Für das
Programm ihres 2. Singener Weihnachtscircus hat die Familie
Reinhold Frank („Circus Rudolf Busch“) also eine recht
außergewöhnliche, aber doch unterhaltsame und kurzweilige
Mischung aus Tradition und Moderne zusammengestellt.
Außenansicht, Finale
Gespielt
wird heuer im Singener Gewerbegebiet auf dem Gelände eines
Autohauses, das den Weihnachtscircus auch präsentiert. Vor dem
Rundkuppelzelt steht der schöne, mit Circusmotiven bemalte
Kassenwagen. Im Vorzelt laden Verkaufsstände, eine Bar,
Sitzgarnituren und Stehtische zum Verweilen ein. Der
Foyerbereich ist direkt mit dem Hauptzelt verbunden. Dort fällt
die geschmackvolle rote Gardine mit der bogenförmigen „Weihnachtscircus“-Leuchtschrift
ins Auge. Links vom Artisteneingang steht das Musikerpodium mit
Hammondorgel und Schlagzeug. Über der Manege ist ein Metallring
mit Scannern und LED-Scheinwerfern bestückt. Und rund um die
beleuchtete Piste gruppieren sich zwei Reihen Logenstühle mit
geschmackvollen Überwürfen und dahinter acht Reihen einfaches
Holzbankgradin ohne Lehnen.
Gerhard
Frank, Samira
Ursprünglich war für den Singener Weihnachtscircus neben einer
Motorradkugel auch eine Raubtiernummer angekündigt. Nachdem
ersteres aus technischen Gründen, letzteres aufgrund
behördlicher Vorgaben gescheitert sei, so die Franks gegenüber
Chapiteau.de, stammen die einzigen beiden Tierdarbietungen in
diesem Programm aus dem Repertoire der Familie. Gleich zu Beginn
der Vorstellung präsentiert Gerhard Frank einen äußerst flott
laufenden Viererzug Araberhengste. Im zweiten Programmteil zeigt
er eine Hohe Schule am Langen Zügel, bei der das Pferd am Ende
gar die Kapriole springt. Abgeschlossen wird diese Darbietung
durch einen Viererzug Miniponys. Während beim 2. Singener
Weihnachtscircus außer großen und kleinen Pferden also keine
weiteren Tiere mitwirken, ist die Luftakrobatik gleich mit vier
Genres vertreten. Sie bildet damit einen Schwerpunkt des
Programms. Den Auftakt macht Samira aus Marokko, die am Luftring
mit charmantem Lächeln eine klassische Arbeit in dieser
Disziplin zeigt. Am zunächst still hängenden, später auch
kreisenden Ring demonstriert sie Kraft und Beweglichkeit.
Sergey Novikov, Helene Ramer,
Angelika
Die
nächste Variante der Luftartistik ist das Vertikalseil, das in
seiner klassischen Ausprägung fast schon rar geworden ist. Hier
gibt es sie noch, die klassische Trickfolge, bei der die
Artisten an einem Arm hängend rasant ausgedreht wird. Angelika
aus Polen lässt sich bei dieser traditionellen Arbeit von
moderner Musik begleiten. Zum Abschluss saust sie kopfüber das
Seil hinab. Komplett im modernen Stil arbeitet dagegen Sergey
Novikov aus der Ukraine. Er war Anfang 2012 beim Cirque de
Demain in Paris, im Anschluss im Münchner Kronebau und auch
schon bei Roncallis „Circus meets Classic“ zu erleben. Während
seiner Strapaten-Akrobatik lässt er sich immer wieder aus großer
Höhe auf eine dicke Matte fallen. Freilich muss bei einer Nummer
im Stil des „Cirque Nouveau“ auch ein wenig Weltschmerz sein.
Novikov bringt ihn zum Ausdruck, indem er sich zwischen den
Stoffbändern auf seiner Matte windet. Die vierte und letzte
Variante der Luftartistik in diesem Programm ist das
Vertikaltuch, das mit kontorsionistischen Übungen kombiniert
wird. Helene Ramer heißt die Vertreterin dieses Faches.
Helene Ramer, Piotr Wasik,
Jakub Sobczak
Als
„jugendfrei“ wird Helene Ramers Poledance angekündigt. Das ist
er auch, denn die Artistin präsentiert sich lieber freundlich
strahlend als aufreizend-verrucht. In dieser populär gewordenen
Disziplin zeigt sie voller Kraft und Können ein breites
Repertoire. Jakub Sobczak aus Polen jongliert gekonnt mit fünf,
kurz auch mit sechs Bällen und mit fünf Keulen. Im abgedunkelten
Zelt verwendet er fluoreszierende Requisiten. Sein Landsmann
Piotr Wasik tritt im ersten Programmteil als „Mr. Ssnake“ auf.
Das hautenge Kostüm, vorne großflächig ausgeschnitten, und die
entsprechende Schminke machen ihn zur „Schlange“. Dieses Thema
wird auch mit exzentrischen Bewegungen sowie wildem Zischen und
Züngeln umgesetzt. Seine Disziplin ist Hula Hoop, verbunden mit
Kontorsionselementen. Bis zu fünf Reifen lässt er kreisen. Der
Artist, der aus keiner Circusfamilie kommt, ist auch als
Kostümdesigner und -schneider tätig. Das nutzt er insbesondere
in seiner zweiten Darbietung, die verschiedene Illusionen und
Quickchange miteinander kombiniert. Mangels Partnerin wechselt
er seine Kostüme hinter einer Art Paravent und zum Abschluss gar
im Flitterregen. Dieser ergießt sich aus einem Regenschirm. Die
gesamte Darbietung und die Kostüme sind aufwendig im
venezianischen Stil gestaltet.
Vincenzo,
Ricardo Frank
Einen
Klassiker aus dem Repertoire eines Familiencircus bringt dagegen
Ricardo Frank in die Manege. Sein Feuerschlucken und -spucken
wird hier mit fünf Tänzerinnen im orientalischen Stil verkauft.
„Truppe Toskana“ nennt sich das Ensemble. Clown Vincenzo aus
Prag ist ein angenehmer Vertreter seines Faches. Er hat bekannte
Klassiker wie die "Motorradfahrt", das "Popcorn" oder „Karate“ im
Gepäck. Diese Szenen werden von dem schlaksigen Typen mit
Wuschelkopf erfreulich kompakt gespielt, anstatt sie endlos
auszuwalzen. Mit dem Laserman – alias Andrea Prince aus Italien
– wurde eine Schlussnummer gefunden, die in der besuchten
Vorstellung gerade beim jüngeren Publikum für hörbare
Begeisterung sorgte. Vom Artisteneingang aus zaubert hier ein
Assistent große Bilder aus Lichtstrahlen unters Chapiteau. Der „Laserman“
selbst springt wie der sprichwörtliche Derwisch durch die Manege
und sorgt mit Hand-Lasern für zusätzliche Effekte. In der
aktuellen „Laser-Schwemme“ für uns die attraktivste und
technisch aufwendigste Variante des Genres, die wir bisher
gesehen haben.
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