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Heilbronner Weihnachtscircus 2016/17
www.weihnachtscircus.com ; 149 Showfotos

Heilbronn, 21. Dezember 2016: Ganz viel Sympathie statt ganz große Sensationen: Auf diese einfache Formel lässt sich das 18. Programm des Heilbronner Weihnachtscircus bringen. Im Jahr eins nach der Schleuderbrett-Truppe Sokolov und Raubtier-Star Stefano Nones-Orfei setzen die beiden Produzenten Sascha Melnjak und Uwe Gehrmann auf ein etwas kleineres, aber jederzeit unterhaltsames Programm. Es enthält zahlreiche klassisch-schöne Circusbilder: fliegende Menschen am Trapez, einen Zwölferzug Freiheitspferde, Elefanten und einen traditionellen Clown mit Spaghetti-Entree & Co.

Die bekannten Zeltanlagen wurden nun außen mit Lichterketten versehen; den Frontzaun schmücken zahlreiche beleuchtete Tannenbäume. Dank dieses kleinen „Facelifts“ wirkt das Gesamtensemble auf der Heilbronner Theresienwiese am Premierenabend noch etwas festlicher und einladender als bisher. Die neue Kasse ist ebenerdig und somit barrierefrei erreichbar.

 
Zuma Zuma, Manuel Frank, Fabian Egli 

Das Orchester spielt im voll besetzten Zelt eine schwungvolle, neue Ouvertüre. Als sich der Vorhang zum ersten Mal öffnet, tritt heuer nicht Moderator Fabian Egli in die Manege, sondern Clown Henry Ayala. Doch Egli folgt sogleich und singt passenderweise den Song „Back in Town“. Der Circus der Heilbronner und der gesamten Region ist zurück. Zurück ist auch die Truppe Zuma Zuma. Wie bei ihrem ersten Heilbronn-Engagement vor acht Jahren sorgt das Sextett aus Afrika mit seiner bunten Mischung aus Fahnen- und Reifenspringen, Pyramidenbauen und Limbo-Tanz für einen rasanten Einstieg und sofort beste Stimmung. Darauf folgt gleich einer der Höhepunkte der Show, der schwarz-weiße Zwölferzug Friesen und Araber aus dem Marstall des Circus Carl Busch. Zum Einstieg lässt Tierlehrer Manuel Frank drei Araber flechten, nur mit sparsamen Gesten angeleitet. Es folgt ein Gegenlauf aller sechs Araber, bei dem beide Gruppen gleichzeitig die Richtung wechseln. Die Friesen kommen hinzu, und alle zwölf Tiere walzen nun u.a. in Dreiergruppen. Mit einem Potpourri feuriger Steiger endet die Darbietung. Die exzellente Qualität dieser Dressurnummer wird vom sehr aufmerksamen Publikum auch erkannt und entsprechend stürmisch beklatscht.

 
Henry Ayala mit Zuschauer, Mustache Brothers, Amy Rose und Henry Ayala 

Breiten Raum in dem Programm nehmen die Auftritte von Clown Henry Ayala aus Venezuela ein. Der Südamerikaner ist für uns eine echte Neuentdeckung. Mit seiner Stachelfrisur, der aufwendigen Schminke, roter Nase und schönen Kostümen bietet er das Bild eines traditionellen, aber doch stilvoll-modernen Clowns. Dank vielseitiger Mimik und freundlich-frechem Wesen gewinnt er schnell alle Sympathien. Ayala geht erfolgreich auf die Jagd nach einer Riesen-Fliege, spielt mit einem Kind aus dem Publikum Hut werfen und dirigiert ein Orchester aus Circusbesuchern. Im zweiten Programmteil wird ein Logengast mit einem Bauarbeiter-Outfit ausgestattet und darf dies strippend wieder ablegen. Der junge Premierenbesucher macht den Spaß engagiert mit. Schließlich präsentiert der „Prinz der Clowns“ gemeinsam mit seiner Schwester Amy Rose Ayala ein hinreißend gespieltes Spaghetti-Entree. Dass zum Abschluss auch Nudeln in die Logen und auf die Tribüne geworfen werden, ist sicher nicht jedermanns Sache und könnte gerne wegbleiben. Für noch mehr Lacher sorgen im zweiten Programmteil die Kaskadeure „Mustache Brothers“ mit viel Witz und Ausstrahlung sowie natürlich artistischem Können.


