Die
Kombination aus scheinbar freitragendem Dach, runder Bühne und
Showtreppen im Hintergrund verstärkt die Illusion, im Theater
und nicht im Circuszelt zu sitzen – eine ganz
andere Anmutung als noch vor zwei Jahren. Damals hatten die
goldenen Statuen links und rechts des früheren Artisteneingangs
etwas verspielt-barockes, nun wirkt die Einrichtung eher
stylisch-modern. Dazwischen gab es im Vorjahr ein großes,
maßgeschneidertes Portal für die "Einfahrt" der Motorradkugel.
Luca Hänni und
Ballett
Doch nicht
nur das Zelt und seine Einrichtung lassen sich als Grenzgang
zwischen Revue und Circus deuten, auch im Programm ist dies
wieder oder mehr denn je Konzept. Zur Artistik gesellen sich
Tanz, Gesang, fantastische Kostüme und große Bilder. Ein äußerst
geschickter Schachzug war hier sicherlich die Verpflichtung von
Luca Hänni. Der 19-jährige Berner gewann im vergangenen Jahr die
RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ und veröffentlichte
seitdem zwei Alben, die in der Schweiz beide die Spitze der
Charts erreichten. Dementsprechend wird der sympathische und gut
aussehende DSDS-Gewinner geradezu euphorisch begrüßt, als er bei
seinem ersten Auftritt den Hit „Shameless“ vom aktuellen Album
singt. Viele jüngere Besucher sind offenkundig extra für Hänni
gekommen, der hier vom Ballett in äußerst farbenfrohen Kostümen
umtanzt wird. Selbstredend singt Hänni auch im Finale, er
begleitet musikalisch das Seilspring-Trio und swingt nach der
Pause lässig „Let it snow“, garniert mit einer kessen
Strip-Einlage des Balletts. Das ist doch Revue pur, veredelt
durch hervorragendes Licht und eine famos aufspielende Band.
Magic Cube, Leg Show
Für große
Bilder im Stile einer Revue sorgen schließlich auch zwei
chinesische Truppen. 13 Damen formieren vor der Pause die „Leg
Show“. Jede von ihnen ist in einer anderen Farbe gekleidet und
verfügt über ein rollbares Requisit in Blumen-Form. In immer
neuen Formationen zeigen die Frauen und Mädchen gemeinsam
Figuren der Equilibristik, mal synchron und mal im Wechsel. Fünf
von ihnen kreiseln zum Abschluss spektakulär im Kopfstand. Für
ebenso schöne Bilder sorgen auch fünf Chinesinnen mit ihrem „Magic
Cube“. Das Requisit dieser Luftnummer besteht aus verschiedenen,
miteinander verbundenen Metallwürfeln, die in mehreren Varianten
angeordnet werden können und so immer wieder neue akrobatische
Posen ermöglichen. Eine der Artistinnen wird, kopfüber hängend
und nur an einem ihrer Beine gehalten, von der ersten bis zur
letzten Artistin „durchgereicht“, und drei der Mädchen
verabschieden sich mit dem Genickhangwirbel.
Duo Spring in Love, Trio Rome, Willy Weldens
Doch
natürlich hat auch dieses Programm seine ganz zirzensischen
Momente – zum Beispiel bei drei starken artistischen Nummern im
ersten Programmteil, die jeweils mit kräftigem Applaus bedacht
werden. Den Anfang macht das vietnamesische Duo „Spring in Love“
mit seiner Luftnummer. Das schwarze Seil kann sowohl als
Vertikalseil genutzt als auch zur Schlaufe gehängt werden. In
dieser hängt der Partner zum Beispiel rücklings und trägt die
Partnerin in dieser ungewöhnlichen Pose. Auch der Genickhang am
kreisenden Seil (er) und der Zahnhangwirbel (sie) werden auf
diese Weise möglich. Ruhige Saxofonklänge begleiten das
gefahrvolle Tun. Svetlana Gvozdetskaya (u.a. Gold beim Cirque de
Demain 2005, Knie-Saisonprogramm 2006) präsentiert auf dem
Russischen Barren relativ wenige, aber exakt ausgeführte
Sprünge, Salti und Pirouetten ohne Hilfestellung. Getragen wird
das Requisit von Yury Pedorenko und Vasily Smirnov; das Trio
nennt sich nun „Rome“. Der Franzose Willy Weldens sorgt schon
mit seinem äußerst muskulösen Körper für Begeisterung auf den
Rängen, das Publikum klatscht bei seiner Handstand-Darbietung
rhythmisch mit. Sie umfasst lange, kräftezehrende Passagen auf
ein und zwei Händen und gipfelt in Weldens’ wohl einzigartigem
Trick. Weldens errichtet eine fragile Konstruktion aus sieben
gläsernen Stützen und zwei Glasplatten und zeigt obendrauf den
Kopfstand auf einem Flaschenhals!
Le Mime, Quiddlers, Susannah Hart (Duo Bogof)
Äußerst
schwer haben es im Anschluss Susannah Hart und Matthew Bowyer
alias Duo Bogof. Die Idee ihrer komischen Illusionsnummer ist
fraglos recht originell, wollte am dritten Gastspieltag in
Kloten aber (noch?) nicht zünden. Der Beifall blieb sehr
verhalten. Im Hintergrund läuft hier auf einer Leinwand ein Film, der sozusagen das
eigentlich geplante Geschehen der Illusionsschau zeigt. Dumm
nur, dass die Tricks nie ganz so spektakulär gelingen, wie es im
Film simultan gezeigt wird und dass die beiden gegenüber der
Filmvariante immer wieder scheinbar versehentlich die Rollen
vertauschen. Wie schon in der Vorjahres-Produktion von Salto
Natale und heuer im Liebescircus „Ohlala“ ist wieder der Spanier
Angel Amieva Brenes mit von der Partie. In der skurrilen
Rahmenhandlung der Show ist er nun das „Alpha-Männchen“ in einer
Gruppe von Aliens, welche auf der Erde landen und immer wieder
zwischen den Darbietungen auf der Bühne auftauchen. In die Sparte
Humor gehört auch der polnische Künstler Jerzy Wladyslaw Kuniewicz alias „Le Mime“. Der von ihm verkörperte Vogel-Strauß
schlüpft auf der Bühne frisch aus einem Riesen-Ei und steht nach
einer witzigen Striptease-Einlage ganz ohne Federkleid da – sozusagen ein
„gerupftes Huhn“ in XXL. Für einige Lacher sorgen schließlich
die US-Amerikaner Paul Ebejer und Kevin Sanders alias „The
Quiddlers“, die in einer schrillen
Michael-Jackson-und-Affe-Parodie die Puppen tanzen lassen.
Pagoda of Bowls, Jump Ropes, Johan Wellton
Richtig
Spaß macht das Seilspring-Trio „Jump Ropes“ alias Iurii
Danylchenko, Inna Lymar und Artem Voloshchenko. Die jugendlichen
Akteure tauschen hier immer wieder blitzschnell die Aufgaben
Seilspringen und Seildrehen, ohne zwischendurch zu pausieren.
Ein
Jongleur der Spitzenklasse und zeitgleich ein echter Entertainer
ist der Schwede Johan Wellton, der fließend zwischen Bouncing-
und normalen Balljonglagen wechselt. Sechs Bälle lässt er unter
der Tischplatte seines Requisits abprallen, um sie wieder zu
fangen; kurz darauf zeigt er eine Bouncingjonglage mit sieben
Bällen. Später klebt er sich die Augen mit Klebeband zu. Blind
lässt er nun fünf Bälle bouncen, während er zu Beginn noch auf
seinem Stuhl steht und sich dann hinsetzt. Acht erwachsene
Herren und fünf junge Mädchen bilden die aktuelle Formation der
„Pagoda of Bowls“ – eine Darbietung, die in der
Originalbesetzung vor einigen Jahren den Goldenen Clown in Monte
Carlo gewonnen hatte. Nach wie vor werden die Mädchen in
Handvoltigen durch die Luft geworfen und wieder gefangen,
während sie mit ihren Füßen übereinander gestapelte Schüsseln
balancieren. Eine ausgezeichnete Gleichgewichtsleistung. |