Auch
wenn es sich, sicherlich auch dem geringen Platzangebot geschuldet, um
ein reines Artistikprogramm handelt, setzen die Gassers klar auf
klassische Circusatmosphäre. Im Chapiteau sorgen nostalgische
Dekoration, ein kompaktes Gradin und vorzügliche Livemusik für einen
stimmungsvollen Rahmen.
Rafael de Carlos, Anastasini Brothers, David Burlet
Der
Auftakt des Programms ist rockig und temporeich. Der „singing
Ringmaster“ Evan Andrews begrüßt mit den Conelli-Dancers und zu
E-Gitarrenklängen von Jeremy Gasser das Publikum, um direkt in die
Musik- und Quick-Change-Nummer von Martyn Chabry überzuleiten. Auch die
Lokalmatadore Gaston und Roli versuchen sich als Clowns an der
Verwandlungskunst mit überraschendem Ausgang. Die beiden übernehmen in
diesem Jahr den komischen Part des Programms zusammen mit Fritzi, mit
bürgerlichem Namen Frithjof Gasser und Neffe des Circusgründers Conny
Gasser. In ihrem an „Dick und Doof“ erinnernden Stil sind sie die
unangefochtenen Publikumslieblinge des Abends. Weiter geht es
temperamentvoll mit Rafael de Carlos und seiner Fußballjonglage. Der
gebürtige Kubaner ist eine wahre Frohnatur und pflegt bei seiner Nummer
enge Interaktion mit dem begeisterten Publikum. Es folgen nach einem
Ballett-Intermezzo die u.a. vom Circus Krone bekannten Anastasini
Brothers. Ihre erstklassigen ikarischen Spiele profitieren von der
größeren Nähe zum Publikum im kleinen Conelli-Zelt. Der doppelte Salto
ruft tosenden Applaus beim Zürcher Publikum hervor. Zum Mitfiebern ist
auch die komische Tellerjonglage von David Burlet. Der Franzose hat
alle Hände voll zu tun in der Manege und zieht die Zuschauer mit seinen
charmanten Slapstick-Einlagen auf seine Seite.
Komisch
bleibt es im Programm, wenn Gaston, Roli und Fritzi im
Clownentree ihre pointenreiche Hommage an Wilhelm Tell zum
Besten geben. Ein ur-schweizer Motiv wird gekonnt parodiert
von drei Schweizer Originalen – das Publikum amüsiert sich
köstlich.
Gaston und Roli, Anna Volodko, Anastasia Makeeva
Auf
ein komisch, tollpatschiges Clown-Entrée folgt dann vollendet elegante
Luftakrobatik. Die aus Auftritten im Krone-Bau und im Dresdner
Weihnachtscircus bekannte Russin Anna Volodko zeigt ihre Luftseilnummer
zur wunderbar passenden Musik von Adèle. Dabei gehen Choreographie und
anspruchsvolle Tricks Hand in Hand. Gleiches lässt sich auch von
Anastasia Makeevas Arbeit am „Tuchtrapez“ sagen, wie das Requisit
ihres Tangos unter der Circuskuppel im Programmheft genannt wird. Waghalsig und zur gleichen Zeit höchst ästhetisch ist ihre
selbst kreierte Nummer. Beim bekannten Schlusstrick, wenn sie beim
doppelten Fußhang den zweiten Fuß löst, stockt dem Publikum der Atem.
Roby Gasser hat in diesem Jahr sicherlich zwei der besten
Sololuftnummern dieser Zeit nach Zürich geholt.
Galina und Sonny Hayes, Charls Borra
Zum
Abschluss des ersten Programmteils geht es stilvoll komisch zu. Dafür
sorgt zunächst das Magierduo Galina und Sonny. Sie führen dem Publikum
mit viel Selbstironie vor, mit welchen Unzulänglichkeiten so ein großer
Magier mit seiner selbstbewussten Partnerin zu kämpfen hat. In Wahrheit
ist übrigens nicht Sonny, sondern Galina die gelernte Magierin. Ein
Meister im Fach der Magie ist Charly Borra, der als Taschendieb
Weltruhm erlangt hat. Bereits Jahrzehnte im Geschäft, führt er sein
Handwerk noch immer in Perfektion aus. Und so ist das Publikum heute wie
damals verblüfft, wenn es auf einmal die eigene Uhr ist, die dieser
Grand Seigneur der Circuswelt in der Hand hält.
Sheyang Acrobatic Troupe
Nach
einer sehr starken ersten Hälfte fällt der zweite Programmteil eher
kurz aus. Er beginnt mit der zum live gesungenen „You can leave your
hat on“ im burlesken Stil dargebotenen Schlappseil-Arbeit von Tatiana
Kundyk. Im weiteren Verlauf stehen asiatische Truppen im Mittelpunkt.
Die Artisten der Sheyang Acrobatic Troupe aus China zeigen eine
eindrucksvolle Choreographie aus Sprüngen von Kopfstand zu Kopfstand.
Diese „Head Jumping“ genannte Disziplin scheint ein neuer Trend bei den
asiatischen Spitzenensembles zu sein. Beim beeindruckten Betrachter
bleibt ein leicht mulmiges Gefühl zurück: Kann das noch gesund sein?
Akrobatische Höchstleistungen zeigt auch die Truppe des National
Pyongyang Circus. Ihr Requisit ist der russische Barren, den sie gleich
in doppelter Ausführung für waghalsige Sprünge verwenden. Sicher
gestanden werden diese allerdings nicht immer. Beide Truppen des
zweiten Programmteils loten mit Sicherheit die Grenzen des Machbaren
aus. Im Kontrast zum restlichen Programm, das auf charismatische
Einzelkünstler und viel Interaktion mit dem Publikum setzt, wirken sie
jedoch wie ein leichter Stilbruch.
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