CHPITEAU.DE

Karlsruhe, 26. Dezember 2016: Bisher war das große Opening im "Las-Vegas-Stil", mit Eisenbahn und dem gesamten Ensemble, ein Markenzeichen des Karlsruher Weihnachtscircus. In dieser Saison ist alles anders. Nun sorgt Sandmaler Khalil Valeev für einen Beginn der leisen Töne. Er lässt Karlsruher Sehenswürdigkeiten wie Schloss und Pyramide aus Sand entstehen. Was er auf einer beleuchteten Scheibe kreiert, wird auf einer Leinwand über dem Artisteneingang gezeigt. Bald wechseln die Bilder zu Circusmotiven. Dazu wird er von Engeln umtanzt.

Und Sängerin Charlin Sperlich interpretiert dazu den ruhigen Weihnachtssong „So this is Christmas“. Wer nun glaubt, der große Knalleffekt zur Eröffnung der Show kommt noch, der wartet vergeblich. Vielmehr bleibt es auch im Anschluss relativ ruhig, wenn Franziska Micheletty-Folco ihr Solopferd zwischen Säulen Slalom laufen lässt und anschließend ein Groß und Klein dirigiert.


Franziska Micheletty-Folco,
Khalil Valeev, Charlin Folco 

Erst danach begrüßen Juniorchefin Monika Sperlich und Giovanni Biasini auf den beiden großen Showtreppen links und rechts des Artisteneingangs das Publikum im restlos ausverkauften Chapiteau. Neben der Eröffnungsnummer komplettiert Micheletty-Folco das Tierprogramm später mit zwei weiteren Darbietungen. Zunächst leitet sie, vom Boden aus, einen Friesenhengst zu Schulschritten an und präsentiert vier Friesen in Freiheitsdressur. Hinzu kommt ein steigender Araber als Da Capo. Mit ihrer Haustierrevue mit sechs Ziegen und zwei Hunden eröffnet die sehr charmante Vorführerin später den zweiten Programmteil. Nach all den großen und großartigen Tierdressuren, die man beim Karlsruher Weihnachtscircus in den vergangenen Jahren erleben durfte, bleibt dieser Part diesmal leider hinter den Erwartungen zurück.


He Yuan, Ren Yanan, Zhao Ling

Im artistischen Bereich setzen die Produzenten Joachim und Rosemarie Sperlich auf eine Mischung aus bestens bekannten und neuen Gesichtern. In mehreren Manegen erleben durfte man in den vergangenen Jahren Ren Yanan mit seinen sensationellen Schlappseil-Balancen. Er hat im Laufe der Zeit viel an Ausstrahlung gewonnen und wird auch in Karlsruhe heftig beklatscht. Wo er engagiert ist, treten immer auch He Yuan mit ihrer Schalenpagode auf Einrad und Kugel sowie eine Kontorsionistin im Kerzenschein auf. Hier ist es Zhao Ling, die auf Händen und Füßen Leuchter mit brennenden Kerzen balanciert. Neu für uns waren dagegen die Flying Myga am Flugtrapez. Das Quartett präsentiert sich zwar äußerst engagiert im Verkauf, zeigt aber sicher nicht die elegantesten Flüge des Genres. Dennoch werden alle wesentlichen Tricks dieser Disziplin beherrscht: Doppelsalto gestreckt, „Dreifacher“, Passage und der Todessturz aus der Zeltkuppel ins Netz.


Wolf Brothers, José-Michel-Trio 

Nachdem diesmal auf einen Reprisenclown verzichtet wird, setzen die Wolf Brothers komische Akzente. Zunächst erleben wir den beschwerlichen Weg ans Trapez, der mit allerlei Pannen verbunden ist. Auch als Kaskadeure verbinden sie Komik mit akrobatischem Können. Und das José-Michel-Trio sorgt später mit seinem Wasser-Entree nochmal für das ganz große Lachen. Mit ihrem Auftritt geht dieses Programm endlich so in die Offensive, wie man das vom Karlsruher Weihnachtscircus kennt und es sich wünscht.


Truppe Filinov, Hermanos Rodriguez 

Denn nun folgen mit den Hermanos Rodriguez zwei feurige Ikarier, die von fetzigem Live-Gesang im Latin-Stil begleitet werden. Und als Schlussnummer die spektakulären Flüge der Truppe Filinov von der Doppelten Russischen Schaukel. Die sieben Herren und eine Dame arbeiten in herrlich folkloristischer Aufmachung im russischen Stil. Zum Repertoire gehören u.a. die Passage von Schaukel zu Schaukel und der dreifache Salto, der jedoch auf einer Matte gelandet wird. Monika Sperlich und Giovanni Biasini sind in diesem Programm in bewährter Weise für die Moderation verantwortlich, das große Orchester für einen modernen Showband-Sound. Nicht optimal eingesetzt ist diesmal das Ballett aus dem Hause „Shad Performance Showart“, das mit ungarischen Tänzen die zum Thema „Schottland“ gestaltete Kaskadeur-Nummer einleitet und später vor die russische Folklore der Filinovs lateinamerikanische Rhythmen setzt – das passt leider nicht zusammen.

Im Finale mit dem gesamten Ensemble zieht die Familie Sperlich dann noch einmal alle Register. Sandmaler Khalil Valeev wünscht mit seinen flüchtigen Kunstwerken ein frohes neues Jahr, die Showtreppen erstrahlen im Lichterglanz, das Ballett tanzt in farbenprächtigen Kostümen, und Charlin Sperlich singt dazu. Auf ein Wiedersehen im 9. Karlsruher Weihnachtscircus!

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber; in der Galerie auch Alexander Leumann