Wenn Boris Nikishkin zu Beginn
der Show auf der Tribüne erscheint und die „Popcorn“-Reprise
spielt, dann lockt er uns erstmal auf die falsche Fährte. Denn
hundertfach gezeigte „Klassiker“ sind seine Sache nicht.
Vielmehr hat er viele originelle Szenen im Gepäck, die auch wir
als versierte Circusbesucher noch nicht gesehen haben. Sie
lassen uns oft und herzlich lachen.
Boris Nikishkin und Alexander
Tarasenko
Sein Manegenpartner Alexander
Tarasenko macht als fast unsichtbare Gestalt im Hintergrund das
Schwierige ganz einfach. Wenn Boris zum Beispiel mühelos mit
sieben Bällen jongliert, die an einem von Alexander geführten
Stab absturzsicher aufgehängt sind. Oder wenn Alexander beim
Tennis-Match zwischen Boris und Logengästen den Ball an einer
langen Stange bewegt. Außerdem gibt Alexander den „Ninja-Kämpfer“,
der von Boris per Joystick gesteuert wird. Seine beiden
Glanz-Auftritte hat Boris Nikishkin im zweiten Programmteil:
beim Break-Dance-Battle mit einem Circusbesucher und als eitler
Handstandartist, der via Seilzug am Fuß in seine eleganten
Positionen gehievt wird. Er verkörpert den Typ eines modernen,
sympathischen Komikers, der ohne rote Nase in immer neue Rollen
schlüpft.
Eliane und Daniel Stipka, Helena
Polach, Marcel Krämer
Wie schon im vergangenen Jahr
folgt das Opening erst nach dem Warm-up durch den Clown.
Inmitten von viel Theaternebel richtet sich der Spot auf das
Gesicht von Fabian Egli, des bestens bekannten Ringmasters. Er
lädt ein, in die wunderbare Welt des Circus einzutauchen sowie
Alltag und Sorgen zu vergessen. Diese Einladung nehmen wir gerne
an. Auf ein kurzes Charivari mit dem Ensemble folgen sogleich
die Stipkas mit ihrer temperamentvollen Hohen Schule. Denisa
Stipka reitet auf einem mächtigen Friesen, ihr Bruder Daniel und
ihre Schwägerin Eliane abwechselnd auf einem Falben. Daniel
Stipka präsentiert sich als feuriger Reiter, Eliane als elegante
Tänzerin. Gemeinsam drehen sie und das Pferd Pirouetten in der
Manege. Später sitzt Eliane auch fest im Sattel, wenn der Falbe
kraftvoll steigt. Bereits in vielen Manegen Europas durften wir
Helena Polach mit ihren Jonglagen zu erleben. Bis zu fünf
Fußbälle hält sie in der Luft, in der besuchten Vorstellung
vollkommen fehlerfrei. Aber nicht nur ihre Technik ist gut. Mit
Charme und Ausstrahlung weiß sie die Stimmung im Publikum weiter
anzuheizen. Viele Facetten einer hochklassigen, gut laufenden
Freiheitsdressur präsentiert Marcel Krämer – zur Überraschung
des Publikums jedoch nicht mit Pferden, sondern mit sechs Eseln.
Aber ganz ohne Ross geht es doch nicht. Denn zu Beginn der
Nummer reitet er auf seinem Schecken in den roten Ring, lässt
dabei die amerikanische Flagge flattern und dreht auf dem Pferd
stehend ein großes Lasso. Dieser „Cowboy“ ist als Tierlehrer ein
großer Könner.
China National Acrobatic Troupe,
Duo Romance, Zhang Fan
Einen Großerfolg vor dem
Heilbronner Publikum feiert das Duo Romance, Marina Adelina
Boldojar und ihr Mann Alex Bogdi. Im ersten ihrer beiden
Auftritte erleben wir die Rumänen am Masten. Die romantische
Inszenierung, starke Posen und unerwartete Abfaller vereinen
sich hier zu einem idealen Ganzen. Mit „It’s a Man’s World“,
live gesungen von Fabian Egli, wird die Darbietung weiter
veredelt. Begeisterte Pfiffe, Jubel auf offener Szene und
Bravo-Rufe sind der verdiente Lohn. Bis zur Pause folgen
zwei Mal Hochleistungen aus Asien. Mit bezauberndem Lächeln
tanzt zunächst eine Artistin der China National Acrobatic Troupe
auf Spitzen – und dies auf den ausgebreiteten Armen und den
Schultern ihres Partners. Dann feiert Zhang Fan nach sechs
Jahren seine große Rückkehr an den Neckar. Sein Können auf dem
Schlappseil – mit Kopfüber-Fahrt auf dem Einrad oder Balancen
auf dem bedrohlich weit schwingenden Seil – ist unerreicht. Ganz
außergewöhnlich für einen chinesischen Künstler ist der
offensive, mitreißende Verkauf. In der Kombination entsteht eine
einzigartige Darbietung und würdige Pausennummer.
Alexander Lacey
Das Ende des Ringling Bros. and
Barnum & Bailey Circus in den USA ist ein einziges Trauerspiel.
Umso glücklicher sind wir, dass einer der ganz großen Stars der
„Greatest Show on Earth“ nach Europa zurückgekehrt ist. Sein
zweites Engagement auf unserem Kontinent nach sechs Jahren in
Amerika führt Alexander Lacey zu langjährigen Freunden, zum
Heilbronner Weihnachtscircus. Drei Mal war er hier bereits
engagiert. Sieben Tiger, vier Löwinnen und zwei männliche Löwen
sind nun seine Partner. Erstmals arbeitet er mit
Headset-Mikrofon. So wird das Publikum Zeuge seines
fortwährenden Dialogs mit den großen Katzen. Lacey ruft die
Tiere immer wieder bei ihren Namen, gibt Kommandos, lobt viel und
tadelt bei Bedarf. Mit Stimme und eleganter Gestik dirigiert er
die 13 Tiere durch eine umfassende, hochklassige Trickfolge.
Pyramide, Teppich mit Abliegen auf die Seite und Hochsitzer
werden in großer Formation gezeigt. Hinzu kommen
Kabinettstückchen wie wilde Sprünge und Scheinangriffe, der
Weitsprung eines Tigers über zwei Löwen, ein doppelter
Vorwärtssteiger und diverse Schmuseeinheiten. Ein Tiger leckt an
Lacey Oberarm, ein mächtiger Mähnenlöwe bedeckt zum Abschluss
den in der Manege liegenden Tierlehrer. Großer Applaus für ganz
großen internationalen Zirkus. Ohnehin sind die Tierdarbietungen
eine besondere Stärke dieses Programms. Nach Käfigabbau und
Clownsnummer folgen zwei im Doppelpack.
Eliane und Daniel Stipka, Marcel
Krämer, Duo Romance
Zunächst bringt Marcel Krämer
seine vier Bisons in die Manege. Die gewaltigen Rinder
beeindrucken alleine durch ihre Erscheinung – besonders auch die
Kinder und Erwachsenen, die sie aus der Loge mit Karottenstücken
futtern dürfen. Aber Aussehen ist nicht alles. Vielmehr
beherrschen die Bisons auch eine anspruchsvolle Laufarbeit.
Eindrucksvoll auch, wie ein Pferd eine acht um zwei der Rinder
läuft, nur von Marcel Krämers Stimme angeleitet. Zu den
schönsten Momenten der Show gehört das Pas de Deux zu Pferd.
Daniel und Eliane Stipka zelebrieren auf den beiden Friesen ein
höchst anspruchsvolles Repertoire, bis hin zum freien Stand auf
dem Kopf des Partners ohne Longensicherung. Die wunderbare
Begleitung liefert Katie Azzario-Lacey mit einem erstklassig
gesungenen Lovesong. Dieser Premierenabend ist auch ihre
Premiere als Sängerin vor großem Publikum. Für noch mehr große
Gefühle sorgt im Anschluss das Duo Romance an den Strapaten.
Dieser Tango der Lüfte kombiniert Solo- und Duotricks,
Gefährliches und Gefühlvolles, Träumerei und Spannung. Und
wieder ist der Jubel unbeschreiblich. Für den Abschluss der
Vorstellung sorgt die China National Acrobatic Troupe aus
Peking. 13 Jahre nach dem Gewinn des Goldenen Clowns in Monte
Carlo wurde die Nummer in anderer Besetzung neu einstudiert. 13
Artisten sind es auch, die hier gemeinsam agieren, acht Herren
wie Baumstämme und fünf zierliche Mädchen. Die Chinesinnen
balancieren mit ihren Füßen Schalen, während sie zu
spektakulären Handvoltigen in die Luft geworfen und gefangen
werden – bis hin zum Vier-Mann-Hoch. Natürlich ist die Nummer in
eine ausgefeilte Gesamtchoreographie eingebettet. So wie auch
das Lichtdesign von Enrico Zoppe zum Gesamterlebnis Heilbronner
Weihnachtscircus beiträgt. Die weiter modernisierte Lichtanlage
setzt auf eine Kombination aus LED-Scheinwerfern und Moving
Heads. Damit werden strahlend helle, warme, festliche
Illuminationen gezaubert. Unverzichtbar ist auch der gute Klang,
für den das große Orchester von Vladmir Kozachuck und
Tontechniker Detlef Zasche sorgen. |