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Singener Weihnachtscircus 2014/15
www.singener-weihnachtscircus.de ; 77 Showfotos

Singen, 19. Dezember 2014: Ein Viererzug Freiheitspferde, mit Federpuscheln geschmückt, die zum Klang einer Hammondorgel und eines Schlagzeugs rasant ihre Runden drehen. Ein Feuerspucker, dessen Auftritt von fünf Damen mit einem Bauchtanz und Kostümen im orientalischen Stil eingeleitet wird. Solche geradezu klassischen Bestandteile eines Familiencircus-Programms bietet der Singener Weihnachtscircus. Hinzu kommen aber auch Elemente des „Neuen Zirkus“ – zum Beispiel, wenn der ukrainische „Cirque de Demain“-Teilnehmer von 2012, Sergey Novikov, seinen Weltschmerz an den Strapaten zum Ausdruck bringt.

Für das Programm ihres 2. Singener Weihnachtscircus hat die Familie Reinhold Frank („Circus Rudolf Busch“) also eine recht außergewöhnliche, aber doch unterhaltsame und kurzweilige Mischung aus Tradition und Moderne zusammengestellt.


Außenansicht, Finale 

Gespielt wird heuer im Singener Gewerbegebiet auf dem Gelände eines Autohauses, das den Weihnachtscircus auch präsentiert. Vor dem Rundkuppelzelt steht der schöne, mit Circusmotiven bemalte Kassenwagen. Im Vorzelt laden Verkaufsstände, eine Bar, Sitzgarnituren und Stehtische zum Verweilen ein. Der Foyerbereich ist direkt mit dem Hauptzelt verbunden. Dort fällt die geschmackvolle rote Gardine mit der bogenförmigen „Weihnachtscircus“-Leuchtschrift ins Auge. Links vom Artisteneingang steht das Musikerpodium mit Hammondorgel und Schlagzeug. Über der Manege ist ein Metallring mit Scannern und LED-Scheinwerfern bestückt. Und rund um die beleuchtete Piste gruppieren sich zwei Reihen Logenstühle mit geschmackvollen Überwürfen und dahinter acht Reihen einfaches Holzbankgradin ohne Lehnen.


Gerhard Frank, Samira
 

Ursprünglich war für den Singener Weihnachtscircus neben einer Motorradkugel auch eine Raubtiernummer angekündigt. Nachdem ersteres aus technischen Gründen, letzteres aufgrund behördlicher Vorgaben gescheitert sei, so die Franks gegenüber Chapiteau.de, stammen die einzigen beiden Tierdarbietungen in diesem Programm aus dem Repertoire der Familie. Gleich zu Beginn der Vorstellung präsentiert Gerhard Frank einen äußerst flott laufenden Viererzug Araberhengste. Im zweiten Programmteil zeigt er eine Hohe Schule am Langen Zügel, bei der das Pferd am Ende gar die Kapriole springt. Abgeschlossen wird diese Darbietung durch einen Viererzug Miniponys. Während beim 2. Singener Weihnachtscircus außer großen und kleinen Pferden also keine weiteren Tiere mitwirken, ist die Luftakrobatik gleich mit vier Genres vertreten. Sie bildet damit einen Schwerpunkt des Programms. Den Auftakt macht Samira aus Marokko, die am Luftring mit charmantem Lächeln eine klassische Arbeit in dieser Disziplin zeigt. Am zunächst still hängenden, später auch kreisenden Ring demonstriert sie Kraft und Beweglichkeit.


