Noch
dazu, wenn die einladend strahlende Front an der Marsstraße einen
wunderbaren Kontrast zum kalten Winterwetter mit Schneetreiben bildet.
Da heißt es Eintreten und für zweieinhalb Stunden Abtauchen in die
internationale Welt der Manegenunterhaltung. So, wie es seit 96 Jahren
an dieser Stelle Tradition ist. Auf diese stolze Zahl weist Direktorin
Christel Sembach-Krone im Vorwort des Programmhefts hin. Genauso wie
auf die 34 Artisten aus zehn Nationen, die vom ersten
Weihnachtsfeiertag bis Ende Januar die erste von drei Shows gestalten.
Truppe Dalian, Nicol Nicols, Jochen Träger
Nachdem
der Kinderspaß vor der Vorstellung, jetzt um ein Trampolin erweitert,
beendet ist und Nikolai Tovarich das Publikum begrüßt hat, treffen wir
auf Artisten, welche wir schon im Saisonprogramm sehen konnten. Die
Mitglieder der Truppe Dalian landen ihre hohen Sprünge von zwei
nebeneinander aufgestellten Schaukeln in einem Tuch, das von der Kuppel
herunterhängt. Präzision erfordert insbesondere der Satz durch einen
Reifen. Mit ihrer Artistik an Bungeeseilen im UV-Licht bilden die Chy
Fu Dey die Schlussnummer. Auch sie sind uns aus Celebration bekannt und
bieten dem Publikum ein ganz besonderes visuelles Erlebnis. Spätestens
mit seinem Engagement beim Zirkus Charles Knie hat sich Nicol Nicols
auch hierzulande einen Namen gemacht. Der „spanische Grieche“ (Zitat
Programmheft) tanzt gekonnt über das Drahtseil. Höhepunkte seines
Repertoires sind der Rückwärts- sowie Vorwärtssalto. Lange nicht mehr
gesehen hatte ich die Kleintierrevue von Jochen Träger alias Krenzola
junior. Und die hat sich inzwischen prächtig entwickelt. Wieder dabei
ist die Szene, bei der ein Fuchs eine Gans im Puppenwagen schiebt. Sie
ist so etwas wie das Markenzeichen dieser Darbietung. Neu für mich ist
die Pute, welche ihren zwei- und vierbeinigen Kollegen in Sachen
Manegenpräsenz in nichts nachsteht. Zum Kollegenkreis zählen Katzen,
Hunde, Hühner und ein Papagei. Unzählige Tauben fliegen zudem in einen
großen Korb.
Jana Mandana, Martin Lacey junior
Die
weiteren Tiernummern kommen aus dem Hause Krone. Ein Zusammentreffen
zweier sehr unterschiedlicher Damen, die doch wunderbar harmonieren, ist
die Elefantennummer. Die eine wiegt vier Tonnen und hört auf den Namen Bara, die andere bringt nur ein Bruchteil dieses Gewichts auf die Waage
und heißt Jana Mandana. Zunächst erklimmen sie gemeinsam einen Turm aus
fünf Postamenten. Auch bei den weiteren Tricks, wie dem Aufrichten auf
den Hinterbeinen, trägt Bara ihre junge Trainerin ganz locker auf dem Rücken.
Von der Manegenmitte aus dirigiert Krones Juniorchefin später sechs
wunderschöne Falben. Die Lusitanos geben ein herrliches Bild ab und
laufen in schönen Formationen durch das Rund. Bedingt durch eine
Fußverletzung von Jana Mandana sehen wir bei den da capi an diesem
Nachmittag „nur“ einen Vorwärtssteiger. Womöglich den letzten Auftritt
hat die Löwengruppe von Martin Lacey junior, mit der er uns über so
viele Jahre begeistert hat. Die vierbeinige Jugend steht in der
Startlöchern und wird in den nächsten beiden Winterprogrammen sowie auf
Tournee das Scheinwerferlicht genießen dürfen. Nun also noch einmal die
Routiniers, die sich in einem Augenblick so herrlich wild generieren,
um im nächsten als vermeintliche Schmusekatzen mit Martin Lacey zu
spielen. Eindrucksvoll ist immer wieder das x-fache Hochsitzen der
Löwinnen. Ebenso der vertraute Umgang mit Mähnenlöwe Kassanga. „Thanks
for the Memory!“
Dmitry Chernov, Duo Capilar, The Champions
Kommen
wir nun also zu den neuen Gesichtern. Kurzfristig für seine Kollegin
Shirley Dean eingesprungen ist Dmitry Chernov. Chernov ist nicht nur
ein technisch versierter Jongleur. Er ist ebenfalls ein äußerst
kreativer Kopf. Für viele andere Artisten hat der Russe bereits
Auftritte kreiert. Und so ist sein eigener alles andere als gewöhnlich.
Als Schamane jongliert er bis zu sieben relativ große weiße Bälle. Mit
Kostüm, Schminke, Musik und seinen Bewegungen setzt er das Thema um.
Von Russland geht es direkt weiter nach Kuba. Vom dortigen
Nationalcircus kommt das Duo Capilar. Die beiden bildhübschen Twens
Jenny Montero Arencibia und Yanisley Sanchez Hinojosa beherrschen die
Kunst des Zopfhangs. Vielmehr noch gewinnen sie ihr neue Aspekte ab.
Denn sie schweben nicht nur nebeneinander durch die Luft, sondern
hängen auch Zopf an Zopf übereinander. Originell sind zudem die
Sequenzen, bei denen die Oberfrau kopfüber einen Luftring und Tücher an
ihren Haaren befestigt, während die Partnerin daran Kunststücke zeigt.
The Champions nennt sich die nächste Generation der Truppe Sarach. Ein
Name, mit dem man in der Circuswelt die Disziplin der Percheartistik
verbindet. Das Balancieren mit langen Stangen sorgt hier für den
Nervenkitzel vor der Pause. Das Sextett und Truppenchef Alexei Sarach
betreiben einen enormen Aufwand. Viele Requisiten werden eingesetzt, um
eindrucksvolle Bilder zu schaffen. Während das untere Ende der
Perchestange auf den Schultern der kräftigen Träger liegt, halten sich
die Artisten oben geschickt im Gleichgewicht. Dies auch über mehrere
Etagen.
Sterza Family, Duo Fusion
In
der Sparte Humor hat Krone mit der Sterza Family einen richtig guten
Griff gemacht und Spaßmacher engagiert, die zum ersten Mal in München
zu erleben sind. Beim Circusfestival von Latina machten sie im
vergangenen Jahr auf sich aufmerksam. Das große Entree bestreiten Vater
Alessandro Sterza sowie Bryan, David und Gulzan gemeinsam. Es
wird auf gewöhnlichen genauso wie auf ungewöhnlichen Instrumenten
gespielt. Es wird sich gegenseitig gestört und am Ende dann doch
gemeinsam musiziert. Hinzu kommen Gags neuerer Prägung, wie das
Fotografieren eines Selfies mittels Smartphones. Sehr unterschiedlich
sind zudem ihre Reprisen. In einer reitet einer der Clowns auf einem
Zebra, welches mit Wasser spritzt, in den Zuschauerraum. In einer anderen
gibt es ein originelles Spiel mit einer Stoffpuppe. Eine Einordnung
fällt schwer. Aber die ist auch gar nicht zwingend notwendig. Vielmehr
bleibt festzuhalten, dass diese sympathische Familie für ansteckenden
Spaß sorgt. Vollends überzeugt, ja begeistert, haben mich schließlich
Virginia Tuells und Giovani Perez. Es ist eine jener Nummern, bei denen
einfach alles stimmt: Ausstrahlung, Personality, Auftreten und zum
Glück ebenfalls die Leistung. Als Duo Fusion zeigen sie
Partner-Akrobatik vom Feinsten. Der Clou bei der Sache: Mal übernimmt
Virginia den tragenden Part, dann wieder Giovani. Die anspruchsvollen
Tricks sind eingebunden in einen Tango, wie er leidenschaftlicher kaum
vorstellbar ist. Nicht nur für mich das Highlight der Show. Auch das
Publikum feierte das Duo Fusion ähnlich frenetisch wie den Lokalmatador
Martin Lacey junior.
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