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Himmel auf Erden 2014
www.himmelauferden.ch ; 59 Showfotos

Zürich, 23. November 2014: Mit einem hohen Anspruch sind die Veranstalter von „Himmel auf Erden“ gestartet: Sie wollen ihr Projekt langfristig zur „schönsten und größten Weihnachtsshow der Schweiz“ machen. Obwohl das Ganze im Zelt stattfindet und Artisten mitwirken, will man kein Circus sein. Vielmehr sei „Himmel auf Erden“ als „jährlich sich verändernde, unterhaltende Show, in der eine fiktive Geschichte erzählt wird“ konzipiert. Es würden „die besten Möglichkeiten aus verschiedenen Aufführungsformen wie Theater, Musical, Varieté oder Rockshow ineinander verschmolzen."

In den Jahren 2000, 2002 und 2004 hatte die „Good News Production AG“ die ersten drei Ausgaben von „Himmel auf Erden“ veranstaltet; 2006 holte „Himmel auf Erden“ den Circus Roncalli in die Schweiz. Seitdem wurde die Marke nicht mehr genutzt. Dafür hatten andere Veranstalter versucht, auf der offenen Radrennbahn in Zürich-Oerlikon eine neue Weihnachtsshow namens „Swiss Christmas“ zu etablieren. Vier Mal fand die Veranstaltung statt, zuletzt 2013. Jetzt ist „Swiss Christmas“ Geschichte und „Himmel auf Erden“ auf der Rennbahn zu Gast. „Good News“ hat sich hierzu die „Carré Event AG“ an die Seite geholt, die in der Schweiz mit Shows wie „Art on Ice“ erfolgreich ist.


Zehn-Masten-Chapiteau von Alfredo Nock

Wie bei „Swiss Christmas“ wurde im Innenraum der ovalen Rennbahn wieder ein Zehn-Masten-Chapiteau von Alfredo Nock aufgebaut. Es ist schon ein imposanter Anblick, wie die Fahrbahn und die Zuschauerränge der Sportanlage das riesige Zelt umschließen. Dieses präsentiert sich im Inneren edel ausgestattet und vereint Foyer, Gastronomie und Spielstätte unter einem Dach. Der Boden ist mit blauem Teppichboden ausgelegt, die Rundleinwand mit weißem Stoff abgehängt. Sofas, Stehtische und Sessel schaffen im Foyerbereich eine stilvoll-moderne Lounge-Atmosphäre. In einem Teil des Zelts steht ein Restaurant mit gedeckten Tischen zur Verfügung, in einem Nebenzelt werden im rustikalen „Chäs-Stübli“ Raclette und Fondue angeboten. Im Zuschauerraum steht die u-förmige Tribüne leider weit weg von der Showbühne, so dass das Geschehen bereits aus der siebten Reihe allzu weit entfernt wirkte.


Show-Impressionen

„Konferenz der Weihnachtsmänner“ ist der Titel der aktuellen Produktion. Die Geschichte wurde von der Neuen Zürcher Zeitung nicht ganz unzutreffend als „schlicht blöd“ beschrieben. Sie handelt davon, dass die Jahreskonferenz der Weihnachtsmänner nicht wie üblich in New York stattfinden kann. Weil das Treffen im Vorjahr in einer wilden Feier endete, wurde der Kongress kurzfristig nach Zürich verlegt. Die männlichen Artisten und Tänzer der Show müssen die neun Weihnachtsmänner geben. Im Mittelpunkt steht der kolumbianische Comedy-Trampolin-Artist Duban Nickol als ihr Präsident. Im Zwiegespräch zwischen ihm und einer Art „Miss Moneypenny“, die sich immer wieder auf der Videoleinwand „aus den USA zuschaltet“, wird die Story erzählt. Dass Nickol dabei englisch spricht, mag für eine Familienshow nicht gerade geeignet sein; den amerikanischen Akzent seiner Gesprächspartnerin empfanden wir jedenfalls als anstrengend. Hinzu kommen die „Nachrichten“ eines Zürcher Radiosenders, die aus dem Off das Geschehen kommentieren. Unter anderem heißt es da gleich zu Beginn, dass die Weihnachtscircusse „Salto Natale“ und „Conelli“ gegen die Weihnachtsmänner-Konferenz protestieren würden. Hier wollen die Macher also ihr Selbstbewusstsein gegenüber den beiden langjährig etablierten Shows demonstrieren. Das weckt zunächst Hoffnung auf eine wirklich überzeugende Vorstellung. Doch es kommt es anders: Besonders die ausgedehnten Spielszenen sind es, die weite Teile der Show langatmig wirken lassen.