Sergey Novikov, Helene Ramer, Angelika 

Die nächste Variante der Luftartistik ist das Vertikalseil, das in seiner klassischen Ausprägung fast schon rar geworden ist. Hier gibt es sie noch, die klassische Trickfolge, bei der die Artisten an einem Arm hängend rasant ausgedreht wird. Angelika aus Polen lässt sich bei dieser traditionellen Arbeit von moderner Musik begleiten. Zum Abschluss saust sie kopfüber das Seil hinab. Komplett im modernen Stil arbeitet dagegen Sergey Novikov aus der Ukraine. Er war Anfang 2012 beim Cirque de Demain in Paris, im Anschluss im Münchner Kronebau und auch schon bei Roncallis „Circus meets Classic“ zu erleben. Während seiner Strapaten-Akrobatik lässt er sich immer wieder aus großer Höhe auf eine dicke Matte fallen. Freilich muss bei einer Nummer im Stil des „Cirque Nouveau“ auch ein wenig Weltschmerz sein. Novikov bringt ihn zum Ausdruck, indem er sich zwischen den Stoffbändern auf seiner Matte windet. Die vierte und letzte Variante der Luftartistik in diesem Programm ist das Vertikaltuch, das mit kontorsionistischen Übungen kombiniert wird. Helene Ramer heißt die Vertreterin dieses Faches.

 
Helene Ramer, Piotr Wasik, Jakub Sobczak

Als „jugendfrei“ wird Helene Ramers Poledance angekündigt. Das ist er auch, denn die Artistin präsentiert sich lieber freundlich strahlend als aufreizend-verrucht. In dieser populär gewordenen Disziplin zeigt sie voller Kraft und Können ein breites Repertoire. Jakub Sobczak aus Polen jongliert gekonnt mit fünf, kurz auch mit sechs Bällen und mit fünf Keulen. Im abgedunkelten Zelt verwendet er fluoreszierende Requisiten. Sein Landsmann Piotr Wasik tritt im ersten Programmteil als „Mr. Ssnake“ auf. Das hautenge Kostüm, vorne großflächig ausgeschnitten, und die entsprechende Schminke machen ihn zur „Schlange“. Dieses Thema wird auch mit exzentrischen Bewegungen sowie wildem Zischen und Züngeln umgesetzt. Seine Disziplin ist Hula Hoop, verbunden mit Kontorsionselementen. Bis zu fünf Reifen lässt er kreisen. Der Artist, der aus keiner Circusfamilie kommt, ist auch als Kostümdesigner und -schneider tätig. Das nutzt er insbesondere in seiner zweiten Darbietung, die verschiedene Illusionen und Quickchange miteinander kombiniert. Mangels Partnerin wechselt er seine Kostüme hinter einer Art Paravent und zum Abschluss gar im Flitterregen. Dieser ergießt sich aus einem Regenschirm. Die gesamte Darbietung und die Kostüme sind aufwendig im venezianischen Stil gestaltet.


Vincenzo, Ricardo Frank 

Einen Klassiker aus dem Repertoire eines Familiencircus bringt dagegen Ricardo Frank in die Manege. Sein Feuerschlucken und -spucken wird hier mit fünf Tänzerinnen im orientalischen Stil verkauft. „Truppe Toskana“ nennt sich das Ensemble. Clown Vincenzo aus Prag ist ein angenehmer Vertreter seines Faches. Er hat bekannte Klassiker wie die "Motorradfahrt", das "Popcorn" oder „Karate“ im Gepäck. Diese Szenen werden von dem schlaksigen Typen mit Wuschelkopf erfreulich kompakt gespielt, anstatt sie endlos auszuwalzen. Mit dem Laserman – alias Andrea Prince aus Italien – wurde eine Schlussnummer gefunden, die in der besuchten Vorstellung gerade beim jüngeren Publikum für hörbare Begeisterung sorgte. Vom Artisteneingang aus zaubert hier ein Assistent große Bilder aus Lichtstrahlen unters Chapiteau. Der „Laserman“ selbst springt wie der sprichwörtliche Derwisch durch die Manege und sorgt mit Hand-Lasern für zusätzliche Effekte. In der aktuellen „Laser-Schwemme“ für uns die attraktivste und technisch aufwendigste Variante des Genres, die wir bisher gesehen haben.

Wir geben es offen zu: Wir waren mit geringen Erwartungen nach Singen gefahren. Umso positiver überrascht waren wir vom ansprechenden Ambiente und dem abwechslungsreichen und attraktiven Programm, das die Familie Frank für die zweite Auflage ihres Singener Weihnachtscircus zusammengestellt hat.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber