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Flic Flac X-Mas Show Nürnberg 2015/16
www.flicflac.de ; 149 Showfotos

Nürnberg, 9. Januar 2016: Alle denkbaren Sensationen in zwei Stunden und 15 Minuten: So könnte man die „Neue Flic Flac X-Mas Show“ in Nürnberg beschreiben und würde nur wenig übertreiben. Fliegende Motorräder der spektakulärsten Sorte, der Vierfache am Flugtrapez, Siebener-Pyramide auf dem Hochseil, die Rakete der Garcias und zahlreiche weitere Highlights werden geboten. Rasant aneinander geschnitten wie in einem Videoclip, folgt ein Höhepunkt auf den anderen. Die Nürnberger wussten es zu schätzen: Bereits Ende Dezember war das bis 10. Januar laufende Gastspiel restlos ausverkauft.

Eine Sensation ist bei Flic Flac in Nürnberg schon das Zelt: Hier wurde der Achtmaster errichtet, mit dem das Unternehmen 2007 und 2013 auf Tournee war – nun allerdings mit komplett neuer Sitzeinrichtung. Jedem Besucher steht ein gepolsterter Sessel mit Armlehnen und Kopfstützen zur Verfügung. Bislang standen sich im Achtmaster zwei gerade Tribünen gegenüber, dazwischen zog sich eine lang gestreckte Bühne in Form einer „Straße“. Jetzt ist (fast) alles anders. Eine Rundbühne wird mit einer „Straße“ kombiniert, das Publikum sitzt außenrum auf steil ansteigenden Rängen. Daraus ergibt sich ein Sitzplan, der an die Form einer Glühbirne mit Fassung erinnert. Die großzügige Restauration ist nun an einer Stirnseite des Achtmasters untergebracht und nicht mehr an den beiden Längsseiten. Im separaten Vorzelt befinden sich Kassen und Toiletten.

 
Trial-Fahrer, Garcia Boys, Alex Michael

Los geht’s mit einem kurzen Opening und dann dem ersten Motorrad-Act der Show, dem Trial Fahren. Steven Bleuk Frantzen und Tom Reygel fahren nur auf den Hinterreifen ihrer Motorräder oder sitzen beim Fahren auf dem Lenker. Das erinnert stark an Kunstradfahren, nur dass es eben auf motorisierten Bikes stattfindet. Dann der erste schnelle Schnitt. Spot aus fürs Trial-Duo, Spot an für Alex Michael. Flink klettert er ein Seil hinauf zu seinem Luftapparat. Läuft kopfüber durch Schlaufen an einer Stange von einem Trapez zum anderen. Zweimal überwindet er die Distanz von Trapez zu Trapez mit einem beherzten Sprung, fängt sich beim zweiten Mal nur mit den Füßen. Und wieder Schnitt. Das Podest für die Garcia Boys, die Brüder Antonio und Connor, steht schon bereit. Sie zeigen Handstand-Equilibristik, Moonwalk à la Michael Jackson, einen Rückwärts-Überschlag in den Einarmer und anderes mehr. Damit liefern die Sprösslinge von Vicky und Pablo Garcia eine vollwertige, anspruchsvolle Darbietung.


Katerina Abarakova, Spicy Circus, Johnny Filion 

Für ordentlich Stimmung sorgen die zwei Damen und vier Herren der Formation „Spicy Circus“ bei ihrer wilden Verfolgungsjagd auf dem doppelten Trampolin mit Haus dazwischen. Während der Darbietung sitzt Katerina Abarakova oben im Haus und tut nichts, das aber mit Leidensmiene grandios. So kann sie sich mit dem Abgang von „Spicy Circus“ sofort an die Strapaten schwingen. Das ist einer dieser Momente, in der das Team von Oberrequisiteur Nicolai Kuntz sowie die Regie von Ira Rizaeva und Benno Kastein trotz großer Requisitenwechsel für Non-Stop-Entertainment sorgen. Der Luftraum gehört nun der jungen Artistin, die an ihren Strapaten kraftvolle Überschläge zeigt, sich rückwärts in einen Fußhang fallen lässt oder elegant in Spagat und Genickhang schwebt. Das gefällt sicher jedem. Geschmackssache ist dagegen der kanadische Komiker Johnny Filion. In seinem ersten Auftritt reiht er eine ganze Reihe skurriler Aktivitäten Schlag auf Schlag aneinander. Dazu steht ihm ein ganzer Tisch voller Requisiten zur Verfügung, mit denen er die Bühne zunehmend in einen Saustall verwandelt. Am Ende versucht er, eine Babypuppe mittels Schleuderbrett in einen Kinderwagen zu befördern. Nach weiteren Reprisen gefällt letztlich sein Auftritt am besten, in dem er auf dem Einrad über ein auf der Bühne liegendes „Opfer“ aus dem Publikum hüpft. Man kann sich über Filion herzlich amüsieren, muss aber nicht. Ich persönlich fand ihn mit seinen zum großen Teil eigenständigen Gags ganz lustig.


Duo Garcia, The Gerlings, Romy Meggoilora 

Ein Dreierpack Weltsensationen umrahmt die Pause. Den Auftakt machen die Garcias mit ihrer schon legendären Nummer an der kreisenden Rakete. Sie ist und bleibt eine der riskantesten Luftdarbietungen unserer Zeit. Man denke nur an den Zehenhang von Vicky Garcia an einem kleinen Trapez, das ihr Ehemann Pablo hält, oder den Zahnhangwirbel zum Abschluss. Mit Seilspringen, Viererpyramide, Bocksprung und mehr eröffnet eine Formation der Gerlings ihre Hochseilschlau. So etwas wie die Krönung der Luftartistik ist schließlich die Siebenerpyramide, mit der diese Truppe die erste Halbzeit abschließt. Mit ähnlichen Superlativen könnte man die neueste große Luftnummer aus Nordkorea beschreiben, das Spiegeltrapez. Es ist tatsächlich spiegelbildlich aufgebaut, mit doppeltem Fangstuhl bzw. zwei Fängern Rücken an Rücken in der Mitte des Luftapparats. An den Außenseiten der Konstruktion finden sich zwei schwingende Fangstühle. So ergeben sich die Möglichkeiten für atemberaubende Flugkombinationen, den Vierfachsalto einer Artistin und den Vierfachen einen männlichen Kollegen über die Wahnsinnsdistanz von 14 Metern. Einen Kontrapunkt zu den großen Nummern setzt anschließend die bildhübsche Romy Meggoilara mit ihren Antipodenspielen. Äußerst gekonnt und elegant lässt sie drei Walzen, sechs Ringe oder vier Tücher kreisen.


Desire of Flight, Alex Ramien, Trial-Show 

„Desire of Flight“ gewannen 2014 den Goldenen Clown in Monte Carlo und waren 2015 für das Saisonprogramm des Circus Knie vorgesehen – eigentlich. Eine langwierige Verletzung zwang sie zur Pause. Nun sind Malvina Abakarova und ihr Partner Sychev Valeriy mit ihrer Strapatennummer wieder da. Und wie. Wie Malvina mehrfach von ihrem Mann nur mit den Füßen gefangen wird, ohne Netz und Longe, ist hochriskant. Sinnlich ist dieses Luftballett obendrein. Bei dem Duo handelt es sich um die Eltern der Strapatenkünstlerin im ersten Programmteil. Nervenkitzel mit Humor kombiniert das Team von Alex Ramien. Schließlich geht es hier nicht nur zu fünft in die Motorradkugel. Nein, der charismatische und sympathische Truppenchef kommentiert das Geschehen auch mit pointiert gesetzten Gags. Zuvor tritt er zwei Mal als eine Art Moderator in Szene, begrüßt das Publikum und kündigt die Pause an – für eine Flic Flac-Show doch überraschend, aber willkommen! Dann nochmal Motorräder: Fred Crossett und Chris Bruand zeigen weitere Facetten des Trial-Genres, fahren auf ihren Maschinen die Gradintreppe hinauf und hinunter und überqueren ein Polizei-Auto. Letzteres sogar in Kombination mit einem Salto samt Motorrad!


Cirque Moto X, Finale. Rich Metiku 

Auf dem Beifahrersitz des Polizeiwagens wartet schon eine dunkelhäutige Schönheit auf ihren Auftritt: „Spiderwoman“ Rich Metiku zeigt bei ihrer bekannten, starken Kontorsionistik ihre enorme Beweglichkeit. Dann das Highlight zum Abschluss der Show, die fünf Motocross Freestyle Jumper von „Cirque Moto X“. Nur mit den Füßen am Lenker, der Hand am Sattel oder für einen kurzen Moment ganz „berührungsfrei“ fliegen Maschinen und Fahrer durch die Luft. Das ist nur der Beginn. Höchstschwierigkeiten wie Backflip (Rückwärtssalto) und „Whip“, bei der die Maschine in der Luft zur Seite gedreht wird, gibt es im Anschluss gleich mehrfach zu sehen. So spektakulär ausgeführt wie hier haben wir dieses Genre noch nicht gesehen.

Mit Standing Ovations endet dieser große und berauschende Circus-Abend. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Bleibt für Flic Flac nur ein Luxus-Problem – die Frage, wie man dieses extrem hohe Niveau dauerhaft halten und dabei auch noch die artistischen Genres durchwechseln will. Doch Benno Kastein wäre nicht Benno Kastein, wenn er die kreative Antwort wohl nicht schon in petto hätte.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber