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Cirque d'Hiver Bouglione 2017

www.cirquedhiver.com
; 125 Showfotos

Paris, 9. Dezember 2017: Während die Besucher der ersten Show des Tages Richtung Ausgang gehen, wird in der Manege schon wieder der Zentralkäfig für die nächste Aufführung aufgebaut. Die Szene wird sich an diesem Tag noch zweimal wiederholen. An den Wochenenden vor Weihnachten herrscht Hochbetrieb im Cirque d'Hiver. Vier Vorstellungen werden an diesem zweiten Adventssamstag im Prunkbau der Familie Bouglione gegeben. Wer die volle Pracht genießen möchte, gönnt sich die festliche Abendunterhaltung um 20:30 Uhr. Wer möglichst viele Circusbesuche in seinen Paris-Tag packen möchte, geht schon um 10:45 Uhr in den Palast an der Rue Amelot.

Wir haben uns in diesem Jahr für Letzteres entschieden. Dafür müssen wir auf Handstand-Star Encho Keryazov und die Hohe Schule von Regina Bouglione verzichten. Alle anderen Elemente dieser einzigartigen Produktionen der „Könige des Circus“ sind aber dabei. Die ausgesucht hübschen Salto Dancers tanzen auch am Morgen höchst elegant in ihren prächtigen Kostümen. Das Orchester auf dem edlen Artisteneingang spielt ganz fantastisch. Die Musiker um Pierre Nouveau sind an solchen Tagen wahrlich nicht zu beneiden. Dieser Einsatz erfordert Kondition. Das Lichtdesign ist wahrhaft feudal, ja verschwenderisch. Musik und Licht sorgen für einen wahren Rausch. Michel Palmer ist der elegante Monsieur Loyal, der den klassischen Sprechstallmeister gibt. Ganz der Tradition des Hauses verpflichtet. Oftmals wird er von Alberto Caroli begleitet.


Michel Palmer, Max Weldy, Zsofia Komenda

Nach der Begrüßung durch Ballett und Michel Palmer gehört der Raubtierkäfig Manuel Farina und seinen großen Katzen. Aus seiner insgesamt neunköpfigen Gruppe hat er drei Mähnenlöwen und einen Tiger mit nach Paris gebracht. Mit ihnen zeigt der italienische Dompteur eine schöne Trickfolge. Allerdings ist diese nicht mit Farinas kompletter Nummer zu vergleichen. Der Käfigabbau wird als Rekordleistung der Pistenboys verkauft. Auf einer Anzeige über dem Orchester misst eine Stoppuhr die Dauer. Michel Palmer moderiert den Wettkampf gegen die Zeit. Ein großes Trampolin im Stile eines Schwimmbeckens und ein Sprungturm sind die Requisiten, mit denen Max Weldy für Heiterkeit sorgt. Seine Eskapaden beginnt er im Straßenanzug und beendet sie im historischen Badeoutfit. Dazwischen gibt es mehr oder weniger elegante Sprünge auf dem Trampolin und rasante Touren am Sprungturm. Eleganz und Sinnlichkeit pur bietet hingegen die Kür von Zsofia Komenda. Die hübsche junge Dame arbeitet ihre Akrobatik am Mast in der Luft. Das lässt spannende Kunststücke zu, die teilweise aus der Artistik am Pole und teilweise aus der am Vertikalseil kommen. Eine reizvolle Symbiose also, die Komemda hinreißend präsentiert. Traumhafte Lichteffekte machen den Genuss komplett.


Familie Donnert, Robin Valencia, Günter Sacckmann

In neuer Besetzung erleben wir die Familie Donnert. Drei Damen und drei Herren bilden aktuell die Reitertruppe. Mit viel ungarischem Temperament riskieren die Brüder und ihre Partnerinnen gewagte Sprünge. Höhepunkt ist der Salto von Pferd zu Pferd. Eine sympathische Präsentation und wunderbare Kostüme runden diese Darbietung ab. Nur einen Augenblick dauert der eigentliche Auftritt von Robin Valencia. Mit einem lauten Knall wird die mutige Artistin von einer Kanone auf ein Luftkissen vor der Gardine geschossen. Diese „menschliche Kanonenkugel“ wird allerdings groß zelebriert. Minutiös wird alles vorbereitet, damit der Flug ein erfolgreicher wird. Das Experiment gelingt an diesem Morgen einwandfrei. Danach haben wir uns eine Pause verdient. Diese wird von einem kleinen „Zwischenfinale“ eingeleitet, an dem die Salto Dancers und einige der Artisten teilnehmen. Kurz darauf sitzen sie in der Restauration und erfüllen die Autogrammwünsche des Publikums. Zu Teil zwei begrüßt uns ein Circusdirektor aus dem Bilderbuch in Frack und Zylinder. Seine große Sensation fällt allerdings recht klein aus. Wir reden hier allerdings wirklich nur über die Körpergröße seiner Manegenpartner. Denn die Ratten von Günter Sacckmann sind große Künstler. Viele von ihnen stellt er uns namentlich vor. Die Nager balancieren, springen und rutschen mit großer Freude. Dank etwas Magie erleben wir zum Schluss Nutrias, die großen Verwandten der Ratten.


Duo Garibaldi Raluy, Pierre Marchand, Navas Brothers

Ein rein weibliches Ikarier-Duo ist eine Rarität. Möglicherweise sogar einzigartig. Die Schwestern Garibaldi Raluy konnten wir im vergangenen Winter im Cirque de Noel von Christiane Bouglione erleben. Damals mit zwei Nummern. Nun bringen Kimberley und Jilian ihre Jonglagen mit Meteoren als Einleitung zu den ikarischen Spielen. Variantenreich sind die Sprünge, die eine der Schwestern zeigt, während die andere den Schwung gibt und sie sicher wieder auffängt. Diabolos schickt Pierre Marchand auf die Reise. Bis zu drei davon hält er gleichzeitig in der Luft. Auch beim Spiel mit einem oder zwei Diabolos bietet der sympathische Franzose eine perfekte Show. Das Publikum lässt sich von seiner Energie auch am Morgen schon enorm mitreißen. Die perfekt live gespielte Begleitmusik macht den Genuss rund. Mit dem Salto auf dem Todesrad beenden die Navas Brothers ihre Darbietung und setzen damit den furiosen Schlusspunkt vor dem Finale. Bei ihren gefährlichen Touren beweisen die Brüder viel südamerikanisches Temperament. Dieser Schwung bildet eine herrliche Basis für das Finale, welches wieder groß zelebriert wird.


Rob Torres

Die endgültige Abschiedsszene gehört Rob Torres. Der so unschuldig daherkommende Clown aus den USA ist mehrfach in der Show vertreten. Er hat es immer wieder faustdick hinter den Ohren. Bei seinem Spiel mit Metallbechern darf eine Zuschauerin helfen, wann immer Torres sich verletzt hat. Egal, welcher Körperteil gerade von den Blessuren betroffen ist. Beim Experiment mit einer Kugel, die er sich mittels Mausefalle auf den Kopf katapultieren lässt, muss ein Zuschauer für den musikalischen Support sorgen. Nie ist ihm jemand böse. Dafür ist der Mann im blau-gelben Anzug einfach zu liebenswürdig.

"Exploit", so der Titel der aktuellen Produktion, setzt die Tradition der Wintersaisons im Cirque d'Hiver der Familie Bouglione aufs Beste fort. Alles, was die Shows ausmacht, ist wieder mit von der Partie. Ein stark besetztes Programm in Hochglanzoptik eben. Der wunderschöne Circusbau macht das Erlebnis perfekt. Auch direkt nach dem Aufstehen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch