Eine gute Zeit
also, um einige der besten Darbietungen unserer Tage zu engagieren. Von
dieser Gelegenheit hat Thierry Fééry einmal mehr exzellent Gebrauch
gemacht und eine Show zusammengestellt, die rundum begeistert. Auch das
Drumherum passt. Das Chapiteau hat im Inneren keine sichtbehindernden
Masten, das ausladende Gradin bietet ausschließlich Schalensitze. Am
Licht wird nicht gespart, ebenso wie an der musikalischen Begleitung.
Hier sorgt eine große Besetzung unter Kristof Majewski für
erstklassigen Sound. Die Show wird somit optimal präsentiert.
David Larible Star ist in
diesem Jahr der „Clown der Clowns“ David Larible. Es ist interessant zu
sehen, wie er auch ohne zentrale Rolle sein Publikum gewinnt. So gibt
es in Lille eben kein Larible-Opening, bei dem er sich vom Requisiteur
in einen Clown verwandelt. Da in der Manege bereits das Requisit für
die erste Nummer aufgebaut ist, ziehen die Mitwirkenden zwischen Logen
und Rang ein. Das wirkt schon deswegen imposant, weil sie den Ring –
abgesehen vom Artisteneingang – komplett schließen. Die Wasserspiele
mit einem Jungen aus dem Publikum bilden Laribles ersten Auftritt. Das
ist quasi nur das Warmlaufen für seine Klassiker, das
Publikums-Orchester und die Opera-Szene. Für beide wird er regelrecht
gefeiert. Mimik, Timing und Gespür für die involvierten Zuschauer
suchen einfach ihresgleichen.
Yvette Bellucci, Rosi Hochegger, Jiri Berousek Der
große Auftritt der Show überhaupt gehört aber – zumindest für mich –
Yvette Bellucci, die vollkommen verdient direkt vor der Pause arbeitet.
Wie sie ihren perfekt dressierten Zehnerzug präsentiert, ist einfach
ein circensischer Hochgenuss. Da weiß man, dass Circus die schönste
Neben- (oder vielleicht doch Haupt-? )Sache der Welt ist. Die
Trickfolge lässt keine Wünsche offen. Die Laufarbeit ist schon ein
Traum, die da capi machen ihn perfekt. Beim Gruppensteiger machen
wirklich alle weißen Araber mit. Die weiteren Steiger sind so
variantenreich, wie nur möglich. Noch nie gesehen habe ich die Kapriole
ohne Zügel oder Longe. Bellucci führt sie vor. Dabei ist sie immer in
flotter Bewegung, aber nie ohne Eleganz. Auf ihrem weißen Zylinder
trägt sie die gleichen Federn wie ihre Tiere. Als besonderer Clou
stecken zwei Belohnungs-Karotten in ihrem Dekolletee. Mario Bellucci
zeigt nach der Pause ein Exotentableau mit Kamelen, Zebras, Lamas und
Ponys. Zusätzlich bringt er nacheinander eine Giraffe und ein Nashorn
in die Manege. Mit dem Dickhäuter führt er sogar eine Art Scheinangriff
auf. Eine fröhliche Nummer, die nicht nur Kinder begeistert, ist die
Hundeshow von Rosi Hochegger. Sie „spielt“ ausgelassen mit ihren
Vierbeinern und zeigt so ausgefallene Kunststücke wie das Durchkrabbeln
ihrer Beine im Rückwärtsgang. Mit wirklich außergewöhnlichen Tricks
wartet schließlich die Bärennummer von Jiri und Renata Berousek auf.
Jeweils einer der drei Braunbären balanciert auf dem Schlappseil,
jongliert eine brennende Walze mit den Füßen und fängt auf einem
Leitergestell stehend Reifen. Hinzu kommt etwa die Fahrt auf einem
Motorrad und das Balancieren auf einer Kugel.
Truppe aus
Peking Drei
Truppen dominieren den artistischen Bereich. Gleich zu Beginn wirbeln
sechs junge Menschen über zwei Trampoline, zwischen welchen ein
zweigeschossiges „Haus“ aus Plexiglas als Absprungbasis dient. „Art on
Trampolin“ nennt sich dieser furiose Start in die Show. So wird gleich
zu Beginn ordentlich die Atmosphäre im Chapiteau angeheizt. Deutlich
zurückhaltender agieren die Mädchen der Akrobatiktruppe aus Peking bei
ihren Diabolokünsten. Im Januar gewannen sie damit einen Goldenen Clown
in Monte Carlo. Es entstehen große harmonische Bilder, die eine wahre
Augenweide darstellen. Hinzu kommen die vollendeten Jonglierkünste.
Über Weihnachten können wir sie in Heilbronn bewundern. Die Tradition
großer Schleuderbrett-Nummern aus Osteuropa setzt dankenswerterweise
die Truppe Fantasy fort. Die wagemutigen Sprünge werden variantenreich
gefangen: Auf einer Stange, im Spagat zwischen vier Partnern im
Zwei-Mann-Hoch oder in der fünften Etage eines mit einer Perchestange
verstärkten Menschenturms. Sie bilden die Schlussnummer, welche nahtlos
in das Finale übergeht.
Henok und Themesgen,
Shirley Larible, Picasso junior Eine
interessante Variante der ikarischen Spiele zeigen Henok und Themesgen.
Die beiden Schwarzafrikaner tragen dabei Outfits im Zebralook. Ihre
Umdrehungen präsentieren sie mit viel Lebensfreude. So wird etwa der
Obermann von seinem Partner auf nur einem Fuß balanciert. Nach mehreren
Doppelsalti beenden sie ihren Auftritt mit einem Stakkato von Salti.
Shirley Larible wird bei einer traumhaften Kür an den Strapaten vom
Livegesang ihres Vaters begleitet. Letztendlich werden ihre Flüge damit
genauso zu einem sinnlichen Erlebnis wie ihre Umschwünge oder der
Spagat zwischen den beiden Bändern. Tischtennisbälle und Teller sind
die Requisiten von Picasso junior. Der Spanier im Torerokostüm
fasziniert immer wieder mit seinem filigranen Spiel mit den kleinen
Zelluloidkugeln und den rasanten Touren mit Tellern quer durch das
Publikum. Unzählige Kostümwechsel vollzieht das Duo Urunov während
seines Auftritts. Selten sieht man bei einer Quick Change-Nummer so
viele variantenreiche Wechsel farbenprächtiger Outfits. Auch das
„Umziehen“ im Glitterregen fehlt nicht. Die Jidinis haben nicht nur
eine neue Aufmachung mit nach Lille gebracht, sondern ebenfalls neue
Tricks. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jener, bei dem
jeweils ein weißer und schwarzer Pudel in separate Kisten gesteckt
werden. Die beiden Kisten fahren auf einem Gestell aufeinander zu,
sodass aus den zwei Kisten eine wird, in welcher nun ein Dalmatiner
sitzt. Pure Illusion, aber sehr wirkungsvoll. |