Schon das Betreten dieses
prächtigen Circusbaus mit seinen steil ansteigenden Rängen
beeindruckt. Wenn dann das Programm von Sprechstallmeister Tony
Wilson im roten Livree eröffnet wird und Florian und Edith
Richter ihre Hohe Schule präsentieren, dann fühlt man sich fast
in die Zeit eines Philipp Astley versetzt. Fast – denn das
Orchester unter Kapellmeister Ruslan Fil sorgt für eine immer
zeitgemäß-flotte und doch stilvolle musikalische Begleitung. Die
Hohe Schule ist auf technisch höchstem Niveau und wird zum Teil
ohne Sattel reitend dargeboten. Solche Reitkunst ist rar
geworden im Circus und wird von den Richters hier in Vollendung
praktiziert.
Prächtiger Circusbau mit steil
ansteigenden Rängen
Den ersten akrobatischen
Höhepunkt markiert die rockig daherkommende Arbeit der Truppe
Stoian am Russischen Barren. Schwierige Sprungfolgen bis hin zum
rückwärts gesprungenen dreifachen Salto werden immer perfekt
gestanden. Die beim Festival von Budapest mit Silber
ausgezeichnete Nummer wirkt dadurch sehr dynamisch. Dynamisch
ist auch die in Monte Carlo goldprämierte
Hand-auf-Hand-Akrobatik der beiden Russen Popov und Shcherbak.
In dieser ansonsten zumeist langsam präsentierten Disziplin
strotzt ihre Nummer vor Lebensfreude wie vor akrobatischen
Höchstleistungen, zum Beispiel bei einem Salto vom Handstand in
den Handstand. Der clowneske Teil des Abends ist nicht minder
stark besetzt. Weltstar David Larible hat mit seinen gewohnt
interaktiven Reprisen die Rolle als Publikumsliebling quasi
abonniert. Wunderbar zur Geltung kommt auch die genauso
temporeiche wie ästhetische Arbeit seiner Tochter Shirley
Larible an den Strapaten, wenn er sie gesanglich begleitet. Umso
temporeicher geht es bei der Truppe Zhuk zu, die eine starke
Akrobatik am Quadratreck präsentiert.
Alessio Fochesato,
Truppe Zhejiang, Truppe Tai Chi
Wie von den Produktionen Henk van
der Mejdens bekannt, sind auch hier wieder außerordentlich
starke Akrobatentruppen aus Fernost engagiert. So zeigt die aus
China angereiste Truppe Zhejiang eine Handstand- und
Kopf-auf-Kopf-Darbietung, die in einem imposanten Schlussbild
gipfelt: Auf einer treppenartigen Konstruktion, die zwei Mann
hoch gehalten wird, springt einer der Akrobaten einzig auf
seinem Kopf balancierend Stufe um Stufe höher – eine
Wahnsinnsleistung. Ebenfalls aus China kommt die Truppe Tai Chi.
Ein von Stangen umrahmtes, rundes Podest ist das Requisit ihrer
stark inszenierten Handstandakrobatik. Von Stange zu Stange
bewegen sich die drei Akrobaten im Handstand, als sei es die
natürlichste Form der Fortbewegung. Ein Altmeister seines Fachs ist
im Programm für die Jonglage verantwortlich. Im Gentleman-Stil
präsentiert Kris Kremo seine Darbietung, die angesichts der
Vielzahl der Sensationsnummern im großen Bau leider nicht voll
zur Geltung kommt. Ähnlich ergeht es Yelena Larkina, deren
Hoola-Hoop-Darbietung jedoch elegant und unkonventionell ist. Der etwas unterrepräsentierte
Part der Tiernummern wird durch die Papageien von Alessio
Fochesato ergänzt. Die ohnehin optisch starke Nummer wirkt im
Carré-Bau sehr elegant, besonders wenn seine Aras ihre Bahnen
durch den Zuschauerraum drehen. Ein elegantes Bild gibt auch die
Freiheitsdressur von Florian Richter ab, dessen großes
Pferdekarussell aus der Vogelperspektive der steilen Ränge des
Baus ein ganz besonderer Anblick ist. Die Nummer endet mit
beeindruckenden Dacapo-Steigern, solo und im Quartett.
Truppe Sokolov
Die beiden
Höhepunkte des Programms sind jeweils dramaturgisch gelungen
an den
Enden der beiden Programmhälften
platziert.
Pausennummer ist
eine
Luftsensation vom Nationalcircus von Pjöngjang. Mit vier Fängern
auf verschiedenen Ebenen werden atemberaubende Sprungfolgen
möglich, wie man sie zurzeit wohl nur von nordkoreanischen
Truppen bewundern kann. Ihre führende Stellung in der
Luftakrobatik beweisen die Akrobaten dann eindrucksvoll mit
einem nie da gewesenen Trick, dem fünffachen Salto. Han Ho Song
springt ihn von einer erhöht gelagerten Schaukel und erntet
tosenden Applaus. Schlussnummer des Programms ist die
Schleuderbrett-Truppe Sokolov des Moskauer Nikulin-Circus und
ihre in Monte Carlo mit dem goldenen Clown prämierte
Inszenierung im Mozart-Stil. Mit scheinbarer Leichtigkeit zeigen
sie Sprünge allerhöchsten Schwierigkeitsgrads. Besonders ihre
Schlusssprünge mit Stelzen begeistern. |