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Karlsruhe, 4. Januar 2018: Was für eine tolle Show! Das Programm 2017/18 des Karlsruher Weihnachtscircus weiß restlos zu begeistern. Neben großartigen Tierdressuren und ausgewählter Artistik trägt dazu auch die Inszenierung bei. Das sechsköpfige Ballett unter der Leitung von Esther Schneider wird genau richtig eingesetzt, die acht Musiker unter Misha Khoklov liefern einen grandiosen Klangteppich. Die Licht- und Tontechnik ist wie gewohnt mehr als zeitgemäß. Zu Beginn der Vorstellung bringt ein Weihnachtsmann mit seiner Klingel die zahlreichen Moving Heads zum Leuchten.

Dann eröffnet das Ballett in amerikanisch angehauchten Kostümen zu klassischer Paraden-Musik das Programm. Alle Artisten kommen mit Flaggen in den Stadtfarben Karlsruhes in die Manege, René Casselly jun. hat zwei Ponys dabei. In der Mitte dieses schönen Bildes begrüßen Monika Kaselowsky und Giovanni Biasini die Besucher. Die Juniorchefin hat seit ihrer Heirat im Sommer den Nachnamen gewechselt. Sie führt gemeinsam mit Biasini in bewährter Weise durch das Programm. Letzterer tritt auf Saison im „Zirkus des Horrors“ als Zeremonienmeister auf.


René Casselly jun., Merrylu und Jozsef Richter jun., Ballett 

Die Darbietungen kommt fast zur Hälfte vom ungarischen Nationalcircus der Familie Richter. Direktor Jozsef Richter jun. und seine Frau Merrylu gehören zu den vielseitigsten und talentiertesten Tierlehrern unserer Zeit. Ihr gemeinsames Pas de Deux zeigen sie gleich zu Beginn. Einmalig sind wohl die Sequenzen, in denen er sie um seinen Körper wirbelt. Daneben sehen wir unter anderem einen ungesicherten Handstand und freien Stand auf seinem Kopf. Neu ist, dass Merrylu Richter nicht nur eine Brücke auf den Schultern ihres Ehemanns schlägt, sondern dass sie sich dann erhebt, um mit einem Fuß auf seiner Hand zu stehen. Hinzu kommen Tricks, die entgegengesetzt zur Laufrichtung der Pferde gearbeitet werden. Wunderschön ist auch die Aufmachung zu „You‘ll be in my heart“ mit Kerzenständern, die in der Manege aufgestellt sind. Merrylu Richters Bruder René Casselly jun. hat gleich im Anschluss seinen ersten Auftritt. Ein tolles Bild ergibt sich, wenn er auf einem stilisierten Zigeunerwagen, vor den Elefantenbulle „Mambo“ gespannt ist, in die Manege gezogen wird. Gleichzeitig tanzt das Ballett in der Mitte. Aus dem Wagen heraus kommen sechs kleine, gescheckte Ponys. Wer jetzt den „gewöhnlichen“ Ablauf einer Kleinpferdedressur erwartet, liegt falsch. Die Laufarbeit beinhaltet unter anderem einen Fächer. Dann stellen sich die Ponys auf Podeste im hinteren Teil der Manege. Von dort aus kommen sie einzeln, aber auch in Grüppchen nach vorne und zeigen unter anderem einen Hochsitzer, Steiger oder Sprünge durch Reifen. Abschließend sehen wir eine dreimal hintereinander gesprungene Kapriole. Chapeau! Die folgende Tanzeinlage des Balletts wird ganz aktuell mit „Swalla“ von Jason Derulo begleitet.


Brad Garcia, Paolo Kaiser, Rivelinos 

Mehrere Saisons mit dem Zirkus Charles Knie auf Tournee war Paolo Kaiser. Seine Rola-Rola-Darbietung zeichnet sich weiterhin durch spektakuläre Sprünge anstatt durch das Bauen hoher Türme aus. Charmant assistiert ihm dabei seine Ehefrau Katerina. Im zweiten Teil sehen wir Kaiser zudem als „Laserman“, der leider ohne Podest und leuchtendes Kostüm während der Nummer wenig sichtbar ist. Eine sehr sympathische Version des komischen Trampolins hat Brad Garcia mit nach Karlsruhe gebracht. Als „Requisiteur“ muss er kurzfristig den ausgefallenen „Trampolinstar“ ersetzen. Mit seinen Tricks bis zum dreifachen Salto gelingt ihm das hervorragend. Einen zweiten komischen Auftritt hat er gemeinsam mit einem weiteren August und einem Weißclown im zweiten Teil. Als „Rivelinos“ machen die drei allerlei Unsinn mit verschiedensten Instrumenten. Zudem liefern sie sich einen Boxkampf, der natürlich nicht ohne zahlreiche Ohrfeigen auskommen darf. Dabei kommt aber auch die schöne Musik nicht zu kurz, die bei einem ganz klassischen Clowns-Trio einfach dazu gehört.


Avital und Jochen Pöschko, Merrylu und Jozsef Richter jun. 

Für einen ersten artistischen Höhepunkt sorgen Avital und Jochen Pöschko am Schwungtrapez. Das aus dem Circus Roncalli bekannte israelisch-deutsche Duo schließt mit einem Salto, den sie vom Trapez aus in seine Arme springt. Was danach als Pausennummer folgt, ist schlichtweg sensationell. 2015 zeigten Merrylu und Jozsef Richter jun. erstmals ihre exotische Post, 2016 das exotische Karussell. 2017 vereinten sie beide Darbietungen zu einem großartigen Tableau, das nun in Karlsruhe Deutschland-Premiere feiert. Schon der Beginn sorgt für Gänsehaut, wenn Merrylu Richter auf einer Giraffe in die Manege geritten kommt. Das Tier dreht sich mit leuchtendem Geschirr auf einem Podest. Rasant wird es bei der anschließenden Post. Dabei laufen vier Kamele und sechs Zebras zwischen zwei Elefanten hindurch, auf denen Merrylu steht. Sie zeigt dann auf einem Pferd den Gegenlauf zu den paarweise laufenden Tieren. Anschließend rennt eine Giraffe zwischen den beiden Dickhäutern und unter den Beinen von Jozsef Richter hindurch. Fünf Elefanten, sieben Kamele, sechs Zebras, neun Pferde und vier Lamas, also insgesamt 31 Tiere, vereinen sich dann zum großen Karussell auf drei Bahnen in der Manege. Ein imposantes, großartiges Bild, das man so in der heutigen Zeit nicht mehr für möglich gehalten hätte. Alles andere als der goldene Clown im Januar in Monte Carlo wäre eine große Überraschungl.


Rene Casselly jun. 

Direkt nach der Pause haben die fünf Dickhäuter der Familie Casselly gleich ihren nächsten Auftritt. Im Laufe der Jahre hat René Casselly jun. seine Akrobatik zu Elefant immer weiter ausgebaut und verbessert. In der aktuellen Trickfolge stehen folglich seine waghalsigen Sprünge im Mittelpunkt. Beispielsweise wenn er ausgehend von einem Sprungbrett auf dem Rücken des Bullens „Mambo“ eine Schraube auf den dahinter gehenden Dickhäutern landet. Höhepunkt ist nach wie vor der dreifache Salto. Er absolviert ihn sicher vom Schleuderbrett aus auf den Elefantenrücken. Katapultiert wird er durch einen kräftigen Tritt auf das Brett durch „Kimba“.

 
René Sperlich, Truppe Jozsef Richter jun., Madi McKay 

Vom Ballett eingeleitet, baut René Sperlich seine Flaschenstuhlpyramide mit bis zu fünf Stühlen, auf denen er Handstände drückt. Die Wirkung wird dabei ganz entscheidend durch die musikalische Begleitung mit „Who wants to live forever“ und „Show must go on“ gesteigert. Im vergangenen Januar war Madi McKay mit den Flying Farfans im Münchner Kronebau zu Gast. Nun zeigt sie in Karlsruhe ihre Solo-Darbietung an den Strapaten. Neben einem Spagat und Umschwüngen hat sie auch rasante Abfaller und einen Genickhangwirbel in petto. Für eine volle Manege sorgt noch einmal die Jozsef-Richter-Truppe. Zu Beginn durch die sechs Ballettdamen begleitet, bringen die sieben Jockeyreiter ordentlich Schwung in den Ring. Neben mitreißender, folkloristischer Musik sorgt auch der temperamentvolle Verkauf der Akteure für viel Stimmung. Das Trickrepertoire ist groß und bildet in diesem Genre zurzeit wohl die Spitze. Spektakulär sind die Salti von Pferd zu Pferd, die auch aus dem Zwei-Mann-Hoch heraus gesprungen werden. Hervorzuheben sind das Kopf-auf-Kopf von Merrylu und Jozsef Richter und sein Salto mit direkt anschließendem Flic Flac. Abschließend schwenkt der Truppenchef die ungarische und die deutsche Flagge über die Logen. Im Finale kommen die Tänzerinnen in prächtigen Revuekostümen mit ausladendem Federschmuck in die Manege, ehe sich alle Artisten versammeln. Die gute Stimmung während der Vorstellung entlädt sich in Standing Ovations, die wirklich mehr als verdient sind.

In diesem Jahr stehen die Tiere ganz klar im Mittelpunkt des Karlsruher Weihnachtscircus. Die Familie Sperlich zeigt damit Rückgrat, in einer Zeit, in der sich der Tiercircus immer stärkerer Kritik ausgesetzt sieht. Mit den Tierdressuren des Ungarischen Nationalcircus sind aber auch tolle Beispiele dabei, wie klassischer Circus im Jahre 2017 sein muss: mitreißend, frisch und flott. Eben so, wie er diesen Winter in Karlsruhe zu sehen ist.

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Text: Jonas Haaß; Fotos: Tobias Erber (12), Markus Moll (2)