Messoudis, Wulbers

Die Messoudis gehören sicher zu den besten Belegen dafür, wie dieses Programm durch Sympathieträger Punkte macht. Im ersten Auftritt jongliert Said Messoudi mit seinen beiden jüngeren Söhnen Karim und Soffien. Wenn diese ihrem Vater Zigarette, Hut und Brille mittels fliegender Keulen vom Kopf schlagen, ist dies immer wieder amüsant. Ähnlich sympathisch sind auch die Wulbers. Am Flugtrapez, wie erwartet vor der Pause platziert, zeigen sie nicht nur das übliche Repertoire mit Doppelsalto gestreckt, Dreifachem und Passage. Zu den Besonderheiten gehört der Doppelsalto rückwärts mit Schraube, gesprungen von Patricio Alexis Henríquez Rojas. Im zweiten Programmteil sind die Wulbers nochmal im Blues-Brothers-Stil auf dem Trampolin zu erleben. Die Damen sorgen in Petticoats für Stimmung, die Herren springen. Hier ergänzt Dinko Petrov die Truppe und übernimmt auch die artistische Hauptarbeit wie u.a. beim „Dreifachen“.


Gina Giovannis, Amedeo Folco 

Ebenso ein Circus-Klassiker wie das Flugtrapez ist die Elefantendressur. Der junge Tierlehrer Amedeo Folco präsentiert zwei Inderinnen im Glitzerkleid aus Flitter. Auf Drehungen und Hochsitzer auf den Postamenten folgt eine flotte Laufarbeit. Direkt nach der Pause stellt Folco dann in recht kompakten Auftritten mit klassischer Laufarbeit erst vier Kamele und dann jeweils zwei Pferde und Dromedare vor. Komplettiert wird das Tier-Programm durch die Hunde von Gina Giovannis. Viele Jahre konnten wir diese vielseitige Künstlerin auf dem Drahtseil und in immer neuen Varianten ihrer Handstand-Nummer erleben. Nun hat sie sich mit sechs großen und kleinen, weißen und schwarzen Hunden etwas ganz Neues aufgebaut. Seit wir die Nummer zu Saisonbeginn 2016 erstmals im Schweizer Zirkus Stey gesehen haben, hat sie sich noch deutlich gesteigert. Trickstärke und Präsentation bilden ein optimales Ganzes.


Trio Ayala, Messoudi Brothers, Trio Stoian

Das Trio Stoian, zwei Brüder als Fänger und Corina Icleanu als Fliegerin, zeigt eine der besten Darbietungen unserer Zeit am Russischen Barren. Hier ist außer dem Trio niemand in der Manege, der Hilfestellung leisten könnte. Corina muss nach allen Tricks ganz alleine landen. Drei in dichter Abfolge gesprungene Doppelsalti und natürlich ein „Dreifacher“ sind Kernbestandteile des Repertoires. Wie schon bei der Pferdefreiheit erkennt das Publikum auch hier die herausragende Spitzenleistung und honoriert diese mit tosendem Applaus. In besonderer Weise gefordert ist in diesem Programm Henry Ayala. Außer in seinen Auftritten als Clown ist er auch auf dem Hochseil zu erleben. In Windeseile muss er sich in der Garderobe vom Clown zum Artisten und wieder zurück verwandeln. Dank der aufwendigen Maske und Frisur ist das schon ein Kunststück für sich. Auf dem Hochseil zeigt er mit seinen beiden Partnern ein anspruchsvolles Repertoire. Klassiker sind der Sprung über den Partner mit Scheinsturz, der Stand auf dem Stuhl oder das Zwei-Mann-Hoch. Ungewöhnlich ist die Art und Weise der Fahrradfahrt übers Seil: Hier hängt unter dem Rad ein weiterer Partner an einem Gestell, an dem er Überschläge machen kann. Besonderen Nervenkitzel erzeugen die Ayalas dadurch, dass sie in großer Höhe arbeiten und dennoch auf jegliche Sicherung wie Luftkissen oder Longen verzichten. Für die Schlussnummer sorgen die Messoudis, nunmehr auch mit dem ältesten Bruder Yassin. Ihre Kraftakrobatik und natürlich ihre Traumkörper sorgen zum Abschluss des Programms nochmal für große Begeisterung. Das Finale wird wieder gewohnt stimmungsvoll mit Livegesang von Fabian Egli zelebriert. Teile des Publikums applaudieren im Stehen.

Insgesamt bietet der 18. Heilbronner Weihnachtscircus ein sehr schönes, stimmiges, ausgewogenes Programm, das rundum Spaß macht. Dazu tragen natürlich auch Licht und Ton in gewohnt hervorragender Qualität sowie die durchgängige Begleitung durchs wunderbar spielende Orchester bei. Keine einzige Nummer arbeitet zu Musik vom Band. Dennoch hätten wir uns – in der Tradition der Vorjahre – für eine der ganz großen Weihnachtsproduktionen in Deutschland auch noch eine ganz große Sensation oder manegenfüllende Truppe gewünscht.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber