CHPITEAU.DE

Circustraum Conelli 2017
www.circusconelli.ch ; 165 Showfotos

Zürich, 19. November 2017: Die Geburtstagstorte hat Maxim Popazov dabei. Mit ihr in der Hand klettert er den immer höher werdenden Turm aus Stühlen hinauf. Bis er unter der Kuppel des Chapiteaus angekommen ist. Es ergibt sich ein großartiges Bild, wenn der Artist auf den gestapelten Stühlen thront. Eines von unzähligen Gesamtkunstwerken, mit denen uns der Circus Conelli auch in dieser Spielzeit verwöhnt. Es ist die 35. Und damit wird Jubiläum gefeiert. Conelli-Style versteht sich. Unter dem Titel „Celebrate“ vereint die Show Weltklasse-Artistik, herzerfrischende Clownerie und Entertainment par excellence.

Alles scheint noch ein wenig glanzvoller als in den Jahren zuvor, das Programm noch ein Stück stärker. Die Inszenierung ist aus einem Guss, wie ein wunderbarer Traum, der einen vollends gefangen nimmt.


Finale von "Celebrate"

Herrlich sind die Auftritte der Conelli Dancers. Die sechs bildhübschen Tänzerinnen erleben wir immer wieder. Beim Opening, zwischen den Nummern und beim Finale. Ihre Auftritte zeigen, dass hier echte Profis am Werk sind. Verantwortlich für die Choreographien ist Cindy Gasser-Lee. Die Kostüme sind wie immer traumhaft. Oftmals wird das Ballett von Evan Andrews begleitet. Der US-amerikanische Sänger ist zum vierten Mal als Singing Ringmaster dabei. Er hat eine wunderbare Stimme und eine angenehme Präsenz. „Ballerina Girl“ und „I'm only human“ sind zwei der Stücke, die er in der Show intoniert. Typisch für das eingängige, wohlbekannte Repertoire. Jeremy Gasser wird mit seiner E-Gitarre Teil von zwei der großen Bilder. Herzstück des musikalischen Genusses ist aber die Big Band von Alex Maliszewski. Welch ein Vergnügen, so ein großes Ensemble erleben zu dürfen. Die Musikerinnen und Musiker sorgen für ein einzigartiges Klangvergnügen unter dem kompakten Chapiteau. Auf gleichem Niveau bewegt sich das Lichtdesign – einfach fantastisch. Die verschwenderisch ausgestattete Lichtanlage wird genial eingesetzt. Oftmals werden mit Nebelschwaden in der Manege zusätzliche Effekte erzeugt. Der Clou ist ein großer Zylinder, der aus der Kuppel herabgelassen wird. Auf ihn werden grafische Elemente projiziert.


Fritzi, Roli und Gaston

Der Rahmen genügt also höchsten Ansprüchen, das Programm erfüllt sie ebenfalls auf das allerbeste. Schon länger bei Conelli engagiert sind Gaston und Roli. Seit letzter Saison werden die Clowns wieder von Fritzi (Gasser) unterstützt. Jetzt bilden sie quasi ein klassisches Clownstrio in individueller Aufmachung. Roli gibt den (vermeintlich) klugen Part, Gaston und Fritzi sind die Auguste. Wortwitz, eine unglaubliche Mimik, perfektes Timing und hinreißende Sketche garantieren herzhaftes Lachen. Für mich sind ihre Auftritte in der aktuellen Produktion noch ein gutes Stück lustiger als bislang. Das geht schon vor dem Opening los. Roli und Fritzi steuern mit einer Fernbedienung den geschmückten Weihnachtsbaum. Der lässt sich in alle möglichen Richtungen bewegen. Gaston hängt derweil in der Tanne und legt einen beherzten Rodeo-Ritt hin. Von ihren zahlreichen weiteren Auftritten sei hier noch die Filmszene herausgegriffen. Unter der Regie von Roli sollen Gaston und Fritzi in einem Al Capone-Film mimen. Das hat natürlich seine Tücken und bringt den Regisseur an den Rande eines Nervenzusammenbruchs. Grandios sind Gastons Abstürze ins Kellergeschoss der Bar, welche den Filmset bildet.


Maxim Popazov, Dmitry Chernov, Maria Sarach-Popazova

Gleich als erste Darbietung darf Maxim Popazov die Geburtstagstorte überbringen. Seine einzigartigen Stuhlbalancen zeigt der Russe aktuell hauptsächlich in Las Vergas. Die Requisiten wirken wie Antiquitäten, was der Nummer eine besondere Optik gibt. Zunächst arbeitet er auf zwei Stühlen variantenreich Handstände. Dann geht es immer höher hinaus. Mit einem Turm aus vier Stühlen vollführt er eine Drehung um 360 Grad. Noch mehr Etagen hat das Endprodukt seiner Stapelei, auf dem er einen Handstand vollführt. Dämonisch kommt Dmitry Chernov daher. „Shaman“ lautet der Titel seiner Jonglagen mit großen weißen Bällen. In seiner ausdrucks- und leistungsstarken Choreographie treibt er das Spiel mit den Bällen zur Perfektion. Sieben davon hält er am Ende gleichzeitig in der Luft. Eingeleitet von den Conelli Dancers zelebriert Maria Sarach-Popazova ihre Equilibristiknummer an einem gewundenen Requisit. Zunächst verwöhnt uns die hübsche junge Dame mit anspruchsvollen Handstandvariationen. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn sie ihren Körper nur mit den Zähnen im Gleichgewicht hält und ihn dabei weit nach hinten verbiegt.


