CHPITEAU.DE

Gelsenkirchener Weihnachtscircus 2017/18
www.gelsenkirchener-weihnachtscircus.de ; 116 Showfotos

Gelsenkirchen, 3. Januar 2018: Zum 20. Gelsenkirchener Weihnachtscircus vor einem Jahr hat die Familie Reinhard und Brigitte Probst einen neuen Weg eingeschlagen. Den Circusmachern erschien das Motto „höher, schneller, weiter“ ausgereizt. Deshalb kleidete man die Show erstmals in eine Geschichte. Zur Umsetzung war die Circus-Choreographin Anett Simmen gewonnen worden. Eine Premiere war hier auch der Einsatz eines Balletts. Das Konzept stieß offenbar auf so positive Resonanz, dass dieser Weg nun weiter beschritten wird. Familie Probst erzählt in diesem Winter von der „Magie der Farben“.

Dabei wird die Zusammenarbeit mit Anett Simmen fortgesetzt. „Was wäre die Welt ohne Farben?“, ist die Kernfrage, der das Ensemble hier nachspürt. Das Moderatorenduo Carmen Leyseck und Pascal Maatz erzählt zum Beginn der Show von einem Albtraum, in dem die ganze Welt grau ist. Reif und unreif lassen sich nicht mehr unterscheiden, Gefahren nicht erkennen. Erwacht aus dem Traum, stellen die Moderatoren die Bedeutung der Farben vor. Dazu liest Professor Higgins Colorix – als Stimme aus dem Off – aus dem „Magischen Buch der Farben“. Vor jeder Darbietung wird die Bedeutung einer Farbe erklärt. Die folgende Nummer ist – mal mehr, mal weniger – entsprechend gestaltet oder passend zu diesem Farb-Motto ausgewählt. Auch die Aufgabe des vierköpfigen Balletts ist es, die Geschichten über die verschiedenen Farben in Bildern zu zeigen. Es wurde "hausintern" besetzt. So wirkt unter anderem Stephanie Probst darin mit. Die Reise vom grauen Albtraum in die kolorierte Welt beginnt schließlich mit einem kleinen Charivari, in dem alle Artisten bunte Luftballons schwenken.


Pascal Maatz und Carmen Leyseck, Roxana und John Leyseck
 

Dann ist die Manege frei für Romina Casselly. Bis zu fünf Hula-Hoop-Reifen lässt sie um Arme, Beine und Körper kreisen, auf charmante Weise und mit gewinnender Art. Besonders effektvoll sieht das aus, wenn die fluoreszierenden Requisiten im Dunkeln leuchten. Noch viel mehr Reifen bekommt sie zum Abschluss von ihrem Bruder Alfons zugeworfen. Sie fängt sie sicher und lässt sie gekonnt um sich rotieren. Über eine geheimnisvolle „Truhe zum Sammeln der Farben“ führt die Reise weiter in einen Traum aus 1001 Nacht. Mit Feuerspielen, Tänzerinnen und im Kreis geführten Kamelen wird die passende Atmosphäre geschaffen. Dann spielen John und Roxana Leyseck die Liebesgeschichte von Aladin und Jasmin. Das Mädchen, durch einen bösen Zauber erstarrt, wird durch den „Kuss der wahren Liebe“ letztlich gerettet. Als wunderschönes Requisit kommt hier ein „fliegender Teppich“ zum Einsatz. Dank einer Öffnung in der Mitte lässt er sich als Haltestuhl nutzen. Die Geschwister überraschen mit ansprechenden Voltigen und einem Handwirbel zum Abschluss.


Alfons und Antonio Casselly
 

Ein angenehmer, witziger, kreativer Begleiter durch das Programm ist auch Clown Antonio Casselly, in zwei Auftritten unterstützt durch seinen Bruder Alfons. In der ersten Szene gibt Alfons den „Boxroboter“, dessen Funktionsfähigkeit mithilfe eines Zuschauers überprüft wird. Beim Picknick spielt Antonios frecher Hund ihm Streiche und stibitzt immer wieder Herrchens leckere Würste. Auch seine eigenen Varianten der „Amor“-Reprise mit einem Logengast und der Autofahrt, nun gemeinsam mit einer Zuschauerin, hat Antonio im Gepäck. Die prächtigen Papageien von Silvia und Giordano Medini beherrschen klassische Tricks auf dem Tisch. Sie wippen, sausen eine Rutschbahn hinter oder fahren Rollschuhe. Aber auch schöne Freiflüge durchs weite Chapiteau sind zu erleben. Hierzu wird vorab die Geschichte der Farbe blau erzählt, die sich im Himmel und im Meer findet. Dazu gibt es einen Auftritt des Balletts in schönen Revuekostümen. Erläuterungen zu gelb und grün, zu Sonne, Regen und Natur sowie ein Tanz mit Regenschirmen leiten dagegen die Antipodenspiele von Tamara Khurchudova ein. Diese sind mit interessanten Leuchteffekten gestaltet. Die Artistin betritt die Manege und trägt dabei eine Art Baldachin aus leuchtenden LED-Schnüren über sich. An ihrem Kostüm blinken Lichter. Mit einem Gurt lässt sie sich von der Trinka in die Höhe ziehen. Im Dunkeln kreisen vier fluoreszierende Tücher auf ihren Händen und Füßen. Zum Abschluss wirbelt sie zwei Leuchtstäbe und einen Leuchtteppich durch die Luft.


