CHPITEAU.DE

Salto Natale 2014 - "Mirlando"
www.saltonatale.ch ; 77 Showfotos

Kloten, 22. November 2014: In ein „Wunderland“ möchte der Wintercircus Salto Natale von Rolf und Gregory Knie in dieser Saison entführen. Es ist ein äußerst buntes Völkchen, das dieses Wunderland bewohnt. Artistische Darbietungen im ganz klassischen Stil treffen auf Cirque Nouveau; eine hochklassige, wunderbar authentische Tanzgruppe aus Spanien gehört ebenso dazu wie ein schwäbisch-schweizerisches Entertainerduo. Salto Natale will hier die Brücke schlagen zwischen den verschiedensten Künstlern, die letztlich doch die gleiche Sprache sprechen. Und deshalb wurde der Showtitel „Mirlando“ – Wunderland – der Weltsprache Esperanto entnommen.

Der Auftakt dieser Show ist typisch Salto Natale: Sängerin und Violinistin performen auf der Bühne einen Popsong, begleitet von einem Fabelwesen. Doch dann folgt beim Auftritt des neuen Balletts gleich die erste Überraschung.


Ballett 

Die vergangenen Jahre hatten sich die Salto-Natale-Tänzer stets modernen Choreographien gewidmet, meist in besonders farbenfrohen Kostümen oder in recht erotischer Aufmachung. Diesmal hat man sich für ein elfköpfiges Ensemble aus Spanien entschieden, sechs Frauen und fünf Männer. In mehreren Auftritten zeigen sie unterschiedliche Facetten traditioneller Tanzstile der iberischen Halbinsel. Flamenco, Kastagnetten und mehr werden in wunderbar authentischen, hochwertigen Kostümen präsentiert. Es entstehen große Bilder von beeindruckender tänzerischer Präzision und choreographischer Qualität. Die verschiedenen Auftritte sind eigenständige Nummern, die vom Publikum zu Recht mit Begeisterung und rhythmischem Applaus aufgenommen werden. Der zusätzliche Auftritt zum Evergreen „YMCA“ erschien uns dagegen verzichtbar.

 
Olena Lehmann, Du Sen, David Pereira
 

Einen Poledance, wie wir ihn in dieser Stärke noch nicht gesehen haben, zeigt Olena Lehmann aus der Ukraine. Die zierliche Frau verfügt über enorme Kraft und hohe Beweglichkeit gleichermaßen; mit ihren Posen scheint sie die Schwerkraft zu überwinden. Vier vietnamesische Artistinnen präsentieren an grünen Seidentüchern unter rosa Blüten ein raumfüllendes Luftballett. Authentisch und landestypisch auch dieses Bild, wie bei den spanischen Tänzern, wenngleich es für westliche Augen etwas kitschig wirken mag. Der Genickhangwirbel einer Artistin steht am Ende der Darbietung. Starke Kontorsion, Handstände und Tanz vereint David Pereira in seiner modernen Darbietung. Nur eine weiße Pant und anfänglich Engelsflügel als Kostüm sowie ein Einkaufswagen als Requisit mögen provokant sein, doch das Publikum zeigt sich aufgeschlossen. Starker Applaus und anerkennende Pfiffe sind der Lohn.

 
Truppe Dobrovitsky, Duo Heartbeat, Timur Kaibjanov

„Fliegende Menschen“ gibt es bei Salto Natale heuer nicht am Trapez, sondern mit der Truppe Dobrovitsky am selten gezeigten Doppel-Fangstuhl zu sehen. Die beiden stehenden Fänger werfen sich die beiden Fliegerinnen und den Flieger gegenseitig zu. Ähnlich wie bei einer Flugtrapeznummer gehören auch hier Sprünge, Salti, Pirouetten und zum Abschluss die Passage zum Repertoire, das zu Swingmusik dargeboten wird. Eine ganz außergewöhnliche und leistungsstarke Version der Jonglage hat sich Timur Kaijbjanov erarbeitet. Er sitzt dabei auf einem hohen Barhocker, so dass er Hände und Füße gleichermaßen nutzen kann. Auf seinen Schuhen sind kleine Schalen befestigt. Und so jongliert er zum Beispiel vier Bälle nur mit den Füßen oder drei Bälle mit den Füßen und gleichzeitig drei mit den Händen. Wieder auf festem Boden stehend, hält er zum Abschluss sieben Bälle in der Luft. Das Duo Heartbeat, Yuliaa Lytvychnuk und Valerii Volynets, zeigt eine artistisch überzeugende Partner- und Wurfakrobatik, zu der ein romantischer Lovesong vielleicht besser gepasst hätte als Ravels „Bolero“.

 
Truppe Shagunin, Truppe Nomuna, Dasha und Vadym 

Mit der Percheakrobatik der Truppe Shagunin aus Russland ist ein weiteres seltenes, aber umso lieber gesehenes Genre im Programm. Der ganz starke Schlusstrick: Ein Artist steht im Kopfstand auf einer Perchestange, die sein Partner wiederum auf dem Kopf balanciert. Dabei läuft der Untermann noch über einen schmalen Russischen Barren, den zwei weitere Artisten auf ihren Schultern tragen. Kehrtwende auf dem Barren inklusive! Auf eine Blitzkarriere darf das ukrainische Duo Dasha und Vadym zurückblicken, das nach dem „Young Stage“-Festival 2013 im Pariser Cirque d’Hiver zu sehen war und nun dank Salto Natale eine weitere Top-Adresse in seine Referenzliste aufnehmen darf. Die beiden geht bei ihrer Luftartistik an Seidentüchern volles Risiko ein – zum Beispiel wenn Vydym Pankevych seine hübsche Partnerin Daria Shelest nur mit einer Hand im Nacken hält. Aus der Mongolei kommt als Schlussnummer die Schleuderbrettattraktion der elfköpfigen Truppe Nomuna. Starke Tricks wie ein Vier-Mann-Hoch ohne Stange sind wirklich aller Ehren wert, der Verkauf als „wilde Affenhorde“ dagegen eher Geschmackssache.


Die Kavaliere, Jennifer S. Boone 

Was bleibt zu sagen? Für den komischen Teil des Programms wurde das Duo „Die Kavaliere“ aus Deutschland engagiert. Während Ralf Hafner fröhlich schwäbelt, antwortet sein Partner Bernhard Altfeld auf Schwyzerdütsch. Die beiden Komiker suchen äußerst offensiv den Kontakt den Publikum und agieren jederzeit mit vollem Einsatz, beispielsweise bei ihrer komischen Zauberei. Wir sahen das Duo mehrfach bei Dinnershows als „verrückte Kellner“. Ihre Show erschien uns für den intimen Rahmen eines Spiegelzeltes besser geeignet als für das weite Rund des Salto-Natale-Chapiteaus. Wenn zum Beispiel bei einem Gesangswettstreit die einzelnen Publikumsblöcke gegeneinander ausgespielt werden, kommt das im kleinen Rahmen noch besser rüber. Für die musikalische Begleitung sorgt wiederum ein ganz hervorragendes neunköpfiges Orchester unter der Leitung von Orlando Ribar. Es wird durch Sängerin Jennifer S. Boone ergänzt, die mehrere Nummern mit Livegesang begleitet. Im Vorjahr hatten Rolf und Gregory Knie ihrem Chapiteau mit zwei geschwungenen und beleuchteten Showtreppen den Look eines modernen Revuetheaters gegeben; heuer wurde dagegen wieder ein barock-verspielter Artisteneingang geschaffen, der für mehr Circusatmosphäre sorgt. Die bewährte Rundbühne ist indes geblieben, und darauf versammelt sich das beeindruckend große Ensemble zum Finale. „Happiness ist the truth“ liefert die musikalische Begleitung, ehe Gregory Knie die Besucher persönlich verabschiedet.

Der Brückenschlag zwischen den verschiedensten Kulturen und Traditionen, zwischen Klassisch und Modern in diesem „Wunderland“ ist insgesamt also reichlich bunt. Mehr als die etwas gewagte Zusammenstellung insgesamt hat uns heuer daher jede einzelne Darbietung für sich überzeugt. Und so gesehen bietet Salto Natale auch in diesem Winter Neues, Überraschendes – und vor allem viele wirklich starke Darbietungen.

________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber