„Wir
gehen heute gleich noch einmal in den Cirque d'Hiver“, war es des
Öfteren von Circusenthusiasten in Paris zu hören. Diese Entscheidung
ist nur allzu verständlich.
Opening
Die
prächtige Ausstattung des Baus wurde schon wiederholt beschrieben. In
diesem Jahr erscheint das Licht nochmals aufwendiger. Neu ist auf jeden
Fall ein großes elektronisches Display über den Musikern um Pierre
Nouveau. Darauf gibt es zu den Nummern passende Einspielungen.
Allerdings geht diese Neuerung angesichts der Flut von visuellen Reizen
etwas unter. Eine Augenweide sind immer wieder die Auftritte der Salto
Dancers. Die acht ausgesucht hübschen Tänzerinnen sorgen gleich zu
Beginn für einen „Rausch in Rot“. Tanz, Musik und Licht sorgen für
einen eindrucksvollen Auftakt, der einen sofort vollends gefangen
nimmt. Rot sind dabei auch die Kostüme von Komiker Rob Torres,
Weißclown Alberto Caroli und Monsieur Loyal Michel Palmer. Letzterer
führt mit kurzen Überleitungen souverän durch die Show. Den Salto
Dancers begegnen wir ebenfalls immer wieder. Bis sie am Ende in
Kunstnebel gehüllt in der Manegenmitte verschwinden.
Familie Casselly
Plakatmotiv
von Géant sind drei afrikanische Elefanten. Gleich vier sind mit
der Familie Casselly nach Frankreich gereist. Und sie besetzen – völlig
zu Recht – die zentralen Positionen im Programm. Den Auftakt macht Rene
Casselly mit einem einzelnen Tier. Dieses zeigt auf einem Podest in der
Manegenmitte seine Tricks, die Casselly nur mit der Stimme dirigiert.
Die große Nummer vor der Pause bestreiten jeweils vier Pferde und
Elefanten, auf denen hübsche Frauen reiten. Merrylu Casselly ist
genauso dabei wie Regina Bouglione. Es ergeben sich großartige Bilder,
wenn die acht Tiere in den verschiedensten Formationen durch die Manege
laufen. Geleitet wird dieses Schauspiel wiederum von Rene Casselly,
unterstützt von Sohn Rene junior. Dieser steht dann im Mittelpunkt der
Schlussnummer. Als „Artistik zu Elefant“ kann man diese betiteln.
Gemeinsam mit Schwester Merrylu bewegt er sich in traumwandlerischer
Sicherheit auf dem Rücken der Tiere. Spektakulärer Höhepunkt sind die
Sprünge vom Schleuderbrett auf den Rücken eines Dickhäuters. Ein
Goldener Clown in Monte Carlo 2013 war der verdiente Lohn für diese
einzigartige Leistung.
Pat Clarrison, Rob
Torres, Daniel Golla
Komplettiert
werden die Tierdarbietungen durch die Hot Dogs von Pat Clarrison. Die
aufgeweckten Hunde zeigen ihre Tricks rund um einen Hot Dog-Stand. Das
auch gerne mal hinter dem Rücken ihres Vorführers. Clarrison setzt
dabei auf einen lebhaften, humorvollen Stil. Ein weiterer Vertreter der
Sparte Humor ist Rob Torres. Waren in den letzten Jahren zumeist
mehrere Clowns gleichzeitig engagiert, ist Torres nun als Solist
gefordert. Eine Aufgabe, die er mit Bravour meistert. Uns jedenfalls
hat er vollends überzeugt. Er sieht unschuldig aus, hat es aber
faustdick hinter den Ohren. Zudem hat er viele äußerst witzige Ideen,
die er umwerfend spielt. Schön zu wissen, dass wir ihn 2015 bei Knie
erleben können. Einzigartig für einen Circusmanege ist der Auftritt von
Daniel Golla. Das Publikum ist zunächst einmal verblüfft, hier ein
Modellflugzeug im freien Flug zu erleben. Wenn der junge Deutsche dann
sein ganzes Können gezeigt hat, toben die Zuschauer vor Begeisterung.
Bei den virtuosen Figuren kommen seine Flieger einzelnen Besuchern
bedrohlich nahe. Aber keine Angst. Golla hat seine Flotte mittels
Fernsteuerung perfekt im Griff. Dazu trägt er stilecht eine
Pilotenuniform. Die assistierenden Salto Dancers agieren im Dress von
Flugbegleiterinnen. Als i-Tüpfelchen erklingt zu Beginn auch in Paris
das Fliegerlied. Wunderbar, dass die Bougliones diese außergewöhnliche
Nummer in ihr klassisch orientiertes Programm genommen haben.
Ambra und Yves, Momento di Passione,
Leosvel und Diosmani
Den
Traum vom Fliegen haben sich ebenfalls die Flying Mendonca erfüllt.
Jeweils zwei Damen und Herren schwingen am Trapez zum Partner auf der
gegenüberliegenden Seite. Dabei zeigen sie Sprünge wie den dreifachen
Salto und die Passage. Eine blendende Figur machen sie obendrein. Vor
ein paar Jahren waren sie beim Zirkus Charles Knie engagiert. Dort
sehen wir auch 2015 wieder Ambra und Yves. Ihre Liebesszenen im
Tangorhythmus an den Tüchern passen perfekt in den Cirque d'Hiver. Sie
verbinden Gesang von Yves, Tanz und Artistik zu einer begeisternden
Einheit. Neu ist der Trick, bei dem Yves einen Stuhl mit den Zähnen
festhält, an welchem Ambra nur an den Zehenspitzen kopfüber hängt.
Gleich von zwei blonden jungen Damen auf Händen getragen wird der
männliche Part des Trios Momento di Passione. Die Teilnehmer beim
European Youth Circus 2012 präsentieren ihre Hand-auf-Hand-Artistik in
durchgängiger Choreographie. Der Rahmen wird von den Salto Dancers in
edlen Abendkleidern vorgegeben. Immer wieder faszinierend ist die
Artistik am Mast von Leosvel und Diosmani. Ihre imposanten Muskeln
setzen die Kubaner dazu ein, die vertikale Stange in unglaublichen
Variationen hinauf und herunter zu klettern. Beeindruckender Finaltrick
ist der einarmige Handstand von Diosmani auf dem Oberkörper seines
Partners, welcher im rechten Winkel zum Masten steht.
Finale
Traditionell
ist die Familie Bouglione selbst im Programm vertreten. So reitet
Regina Bouglione mit den Cassellys auf einem Pferd und verstärkt Joseph
Bouglione mit seiner Trompete das Orchester. Die eigenständige Nummer
gehört den Junioren. Victoria, Valentino, Dimitri und Alessandro
präsentieren gemeinsam Großillusionen. Das schon mit reichlich
Showmanship. Je jünger, desto charmanter. Das Finale im Cirque d'Hiver
ist ein wirklicher Klassiker. Die Salto Dancers eröffnen in
blau-weiß-goldenen Kostümen den Reigen. Alle Artisten kommen mit
Luftballons in die Manege. Nach einer ausgiebigen Verabschiedung des
Ensembles gehört die letzte poetische Szene Rob Torres. Er
verabschiedet uns mit einem Flieger von Daniel Golla und verschwindet
damit im Artisteneingang. Der letzte Vorhang fällt.
|