Dylan Medini, Alfons Casselly
, Truppe Khadikov

Auf äußerst sympathische Weise und mit leichter Hand stellt Alfons Casselly einen Achterzug gescheckte Ponys vor. Sicher laufen die Tiere ihre erlernten Figuren. Es folgt die bis dahin stärkste artistische Nummer des Programms. Dylan Medini stapelt in einer geradezu klassischen Rola Rola-Nummer kräftig hoch. Auf einer Rolle und einem Brett türmt er sieben Bänke oder später sechs stehende und zwei liegende Zylinder aufeinander, um auf diesen fragilen Konstruktionen kunstvoll zu balancieren. Das Programm steigert sich weiter mit der herrlichen Pausennummer. Die Truppe Khadikov begeistert hier auf ganzer Linie mit ihrer traditionellen Dshigitenreiterei. Ganz viel Tempo, fiebernde Musik des sechsköpfigen Orchesters unter der Leitung von Yuriy Rebenok und natürlich das großartige reiterliche und akrobatische Können der Truppenmitglieder vereinen sich zu einem idealen Ganzen. Vier männliche Reiter und eine Reiterin jagen durch die Manege, während sie rücklings auf Pferderücken liegen, in vollem Galopp auf- und abspringen oder um den Bauch eines Pferdes klettern. Ein mitreißender Abschluss dieser Hälfe.


Tamerlan Khadikov mit Ballett, Duo Medini, Alexandru Voinescu

Insgesamt nehmen die ausführlichen, gesprochenen Passagen zur Bedeutung der Farben jedoch ein wenig den Schwung aus dem ersten Programmteil. Wie es besser geht, demonstriert die Regie in der zweiten Hälfte selbst. Hier sind die verbindenden Szenen knackiger, kürzer und läuft die Show dadurch flotter und kompakter ab. Zunächst entführt uns Tamerlan Khadikov mit seiner Hohen Schule nach Spanien. Die Ballettdamen als Flamencotänzerinnen sorgen für das notwendige Flair, der Reiter überzeugt mit anspruchsvollen Lektionen sowie Pirouette und Steiger zu Pferd. Wenn wir von den Geschwistern Medini und ihrem Rollschuh-Act sprechen, dann meinen wir hier nicht die bestens bekannte Nummer aus dem Zirkus Charles Knie. Nein, in diesem Fall sind es Asia und Dylan Medini, die ein genretypisches Repertoire auf dem runden Podium zeigen. Es reicht bis hin zum Genickhangwirbel. Zu den Highlights des Programms gehört die sehr starke Handstandarbeit von Alexandru Voinescu. Er baut nicht nur zwei Türme aus Klötzchen auf und wieder ab, während er darauf Handstände drückt. Auch der legendäre Klötzchen-Abfaller darf nicht fehlen.


Tamara Khurchudova, Stephanie Probst, Truppe Alexander

Ein wichtiger Bestandteil des Gelsenkirchener Weihnachtscircus sind die hauseigenen Tierdressuren. In 18 von bisher 21 Programmen war Stephanie Probst vertreten. Heuer bringt sie im aufwendigen Kostüm mit prächtigem Kopfschmuck eine neu zusammengestellte Exotendressur in die Manege. Jeweils drei Dromedare und Kamele absolvieren eine ruhige Laufarbeit. Ein Zebra läuft Achten um zwei Dromedare, und zum Abschluss zeigen drei Lamas und ein Nandu ihr Sprungvermögen. Nochmals spektakulär wird es bei den bestens bekannten Abfallern und Pirouettesprüngen von Tamara Khurchudova am Schwungtrapez. Wie schon der erste Programmteil endet auch der zweite mit einem echten Highlight: Die Truppe Alexander entbrennt ein Feuerwerk an Sprüngen und Salti vom Schleuderbrett bis zum Vier-Personen-Hoch ohne und dem Fünf-Personen-Hoch mit Stange in der Manege. Im Finale taucht das Ensemble endgültig in ein Farbenmeer ein, mit prächtigen Kostümen, einem Kranz aus bunten Bändern sowie Flitterregen aus der Kuppel.

Diesem schönen und starken, liebevoll in Szene gesetzten Drei-Stunden-Programm hätte man in der ersten Hälfte noch einige Straffungen bei den Zwischenspielen gewünscht. So oder so zeigt das Publikum sich begeistert. Die Familie Probst bleibt mit ihrem Weihnachtscircus also weiter auf der Erfolgsspur. Davon zeugt auch das größere, fabrikneue Zelt. Es wurde pünktlich zum Gastspielbeginn in Betrieb genommen. Passend dazu wurde in ein Gradin investiert, welches die Sitzplatz-Kapazität nochmals erweitert, vorwiegend auf bequemen Schalensitzen.

________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber