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Cirque Pinder - Paris 2016
www.cirquepinder.com ; 80 Showfotos

Paris, 3. Dezember 2016: Zwölf weiße Löwen formieren sich zur Pyramide und zu Hochsitzern. Kurz darauf steigen sie am Käfig hoch. Zehn von ihnen liegen zum Teppich ab und bilden unter der Anleitung ihres Trainers Frédéric Edelstein einen Fächer. Von fünf seiner Tiere lässt er sich bedecken, während er am Boden liegt. Hinzu kommen Tricks in kleiner Formation: Der Vorwärtssteiger eines Löwen, der Ritt auf einem Tier, das Überspringen des kauernden Dompteurs. Es ist ein starker Auftritt im Zentralkäfig. Damit beginnt die Vorstellung des Cirque Pinder genauso plötzlich wie diese Programmbesprechung.

So wie wir hier auf eine Einleitung verzichten, gibt es beim Cirque Pinder keine Ouvertüre und kein Opening. Es geht sofort los. Starke Nummern, kein Schnickschnack, das ist das Gestaltungsprinzip dieses Unternehmens. Freilich, ein wenig tut man dem Circus damit unrecht. Schließlich bietet der gewaltige Sechsmaster mit dem aufwendig gestalteten Eingangs- und Vorzeltbereich durchaus ein festliches, geradezu pompöses Ambiente. Und der Programmablauf mit den verschiedenen Umbauten ist in den vergangenen Jahren erfreulicherweise erheblich straffer geworden. Auch am Ton und dem starken, aber keineswegs verspielten Licht gibt es nichts zu beanstanden.


Duo Monastyrski, Cai Yong, Valeriy Olshanskyy

Den Käfigabbau überbrückt wiederum Valeriy Olshanskyy mit kraftvoller Akrobatik an den Tüchern. Er gehört hier nach vier Saisons fast schon zur Stammbesetzung. Bekannte Gesichter aus vielen verschiedenen Manegen sind dagegen die Monastyrskis mit ihren elegant-schwungvollen Kostümillusionen in schwarz, weiß und rot. Nachdem Tatiana Monastyrski unterm Flitterregen das Kleid gewechselt hat, bleiben viele der glänzenden Schnipsel für den Rest des ersten Programmteils einfach liegen. Andernorts würde man zum Besen greifen. Das ist so eines dieser kleinen Details, für die bei Pinder notorisch der Blick fehlt. Riesen-Applaus direkt im Anschluss für Cai Yong: Der Chinese startet mit anspruchsvoller Equilibristik, beispielsweise wenn er ohne abzusetzen vom Handstand in eine Waage und wieder zurück wechselt. Mit einem schnellen, ausdauernden Kreisel im Kopfstand geht die Darbietung zu Ende.


Juan, Flying Sergio, Sandro Montez

So richtig Spaß macht die rasante und trickstarke Hundenummer, die sich Sandro Montez erarbeitet hat. In seinem Jeans-Outfit mit Hemd und Weste kommt der Tierlehrer jung und sympathisch rüber. Dabei gibt es einige ungewöhnliche, originelle Tricks zu sehen. Beispielsweise wenn eines der Tiere hochsitzt und einen Reifen mit den Zähnen hält, der dann von einem zweiten Hund durchsprungen wird. Mit seiner Reprise zum bekannten Thema „Pas de Musique ici“ findet Pedro Rivelino großen Anklang. Er überbrückt damit den Netzaufbau für die Flying Sergio. Die große Luftnummer vor der Pause ist bei Pinder ein Fixpunkt jeder Produktion. Unter dem riesigen Chapiteau wird stets in großer Höhe gearbeitet. Dabei zeigen die fünf Brasilianer praktisch alles, was typischerweise zu dem Genre gehört – Dreifacher, Passage und Todessturz aus der Kuppel inklusive. In Sachen „vierfacher Salto“ bleibt es an diesem Abend bei einem, deutlich verfehlten, Versuch. Der zweite Programmteil wird von Juan am Chinesischen Mast eröffnet. Übers ganze Gesicht strahlend zeigt der muskelbepackte Artist viel Kraft und Können. Er gehört wie Tuch-Artist Valeriy eigentlich seit Jahren zu den Tänzern und Assistenten in der Magic-Show von Pinder-Juniorchefin Sophie Edelstein. Diese Nummer pausiert leider in dieser Wintersaison, während Edelstein im Ausland weilt.


Sandro Montez

Im Anschluss demonstriert Sandro Montez seine ganze Klasse als Tierlehrer. Neun Kamele, drei Pferde und sechs Esel bilden unter seiner Anleitung einen großen 18er Zug. Das neunfache Walzen läuft genauso tadellos wie ein par six in drei Gruppen oder das Karussell auf drei Bahnen. Später liegen die Kamele im Hintergrund ab, während im vorderen Bereich der Manege walzende Zebras, flechtende und steigende Pferde sowie ein über vier Esel springendes Lama zu sehen sind. Eine solche Arbeit hat inzwischen leider Seltenheitswert. Bravo!


Georgio Hromadko, Mambo Nr. 5. Rivelinos 

Wenn man die Arbeit von Georgio Hromadko beschreibt, kommt man ohne die Beschreibung als „Wirbelwind“ kaum aus. Zwei Diabolos lässt der temperamentvolle Tscheche fast bis unters Zeltdach fliegen. Später arbeitet er mit drei und ganz kurz sogar vier der Doppelkegel. Ebenso ein fester Programmpunkt bei Pinder wie Raubtiere, Exoten und Flugtrapez ist das Clown-Entree in klassischer Besetzung mit zwei Augusten und strengem Weißclown. Heuer wurden mit den Rivelinos nach einigen Jahren wieder einmal andere Vertreter dieses Faches gefunden. Im ersten Teil der Nummer wird auf zum Teil recht außergewöhnlichen Instrumenten musiziert, im zweiten bricht Chaos in der Küche aus. Die Schaumschlacht  gehört dazu. Erfreulicherweise werden die groben Späße kompakt gespielt. Mit „Mambo Nr. 5“ auf dem Russischen Barren wurde eine attraktive Schlussnummer gefunden. Die fünf Kubaner, darunter eine Frau, zeigen voller Lebensfreude anspruchsvolle Tricks wie Pirouetten, Doppelsalto rückwärts und den „Dreifachen“. Die Moderation des Spektakels wurde übrigens schon wieder in neue Hände gelegt: Nun gibt Josef Mlekuz den Mr. Loyal. Kurz und knapp ist das Finale, und so finden auch wir einen kurzen Abschluss ohne viel „Drumherum“: ein starkes, traditionelles Nummernprogramm in großem Rahmen – das ist Pinder in Paris.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber