weniger zufällig ausgewählt sind.
Navas Brothers, AirFours II, Long Twins
Die
Wahl fällt angesichts des sehr stark besetzten Programms keinesfalls
leicht. In diesem Jahr machen die Navas Brothers das Rennen. Mit ihrer
abgefahrenen Show auf dem Todesrad haben die beiden temperamentvollen
Brüder Rony und Ray das Publikum insgesamt, insbesondere aber die
Jurymitglieder, überzeugt. Höhepunkt ist der nur von wenigen Artisten
gezeigte Salto auf dem Außenrad. Abgefahren ist im wahrsten Sinne des
Wortes auch, was die Motocross-Fahrer von AirFours II zeigen. In der
Dortmunder Flic Flac-Produktion schon Standard, springen sie jetzt
zusätzlich in Kassel vom Mittelgang aus über die Manege. Gelandet wird
auf einer gegenüberliegenden Rampe. Sorgt der erste Sprung noch für
einen Überraschungs-, mehr noch, Schockeffekt, faszinieren in der Folge
die variantenreichen Tricks. Einen schönen Kontrast dazu bildet die
Darbietung der Gewinner des dritten Preises. Die beiden fröhlichen
Chinesen Jun und Bing zwängen sich bestens gelaunt in den
verschiedensten Körperhaltungen in zwei Röhren. Die eineiigen Zwillinge
sind wirkliche Meister des Klischnigg und dazu eben noch ungeheuer
sympathisch.
Blue Dragons, Katya Shustova, SerBat Troupe
Dass
„Made in Taiwan“ ein wirkliches Qualitätssiegel sein kann, beweisen die
Blue Dragons. Die vier jungen Artisten sind wahre Wirbelwinde, wenn es
darum geht, Diabolos in der Luft zu halten. Sie arbeiten nicht nur
nebeneinander, sondern lassen die kleinen Jonglierrequisiten auch von
Partner zu Partner wandern. Als Luftakrobat sollte man nicht unter
Höhenangst leiden. Ganz besonders gilt dies für Engagements bei Flic
Flac. Hier geht es dank der hohen Kuppel ganz hoch hinaus. Katya
Shustova nimmt diese Herausforderung an und meistert sie wunderbar.
Insbesondere bei den langen Touren an den Tüchern von der Kuppel bis in
die Manege überzeugt die 24-Jährige. Als ob ein Handstand oder das
Stehen auf einem Fuß auf dem Kopf des Partners nicht schon anspruchsvoll
genug wäre, balancieren die Mitglieder der SerBat Troupe diese Türme
noch über eine Leiter. Zeitweise sind sogar zwei Paare gleichzeitig
unterwegs, um sich am oberen Ende der Leiter zu kreuzen. Höhepunkt der
Darbietung des kasachischen Quintetts ist die Balance eines
Drei-Personen-Hoch über die Leiter. Die Artisten stehen dabei auf dem
Kopf des jeweiligen Partners. Gut, dass diese waghalsigen Kunststücke
mit Longen gesichert sind. Gefährlich scheint ebenfalls die
Equilibristik von Andrey Katkov, findet sie doch hinter Gittern statt.
Versiert zeigt er seine Handstände in einem Meer aus Licht und
Kunstnebel, um schließlich die Gitterelemente umfallen zu lassen.
Truppe Jouravel, Kopfspringer aus Wuhan, Skating Nistorov
Quartett,
Quintett und Trio sind die Besetzungen nach der Pause. Los geht es mit
der Truppe Jouravel. An drei Reckstangen zeigen die Ukrainer kraftvolle
Umschwünge und Sprünge von Stange zu Stange. Klar, dass auch die
Abgänge vom Reck sehenswert sind. Wenngleich es ihnen anzumerken ist,
dass sie vom Turnen kommen, präsentieren sie ihre Übungen
circusgerecht. Gleichgewichtssinn und eine stabilen Kopf benötigen die
fünf Artisten aus dem chinesische Wuhan. Sie sind im Kopfstand ungemein
sicher unterwegs. Ganz gleich, ob einer der Artisten im Kopfstand von
den Füßen eines Artisten zu denen eines weiteren geworfen wird oder im
Kopfstand die acht runden Stufen eines Treppengestells nimmt, das auf
den Schultern von zwei Partner liegt. Zwischen zwei Tourneen mit dem Circo Hermanos Vazquez in den USA sind die Skating Nistorov einmal mehr
in Deutschland zu sehen. Eugenio Nistorov jagt dabei mit Ehefrau Alina
und Schwester Roby über die runde Plattform. Ein Zuschauer darf sich
davon überzeugen, wie sehr der Gleichgewichtssinn bei dieser Nummer
herausgefordert wird. Die Nistorovs bewegen sich natürlich souverän und
präsentieren sicher sowie publikumswirksam schwierigste Figuren.
Laser Fighters, Steve Rawlings, Christian Schiffer
Der
eine ist Kampfsportler mit akrobatischen Fähigkeiten, der andere
Tänzer, Model und Hip Hop-Lehrer. Zusammen zeigen die Laser Fighters
eine Darbietung, die für den Circus neu ist. Denn der Sportler aus
Paris und der Tänzer von Guadeloupe liefern sich ein Duell, welches
von Laserelementen begleitet wird. Dabei entstehen innovative Bilder.
Etwa wenn beide in aus Laserstrahlen gebildeten Elementen stehen und
diese scheinbar mit der Kraft ihrer Hände bewegen. Für den Bereich
Komik wurden zwei sehr unterschiedliche Künstler verpflichtet. Steve
Rawlings ist Brite, und das lässt er bei seinen Auftritten durchklingen,
denn er spricht einen herrlichem Akzent. Mit durchdringender Stimme
erzählt er wunderbar komische Storys - Stand up-Comedy eben. Zudem ist
er ein äußerst origineller Jongleur. Gleich zu Beginn jongliert er mit
Tisch, Stuhl und Blumenstrauß. Später balanciert er drei Golfschläger
auf der Stirn. Auch einen Zuschauer baut er genial in seine Show ein.
Christian Schiffer ist nicht zum ersten Mal beim Festival in Kassel
dabei. Zum einen moderiert er die Auswahl der Jurymitglieder, zum
anderen fungiert er als Imitator. So sind etwa die Stimmen von Dieter
Bohlen und Udo Lindenberg unter dem Dach des Chapiteaus zu hören. Was
Schiffer die Promis sagen lässt, ist allerdings nur bedingt witzig.
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