Duo Turkeiev, Iryna Pitsur, Enkhee Boys & Girls

Das Duo Turkeiev kennen wir von seinen Auftritten bei Flic Flac. Inzwischen tritt Dmytro Turkeiev gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Iuliia Galenchyk auf. An den Strapaten zeigen sie eine wunderschöne Kür. Einen Traum in der Luft und am Boden, der mit starken Tricks gespickt ist. Die mit Bühnennebel gefüllte Manege lässt sie scheinbar in den Wolken landen. Iryna Pitsur haben wir vor vielen Jahren bei Roncalli gesehen. Nach wie vor jongliert sie in ihrem von Rosen durchbohrten Kostüm mit großen Reifen. Diese Jonglagen verbindet sie mit Kontorsion. Auch dieser Auftritt ist ein Genuss aus einem Guss. Kurzfristig ins Programm genommen wurde Norbert Ferré. Der französische Magier mischt Kartentricks mit komischen Conferencen. Wirklich begeistern kann er nur bei der originellen Illusion, die den Rahmen seines Auftritts bildet. Mit einer Truppe geht es in die Pause. Die Enkhee Boys & Girls präsentieren Schleuderbrett-Akrobatik in der Folklore ihrer mongolischen Heimat. Bei den meterhohen Flügen hat man manchmal fast Bedenken, dass das Chapiteau zu niedrig ist. Die Sprünge werden auf Menschentürmen, einer Matte und am Ende sogar auf einem Sessel gelandet. Letzterer ruht auf einem Turm mit zwei Artisten und zwei Perchestangen. Dank der Longe gelingt auch dieses Kunststück.


Alain Alegria, Mongolian Unicycle Troupe, Duo A&A

Vier artistische Nummern gibt es im zweiten Teil. Die Conelli Dancers geleiten Alain Alegria an das Washington-Trapez. Der mexikanische Hasardeur spielt mit den Nerven der Zuschauer. Er balanciert zunächst auf dem ruhenden, danach auf dem schwingenden Trapez. Es braucht einen außergewöhnlichen Gleichgewichtssinn, um auf der Trapezstange kniend ein kleines Tuch mit dem Mund aufzunehmen. Alegria meistert diese Herausforderung spielend. Die Metallschüsseln fliegen bei der Mongolian Unicycle Troupe. Dabei ist das mongolische Quintett auf hohen Einrädern unterwegs. In traditionellen Kostümen werfen sich die Artistinnen mit den Füßen gegenseitig kleine Schalen zu. Gefangen werden diese mit dem Kopf. Sind die Mongolinnen immer in Bewegung, geht es beim Duo A&A ruhig zu. Kraftvoll und im Zeitlupentempo balanciert Anton Makukhin seinen Partner Adam Vasquez auf Händen, Füßen und dem Nacken. Vasquez macht bei verschiedenen Handständen eine glänzende Figur. Das tun die beiden muskulösen Artisten ohnehin. Insbesondere die Zuschauerinnen dürften ihre wahre Freude dabei haben. Eine wunderschöne Idee ist es, Sandmalerin Kelly Huesca an das Ende der Spielfolge zu stellen. Sie zaubert weihnachtliche Motive, die auf den aus der Kuppel herabhängenden Stoffzylinder projiziert werden. Mit ihren flüchtigen Kunstwerken stimmt sie sehr besinnlich auf die bevorstehenden Advents- und Weihnachtstage ein. Die Atmosphäre wird am Beginn des Finales aufgenommen. Alle Mitwirkenden haben Wunderkerzen in der Hand. Es wird ein langer, stimmungsvoller Abschied, ein wahrer Rausch. Erst wenn Evan Andrews, Roli und Gaston gemeinsam die Manege verlassen, ist wirklich Schluss.

Mit „Celebrate“ haben Roby Gasser und sein Team wieder eine neue, fulminante Show im bekannten Conelli-Stil geschaffen. Es ist eine heile, wunderbare Traumwelt geworden. Sie bildet den Kontrapunkt zur Lage der realen Welt, die in der letzten Zeit besonders angespannt ist. Umso schöner ist es, ihr zu entfliehen, Wärme zu spüren und Kraft zu tanken. Die Conelli-Shows sind Balsam für die Seele. Und das nun schon im 35. Jahr.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch