CHPITEAU.DE

Heilbronner Weihnachtscircus 2014/15
www.weihnachtscircus.com ; 83 Showfotos

Heilbronn, 18. Dezember 2014: „One of our dreams is coming true“, schrieb das Rollschuh-Duo Medini vor der Premiere des Heilbronner Weihnachtscircus auf Facebook. Die sympathischen Geschwister Emanuel und Vanessa Medini dürften aber längst nicht die einzigen Artisten sein, für die ein Engagement in Heilbronn die Erfüllung eines großen Traums bedeutet. Zudem gilt die Produktion von Uwe Gehrmann und Sascha Melnjak vielen Circusfreunden als der Weihnachtscircus schlechthin in Deutschland. Und auch in diesem Jahr haben die beiden Circusmacher ein enorm starkes Programm zusammengestellt.

Dass aus den 13 Darbietungen eine runde Show wird, dafür sorgten Sascha Melnjak und Uwe Gehrmann diesmal persönlich. Nachdem in den vergangenen Jahren jeweils Louis Knie sen. Regie geführt hatte, übernahmen die beiden Produzenten diese Herausforderung nun selbst. Dank der langjährigen Stützen Volodymyr Kozachuk (Orchester), Enrico Zoppe (Licht), Detlef Zasche (Ton) und Ionut Calin (Oberrequisiteur) sei es eine machbare Aufgabe gewesen, sagte Sascha Melnjak. Zum Ergebnis kann man nur gratulieren. Bereits am Premierenabend lief die Show so rund und flüssig, als hätte man sie schon längere Zeit gespielt.

 
Fabian Egli, Gaby Dew, César Dias 

Moderator Fabian Egli, Publikumsliebling seit Jahren, darf die Show diesmal gleich mit Gesang eröffnen. Singend leitet er auch den ersten Auftritt von Gaby Dew ein. Bei ihrer Stehendreiterei lässt sie die zwei Pferde unter sich walzen. Dann folgt die Ungarische Post. Die erfahrene Reiterin hat an diesem Abend ein wenig Mühe mit den recht ungestümen Tieren, doch sie kann letztlich von allen sechs Vorauspferden die Bänder greifen. Runde um Runde dreht das imaginäre Gespann in der Manege; das Publikum zeigt sich sofort begeistert. Wie bereits im Vorjahr sorgt Clown César Dias für die Heiterkeit im Programm. Neben seiner großartigen „My Way“-Interpretation hat er auch neue Szenen im Gepäck. Am besten gefiel uns jene, in der er eigentlich nur in Ruhe ein Buch lesen will. Dabei wird er von einer surrenden Fliege gestört, gegen die auch mit den gemeinsten Methoden kein Kraut gewachsen ist. In einer anderen Reprise spielt Dias auf einem imaginären Schlagzeug.

 
César Pindo, Duo Medini, Anton Monastyrsky

Voller Spielfreude präsentieren sich die Geschwister Medini bei ihrer rasanten Rollschuhnummer. Neu ist, dass Emanuel Medini sich die Augen verbindet, ehe seine Schwester im Genickhang um ihn herumwirbelt. Klischnigger César Pindo war im vergangen Jahr die Entdeckung beim Offenburger Weihnachtscircus. Folgerichtig darf er nun in Heilbronn auftreten. Wenn er sich die Füße hinter den Kopf klemmt und zusammengeklappt mit den Händen auf dem Gesäß trommelt, dann sorgt das für herzliches Lachen. Raunen und Staunen im Publikum, als er in eine enge Glaskiste steigt. Mit einem letzten Handgriff schließt er den Deckel. Zum Staunen lädt auch Anton Monastyrsky ein. Eigentlich ist Hula Hoop eine reine Frauendomäne, so dass dieses Gene mit dem Russen deutlich gegen den Strich besetzt ist. Gleichwohl wirkt seine Arbeit keinesfalls feminin, sondern sportlich-dynamisch – zum Beispiel, wenn er einzelne Reifen vom Hals zum Arm oder von Bein zu Bein fliegen lässt und diese sich dort weiterdrehen. Monastyrsky arbeitet mit bis zu vier Reifen.

 
Duo Vanegas, Truppe Pronin, Erwin Frankello

Ebenso außergewöhnlich wie die Hula Hoop-Nummer ist auch Erwin Frankellos Elefantendressur. Hier geht es weniger ums „Pyramidenbauen“. Nein, der deutsche Tierlehrer präsentiert mit seinen beiden afrikanischen Elefantendamen eine ungeheure Vielzahl feiner, kleiner Tricks, bei denen die spielerische Kommunikation zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt steht. Die Elefanten spielen Mundharmonika, wagen ein Tänzchen, lassen Reifen um den Rüssel kreisen oder bestätigen ganz einfach per Kopfnicken, dass sie gerne ein Leckerli hätten. Besonders eindrucksvoll fürs Publikum sind die „Rechenkünste“ von Elefantin Citta bei Additions- und Subtraktionsaufgaben. Das richtige Ergebnis klopft Citta mit dem Rüssel. Die Zuschauer lieben diese Nummer. Für den großen Nervenkitzel vor der Pause sorgt dann das Duo Vanegas auf dem Todesrad. Vom wagemutigen einarmigen Aufschwung über hohe Sprünge und Seilspringen bis zum elegant gedrehten Salto reicht das Repertoire. Kaum weniger gefahrvoll sind die Sprünge, Salti und Pirouetten der sechsköpfigen Truppe Pronin von einer russischen Schaukel zur anderen. Damit wird der zweite Programmteil eröffnet.

 
Gaby Dew, Erwin Frankello, Maria Andreeva

Eigentlich hätte Sacha Houcke jun., lebende Tierlehrer-Legende, in Heilbronn einen großen Zwölferzug Freiheitspferde präsentieren sollen – so steht es im Programm. Leider kann er sich nach einer Operation aktuell ohne Krücken nur mehr hüpfend denn gehend fortbewegen. Und so ist ersatzweise seine Lebensgefährtin Gaby Dew zu sehen. Hoch zu Ross dirigiert sie fünf Freiheitspferde in braun und weiß. Nicht nehmen lässt sich Sacha Houcke jedoch die Präsentation der drei dunklen „Korbpferde“. Auf Kommando springen sie jeweils in die großen Reifen in der Manege und bleiben abrupt stehen. Mit Solosteigern von Pferd und Pony findet die Darbietung ihren Abschluss. Maria Andreeva verwandelt ihr Vertikalseil im Laufe ihrer Darbietung in ein Schwungseil. Auch wenn sie als wildes „Energiebündel“ auftritt, werden hier die wenigen und wenig spektakulären Tricks auch noch mit Longensicherung dargeboten. Viel mehr Freude bereitet da die super-sympathische Seelöwen-Komödie von Erwin Frankello. Ebenso wie bei der Elefantennummer steht hier die Kommunikation mit Mensch (im Publikum) und Tier im Mittelpunkt.


Duo Kvas, Beijing Acrobatic Troupe 

Mit zwei großen Sensationen rückt das Finale näher. Einfach bärenstark ist die Partnerakrobatik des Duos Kvas. Los geht es gleich mit einem Einarmer auf dem Kopf des Untermannes. Dieser setzt sich währenddessen hin, dreht eine Pirouette im Sitzen/Liegen und steht wieder auf. Dann der Schlusstrick: ein „echtes“ Kopf-auf-Kopf ohne jeden Vorteil. Wieder setzt sich der Untermann, steht wieder auf. Und trägt den Partner immer noch Kopf-auf-Kopf. Bronze beim jüngsten Festival in Monte Carlo war der Lohn der Mühen. Bereits Anfang 2013 gewann die Beijing Acrobatic Troupe mit ihrem Reifenspringen dort Gold, Ende 2013 war sie dann Schlussnummer beim Weltweihnachtscircus in Stuttgart. Einen weiteren Beweis für die Zugehörigkeit zur allerersten Liga braucht es wohl nicht. Der besondere Clou der Darbietung ist, dass die elektronisch gesteuerten Reifen ständig ihre Position verändern, so dass die Akrobaten vor immer neuen Sprungvariationen stehen, teilweise über- und untereinander her springen müssen. Traditioneller Abschluss sind Sprünge durch immer höher werdende Reifentürme. Als Höhepunkt wird gar ein Reifenturm in einer Höhe von über drei Metern überwunden, rund 60 Zentimeter über dem Weltrekord im Hochsprung. Als dieser Wahnsinnstrick im zweiten Anlauf gelingt, branden Riesen-Beifall und Jubel auf.

Im groß zelebrierten Finale darf Fabian Egli noch mal singen; „I’m a believer“ hat er sich diesmal ausgesucht. Und wir glauben fest daran, dass es nicht nur für Artisten wie die Medinis ein Traum ist, in Heilbronn aufzutreten. Auch fürs Publikum ist es mehr als traumhaft, solche Programme erleben zu dürfen.

________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber