Eine Sensation ist bei Flic Flac
in Nürnberg schon das Zelt: Hier wurde der Achtmaster errichtet,
mit dem das Unternehmen 2007 und 2013 auf Tournee war – nun
allerdings mit komplett neuer Sitzeinrichtung. Jedem Besucher
steht ein gepolsterter Sessel mit Armlehnen und Kopfstützen zur
Verfügung. Bislang standen sich im Achtmaster zwei gerade
Tribünen gegenüber, dazwischen zog sich eine lang gestreckte
Bühne in Form einer „Straße“. Jetzt ist (fast) alles anders.
Eine Rundbühne wird mit einer „Straße“ kombiniert, das Publikum
sitzt außenrum auf steil ansteigenden Rängen. Daraus ergibt sich
ein Sitzplan, der an die Form einer Glühbirne mit Fassung
erinnert. Die großzügige Restauration ist nun an einer
Stirnseite des Achtmasters untergebracht und nicht mehr an den
beiden Längsseiten. Im separaten Vorzelt befinden sich Kassen
und Toiletten.
Trial-Fahrer, Garcia Boys,
Alex Michael
Los geht’s mit einem kurzen
Opening und dann dem ersten Motorrad-Act der Show, dem
Trial Fahren. Steven Bleuk Frantzen und Tom Reygel fahren nur
auf den Hinterreifen ihrer Motorräder oder sitzen beim Fahren
auf dem Lenker. Das erinnert stark an Kunstradfahren, nur dass
es eben auf motorisierten Bikes stattfindet. Dann der erste
schnelle Schnitt. Spot aus fürs Trial-Duo, Spot an für Alex
Michael. Flink klettert er ein Seil hinauf zu seinem
Luftapparat. Läuft kopfüber durch Schlaufen an einer Stange von
einem Trapez zum anderen. Zweimal überwindet er die Distanz von
Trapez zu Trapez mit einem beherzten Sprung, fängt sich beim
zweiten Mal nur mit den Füßen. Und wieder Schnitt. Das Podest
für die Garcia Boys, die Brüder Antonio und Connor, steht
schon bereit. Sie zeigen Handstand-Equilibristik, Moonwalk à la
Michael Jackson, einen Rückwärts-Überschlag in den Einarmer und
anderes mehr. Damit liefern die Sprösslinge von Vicky und Pablo
Garcia eine vollwertige,
anspruchsvolle Darbietung.
Katerina Abarakova, Spicy
Circus, Johnny Filion
Für ordentlich Stimmung sorgen
die zwei Damen und vier Herren der Formation „Spicy Circus“ bei
ihrer wilden Verfolgungsjagd auf dem doppelten Trampolin mit
Haus dazwischen. Während der Darbietung sitzt Katerina Abarakova
oben im Haus und tut nichts, das aber mit Leidensmiene grandios.
So kann sie sich mit dem Abgang von „Spicy Circus“ sofort an die
Strapaten schwingen. Das ist einer dieser Momente, in der das
Team von Oberrequisiteur Nicolai Kuntz sowie die Regie von Ira
Rizaeva und Benno Kastein trotz großer Requisitenwechsel für
Non-Stop-Entertainment sorgen. Der Luftraum gehört nun der
jungen Artistin, die an ihren Strapaten kraftvolle Überschläge
zeigt, sich rückwärts in einen Fußhang fallen lässt oder elegant
in Spagat und Genickhang schwebt. Das gefällt sicher jedem.
Geschmackssache ist dagegen der kanadische Komiker Johnny Filion.
In seinem ersten Auftritt reiht er eine ganze Reihe skurriler
Aktivitäten Schlag auf Schlag aneinander. Dazu steht ihm ein
ganzer Tisch voller Requisiten zur Verfügung, mit denen er die
Bühne zunehmend in einen Saustall verwandelt. Am Ende versucht
er, eine Babypuppe mittels Schleuderbrett in einen Kinderwagen
zu befördern. Nach weiteren Reprisen gefällt letztlich sein
Auftritt am besten, in dem er auf dem Einrad über ein auf der
Bühne liegendes „Opfer“ aus dem Publikum hüpft. Man kann sich
über Filion herzlich amüsieren, muss aber nicht. Ich persönlich
fand ihn mit seinen zum großen Teil eigenständigen Gags ganz
lustig.
Duo Garcia, The Gerlings,
Romy Meggoilora
Ein Dreierpack Weltsensationen
umrahmt die Pause. Den Auftakt machen die Garcias mit ihrer
schon legendären Nummer an der kreisenden Rakete. Sie ist und
bleibt eine der riskantesten Luftdarbietungen unserer Zeit. Man
denke nur an den Zehenhang von Vicky Garcia an einem kleinen
Trapez, das ihr Ehemann Pablo hält, oder den Zahnhangwirbel zum
Abschluss. Mit Seilspringen, Viererpyramide, Bocksprung und mehr
eröffnet eine Formation der Gerlings ihre Hochseilschlau. So
etwas wie die Krönung der Luftartistik ist schließlich die
Siebenerpyramide, mit der diese Truppe die erste Halbzeit
abschließt. Mit ähnlichen Superlativen könnte man die neueste
große Luftnummer aus Nordkorea beschreiben, das Spiegeltrapez.
Es ist tatsächlich spiegelbildlich aufgebaut, mit doppeltem
Fangstuhl bzw. zwei Fängern Rücken an Rücken in der Mitte des
Luftapparats. An den Außenseiten der Konstruktion finden sich
zwei schwingende Fangstühle. So ergeben sich die Möglichkeiten
für atemberaubende Flugkombinationen, den Vierfachsalto einer
Artistin und den Vierfachen einen männlichen Kollegen über die
Wahnsinnsdistanz von 14 Metern. Einen Kontrapunkt zu den großen
Nummern setzt anschließend die bildhübsche Romy Meggoilara mit
ihren Antipodenspielen. Äußerst gekonnt und elegant lässt sie
drei Walzen, sechs Ringe oder vier Tücher kreisen.
Desire of Flight, Alex Ramien,
Trial-Show
„Desire of Flight“ gewannen 2014
den Goldenen Clown in Monte Carlo und waren 2015 für das
Saisonprogramm des Circus Knie vorgesehen – eigentlich. Eine
langwierige Verletzung zwang sie zur Pause. Nun sind Malvina
Abakarova und ihr Partner Sychev Valeriy mit ihrer
Strapatennummer wieder da. Und wie. Wie Malvina mehrfach von
ihrem Mann nur mit
den Füßen gefangen wird, ohne Netz und Longe, ist
hochriskant. Sinnlich ist dieses Luftballett obendrein. Bei dem
Duo handelt es sich um die Eltern der Strapatenkünstlerin im
ersten Programmteil. Nervenkitzel mit Humor kombiniert das Team von Alex Ramien.
Schließlich geht es hier nicht nur zu fünft in die
Motorradkugel. Nein, der charismatische und sympathische
Truppenchef kommentiert das Geschehen auch mit pointiert
gesetzten Gags. Zuvor tritt er zwei Mal als eine Art Moderator
in Szene, begrüßt das Publikum und kündigt die Pause an – für
eine Flic Flac-Show doch überraschend, aber willkommen! Dann
nochmal Motorräder: Fred Crossett und Chris Bruand zeigen
weitere Facetten des Trial-Genres, fahren auf ihren Maschinen
die Gradintreppe hinauf und hinunter und überqueren ein
Polizei-Auto. Letzteres sogar in Kombination mit einem Salto
samt Motorrad!
Cirque Moto X,
Finale.
Rich Metiku
Auf dem Beifahrersitz des
Polizeiwagens wartet schon eine dunkelhäutige Schönheit auf
ihren Auftritt: „Spiderwoman“ Rich Metiku zeigt bei ihrer
bekannten, starken Kontorsionistik ihre enorme Beweglichkeit.
Dann das Highlight zum Abschluss der Show, die fünf Motocross
Freestyle Jumper von „Cirque Moto X“. Nur mit den Füßen am Lenker,
der Hand am Sattel oder für einen kurzen Moment ganz
„berührungsfrei“ fliegen Maschinen und Fahrer durch die Luft.
Das ist nur der Beginn. Höchstschwierigkeiten wie Backflip (Rückwärtssalto) und „Whip“,
bei der die Maschine in der Luft zur Seite gedreht wird, gibt es
im Anschluss gleich mehrfach zu sehen. So spektakulär ausgeführt
wie hier haben wir dieses Genre noch nicht gesehen. |