Spark Fire Dance, Duo Blind Date, Gennadiy Tsvetkov

Nachdem die Päckchen der Weihnachtsmänner aus aller Welt aufgrund „unerlaubter pflanzlicher Substanzen“ beschlagnahmt werden, sollen Gesang, Tanz und Kunststücke als Ersatz dienen. Und damit wären wird nun beim eigentlichen Programm. Beim Duo „Blind Date“ gibt Konstantin Dementiev einen biederen älteren Herren, der von seiner Partnerin Svetlana als „Dompteurin mit Peitsche“ zu Kunststücken auf der Rola Rola gezwungen wird. Im zweiten Teil ist das Duo nochmals kurz mit einer Partnerakrobatik zu sehen. Gennadiy Tsvetkov vertritt das Genre „Malerei“. Minutenlang scheint das, was er auf die Leinwand bringt, keinerlei Sinn zu ergeben – bis das Bild am Ende mit Goldflitter beworfen wird. Durch den anhaftenden Flitter wird eine Kopie des bekannten Porträts der „Queen of Pop“ Madonna mit Augenklappe sichtbar. Ein netter Überraschungseffekt, ja. Allerdings bietet im Vergleich dazu das Varieté-Genre der Sandmalerei die ganze Nummer über Unterhaltung, überraschende Momente und Kurzweiligkeit, weil immer wieder neue Bilder entstehen. Tsvetkovs Act muss sich allein auf das unerwartete Ende verlassen. Uneingeschränkt Freude dagegen bereitet die außergewöhnliche Feuershow von Dan und Steffi alias „Spark Fire Dance“, welche die Bühne in ein regelrechtes Flammenmeer verwandeln.


Evelyne Paquin-Lanthier und Shannon Gélinas, Rémi Martin Lenz, Tridiculous 

Eine der wenigen rein artistischen Darbietungen des Programms steuern die beiden Kanadierinnen Evelyne Paquin-Lanthier und Shannon Gélinas bei. Sie waren die Gold-Gewinnerinnen beim Basler Young-Stage-Festival 2014 und arbeiten am still hängenden Trapez mit zwei übereinander angebrachten Trapezstangen. Diese Anordnung ermöglicht neue, schwierige Kombinationen, die mit sehr zurückhaltender musikalischer Begleitung und recht düsterer Beleuchtung dargeboten werden. Ein Ballett gibt es in dieser Show nicht. Dafür wurden Solotänzer Samuel Delvaux, Hip-Hopper U-Gin Boateng und die beiden L’sheila Sisters verpflichtet, die als aufreizende „Weihnachtsfrauen“ das Burlesque-Thema abdecken sollen. Den stärksten Eindruck unter den Tänzern hinterlässt jedoch das Berliner Trio „Tridiculous“. Nachdem der zweite Programmteil längere Zeit nur so dahinplätschert, sorgen die drei Männer mit ihrer starken Mischung aus Tanz und Akrobatik für Stimmung. Das über weite Teile der Vorstellung verhalten reagierende Publikum geht hier begeistert mit. Gleiches gilt für den großartigen, von Kraft und Dynamik geprägten Auftritt von Rémi Martin Lenz am Chinesischen Mast.


Duban Nickol, Freedom-Jazz 

Zum Besten, was diese Show zu bieten hat, gehört freilich auch die zehnköpfige Band „Freedom-Jazz“ aus der Ukraine, die ausschließlich aus Frauen besteht. Die schönen Damen mit den strengen Tollen-Frisuren spielen unter anderem Musik im Stil der 1930er bis 1950er Jahre – schade, dass die Begleitmusik bei den artistischen Auftritten und selbst im Finale jedoch vom Band kommt. In der ersten Hälfte noch gut vertreten, hat die Band im zweiten Programmteil nur noch direkt nach der Pause einen Auftritt. Dann sieht man Freedom-Jazz erst wieder zum Schlussapplaus. Produzent Oliver Höner, Regisseur Maxim Bauer, Choreograph Dimitri Lavrynenko, Texter Kamil Kreči, Kostümbildnerin Isabel Jazzabel sowie die Lichtdesigner Paul Lee und Benjamin Alberts bildeten das Kreativteam dieser Produktion, welche den „Weihnachtsmann-Präsidenten“ Duban Nickol in den Mittelpunkt stellt. Beide Programmteile darf er beschließen: den ersten mit Songs von Tom Jones & Co., den zweiten mit eher lauen Gags auf dem Trampolin. Da wird selbst auf „Gangnam Style“, Klatschspiele mit dem Publikum und angedeuteten Strip nicht verzichtet.

Nun sind wir sicher keine sturen Anhänger klassischer Circusprogramme, denen jede Abweichung von der reinen Lehre ein Dorn im Auge ist. Trotz aller Liebe zum Circus sind wir vor allem auch Fans guter Live-Unterhaltung, egal welcher Couleur. Und entsprechend aufgeschlossen haben wir die Vorstellung besucht – leider mit dem klaren Fazit, dass es bis zur „schönsten und größten Weihnachtsshow der Schweiz“ noch ein ziemlich weiter Weg ist.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber (13), Stefan Gierisch (1)