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Cirque d'Hiver Bouglione 2014

www.cirquedhiver.com
; 120 Showfotos

Paris, 29. November 2014: Klar, ein Besuch im Cirque d'Hiver lohnt sich immer. Der Bau bietet ein einzigartiges Ambiente, das Lichtdesign ist verschwenderisch und die Musiker über dem prunkvollen Artisteneingang sind immer wieder großartig. Diesen Winter aber ist das Programm nochmal ein gutes Stück stärker als sonst. „Géant!“ hat es die Familie nicht unbescheiden genannt. Diese vollmundige Ankündigung ist allerdings keineswegs übertrieben. Die Show ist einfach phänomenal. Die hochwertige Besetzung und die einzigartige Präsentation ergeben das, was man ohne Übertreibung als „circensische Sternstunde“ bezeichnen darf, ja muss.

„Wir gehen heute gleich noch einmal in den Cirque d'Hiver“, war es des Öfteren von Circusenthusiasten in Paris zu hören. Diese Entscheidung ist nur allzu verständlich.


Opening

Die prächtige Ausstattung des Baus wurde schon wiederholt beschrieben. In diesem Jahr erscheint das Licht nochmals aufwendiger. Neu ist auf jeden Fall ein großes elektronisches Display über den Musikern um Pierre Nouveau. Darauf gibt es zu den Nummern passende Einspielungen. Allerdings geht diese Neuerung angesichts der Flut von visuellen Reizen etwas unter. Eine Augenweide sind immer wieder die Auftritte der Salto Dancers. Die acht ausgesucht hübschen Tänzerinnen sorgen gleich zu Beginn für einen „Rausch in Rot“. Tanz, Musik und Licht sorgen für einen eindrucksvollen Auftakt, der einen sofort vollends gefangen nimmt. Rot sind dabei auch die Kostüme von Komiker Rob Torres, Weißclown Alberto Caroli und Monsieur Loyal Michel Palmer. Letzterer führt mit kurzen Überleitungen souverän durch die Show. Den Salto Dancers begegnen wir ebenfalls immer wieder. Bis sie am Ende in Kunstnebel gehüllt in der Manegenmitte verschwinden.


Familie Casselly

Plakatmotiv von Géant sind drei afrikanische Elefanten. Gleich vier sind mit der Familie Casselly nach Frankreich gereist. Und sie besetzen – völlig zu Recht – die zentralen Positionen im Programm. Den Auftakt macht Rene Casselly mit einem einzelnen Tier. Dieses zeigt auf einem Podest in der Manegenmitte seine Tricks, die Casselly nur mit der Stimme dirigiert. Die große Nummer vor der Pause bestreiten jeweils vier Pferde und Elefanten, auf denen hübsche Frauen reiten. Merrylu Casselly ist genauso dabei wie Regina Bouglione. Es ergeben sich großartige Bilder, wenn die acht Tiere in den verschiedensten Formationen durch die Manege laufen. Geleitet wird dieses Schauspiel wiederum von Rene Casselly, unterstützt von Sohn Rene junior. Dieser steht dann im Mittelpunkt der Schlussnummer. Als „Artistik zu Elefant“ kann man diese betiteln. Gemeinsam mit Schwester Merrylu bewegt er sich in traumwandlerischer Sicherheit auf dem Rücken der Tiere. Spektakulärer Höhepunkt sind die Sprünge vom Schleuderbrett auf den Rücken eines Dickhäuters. Ein Goldener Clown in Monte Carlo 2013 war der verdiente Lohn für diese einzigartige Leistung.


Pat Clarrison, Rob Torres, Daniel Golla

Komplettiert werden die Tierdarbietungen durch die Hot Dogs von Pat Clarrison. Die aufgeweckten Hunde zeigen ihre Tricks rund um einen Hot Dog-Stand. Das auch gerne mal hinter dem Rücken ihres Vorführers. Clarrison setzt dabei auf einen lebhaften, humorvollen Stil. Ein weiterer Vertreter der Sparte Humor ist Rob Torres. Waren in den letzten Jahren zumeist mehrere Clowns gleichzeitig engagiert, ist Torres nun als Solist gefordert. Eine Aufgabe, die er mit Bravour meistert. Uns jedenfalls hat er vollends überzeugt. Er sieht unschuldig aus, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Zudem hat er viele äußerst witzige Ideen, die er umwerfend spielt. Schön zu wissen, dass wir ihn 2015 bei Knie erleben können. Einzigartig für einen Circusmanege ist der Auftritt von Daniel Golla. Das Publikum ist zunächst einmal verblüfft, hier ein Modellflugzeug im freien Flug zu erleben. Wenn der junge Deutsche dann sein ganzes Können gezeigt hat, toben die Zuschauer vor Begeisterung. Bei den virtuosen Figuren kommen seine Flieger einzelnen Besuchern bedrohlich nahe. Aber keine Angst. Golla hat seine Flotte mittels Fernsteuerung perfekt im Griff. Dazu trägt er stilecht eine Pilotenuniform. Die assistierenden Salto Dancers agieren im Dress von Flugbegleiterinnen. Als i-Tüpfelchen erklingt zu Beginn auch in Paris das Fliegerlied. Wunderbar, dass die Bougliones diese außergewöhnliche Nummer in ihr klassisch orientiertes Programm genommen haben.


Ambra und Yves, Momento di Passione, Leosvel und Diosmani

Den Traum vom Fliegen haben sich ebenfalls die Flying Mendonca erfüllt. Jeweils zwei Damen und Herren schwingen am Trapez zum Partner auf der gegenüberliegenden Seite. Dabei zeigen sie Sprünge wie den dreifachen Salto und die Passage. Eine blendende Figur machen sie obendrein. Vor ein paar Jahren waren sie beim Zirkus Charles Knie engagiert. Dort sehen wir auch 2015 wieder Ambra und Yves. Ihre Liebesszenen im Tangorhythmus an den Tüchern passen perfekt in den Cirque d'Hiver. Sie verbinden Gesang von Yves, Tanz und Artistik zu einer begeisternden Einheit. Neu ist der Trick, bei dem Yves einen Stuhl mit den Zähnen festhält, an welchem Ambra nur an den Zehenspitzen kopfüber hängt. Gleich von zwei blonden jungen Damen auf Händen getragen wird der männliche Part des Trios Momento di Passione. Die Teilnehmer beim European Youth Circus 2012 präsentieren ihre Hand-auf-Hand-Artistik in durchgängiger Choreographie. Der Rahmen wird von den Salto Dancers in edlen Abendkleidern vorgegeben. Immer wieder faszinierend ist die Artistik am Mast von Leosvel und Diosmani. Ihre imposanten Muskeln setzen die Kubaner dazu ein, die vertikale Stange in unglaublichen Variationen hinauf und herunter zu klettern. Beeindruckender Finaltrick ist der einarmige Handstand von Diosmani auf dem Oberkörper seines Partners, welcher im rechten Winkel zum Masten steht.


Finale

Traditionell ist die Familie Bouglione selbst im Programm vertreten. So reitet Regina Bouglione mit den Cassellys auf einem Pferd und verstärkt Joseph Bouglione mit seiner Trompete das Orchester. Die eigenständige Nummer gehört den Junioren. Victoria, Valentino, Dimitri und Alessandro präsentieren gemeinsam Großillusionen. Das schon mit reichlich Showmanship. Je jünger, desto charmanter. Das Finale im Cirque d'Hiver ist ein wirklicher Klassiker. Die Salto Dancers eröffnen in blau-weiß-goldenen Kostümen den Reigen. Alle Artisten kommen mit Luftballons in die Manege. Nach einer ausgiebigen Verabschiedung des Ensembles gehört die letzte poetische Szene Rob Torres. Er verabschiedet uns mit einem Flieger von Daniel Golla und verschwindet damit im Artisteneingang. Der letzte Vorhang fällt.

Diese Show verdient den Namen „Géant!“ in jeder Hinsicht. Der Bau an sich ist großartig, das Line-up der Artisten sowie die fantastische Präsentation sind es ebenfalls. Als weiteres „G“ fügen wir „Génial“ hinzu. Dies dafür, wie aus diesen Elementen eine traumhafte Einheit, ein einzigartiges Gesamterlebnis geschaffen wird. Und zuletzt ein „G“ für „Générosité“ aus Dankbarkeit an die Familie Bouglione für die Großzügigkeit, dieses einmalige Erlebnis mit uns zu teilen, uns zu schenken.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch