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La Grande Fete Lilloise du Cirque 2017
www.lagrandefetelilloiseducirque.com ; 156 Showfotos

Lille, 12. November 2017: Bei „La Grande Fete Lilloise du Cirque“ ist der Name Programm. Die Veranstaltung ist wirklich ein großes Fest des Circus. Ein Fest des klassischen Circus mit Tieren, Clowns und Akrobaten. Hier ist Alexander Lacey mit seiner Raubtiernummer nach sechs Jahren in den USA erstmals wieder in Europa zu erleben. Zweifellos ein Highlight. Meine Favoriten sind darüber hinaus die Magier: Scott und Muriel mit ihren sensationell lustigen Illusionen sowie Sixto und Lucia mit Quick Change in einem Rausch der Geschwindigkeit.

Wiederum hat Thierry Fééry seine Zeltanlagen auf dem weitläufigen Champs de Mars aufschlagen lassen. Seit mehr als 60 Jahren ist ein herbstliches „Circusfest“ Tradition in der nordfranzösischen Großstadt nahe Belgien; seit nunmehr 31 Saisons ist Fééry Veranstalter und Produzent. Während ursprünglich im Palais Rameau gespielt wurde, erfolgte 2002 der Umzug ins Zelt.


Chapiteau
 

Seit 2010 besitzt Féery eigenes Material. Das weiße Chapiteau ist durch zwei außen liegenden Bögen im Inneren mastenfrei. Darüber hinaus reicht die Tribüne bis an die Manege heran. Somit ist jede Sitzreihe ansteigend gegenüber der vorherigen, Logen eingeschlossen. Zelt- und Gradinkonstruktion zusammen garantieren beste Sicht für jeden. Gleichzeitig wird hier mit 2300 Plätzen vorbildhaft gezeigt, wie ein großes Publikum in einem immer noch kompakt wirkenden, atmosphärischen Rahmen untergebracht werden kann. Liebevoller gestaltet könnte dagegen das recht schlicht eingerichtete Vorzelt sein. Die vorletzte Vorstellung der Spielzeit ist nahezu ausverkauft, wie nach Féérys Aussage das Gastspiel insgesamt. Dabei setzt er auf äußerst moderate Preise; Loge und frontale Tribünenplätze werden regulär für 27 Euro angeboten.


Hebei Acrobatic Troupe, Sixto und Lucia, Evgeny Komisarenko
 

Zum Beginn sorgt gleich eine achtköpfige Truppe aus Hebei (China) für eine gut gefüllte Manege. Einzeln und gemeinsam wird mit Hüten jongliert, und das bis zu „Drei-Etagen-Hoch“. Das außergewöhnlich zusammengesetzte, aber jederzeit begeisternde Programm kommt ohne Luftnummer und ohne Pferde aus. Dafür ist es unter anderem gelungen, zwei Tiernummern vom Nikulin-Circus aus Moskau nach Lille zu holen. Evgeny Komisarenko präsentiert zunächst weiße Pudel unterschiedlicher Größe. In großem Tempo wird eine umfangreiche Abfolge von Tricks absolviert, viele davon auf den Hinterbeinen. Später zeigt er, anders als geplant, anstelle der Tierlehrerin Asel Saralaeva auch die Katzendressur. Hangel- und Kletterpartien gehören ebenso zum Repertoire wie verschiedene Sprünge oder ein Lauf auf der Spiegelkugel. Auf Tempo, Tempo, Tempo setzen Sixto Rodriguez und Lucia Rivera bei ihren Kostümillusionen. Passend zu ihrer kubanischen Heimat lassen sie sich zunächst von südamerikanischen Rhythmen begleiten. Fantastisch, wie Lucia in einem Stoffsack dreimal nacheinander das Kostüm wechselt, jeweils nach Wimpernschlägen. Überraschend, wie beide in einem Sack gleichzeitig das Kostüm wechseln und im Strand-Outfit wieder erscheinen. Das dann sofort wieder gegen einen eleganten weißen Anzug und ein ebensolches Kleid getauscht wird.


Hebei Acrobatic Troupe, Muriel, Truppe Nomuna
 

Magisch geht es weiter mit Scott und Muriel. Er gibt den Zauberer, der nur scheinbar an der Tücke des Objekts scheitert, sie die herrlich überdrehte und zugleich unendlich sympathisch Assistentin. Mit viel Humor wird hier dem Klassiker der „zersägten Jungfrau“ eine völlig neue und undurchschaubare Wendung gegeben. Einfach Spitzenklasse, ebenso wie der Auftritt im zweiten Programmteil. Hier gelingt es den beiden, einen ahnungslosen Zuschauer dem Anschein nach in zwei Hälften zu teilen. Auch er entkommt letztlich unversehrt. Nach einem realen Unfall dagegen kann die Hebei Acrobatic Troupe nicht vollzählig arbeiten, ausgerechnet drei der Hauptakteure müssen pausieren. Und so hat Thierry Fééry die ursprünglich vorgesehene Pausennummer mitten in den ersten Programmteil verlegt. Dennoch werden von den verbliebenen fünf Artisten mit fliegenden Meteoren eindrucksvolle Bilder geschaffen. Zu mitreißender Musik werden die Seile, unter anderem nach Salti und Rollen, mit Händen und Füßen gedreht und geworfen. Noch eine weitere Truppe aus Asien prägt dieses Programm. Die mongolische Truppe Nomuna war beim letztjährigen Circusfestival in Figueres (Spanien) erstmals in Europa zu erleben. Vor der Pause begeistern die zehn Männer und zwei Damen nun in Lille mit ihrer Kombination aus Handvoltigen und Seilspringen, letzteres auch im Zwei- und Drei-Personen-Hoch.


Alexander Lacey 

Produzent Thierry Féery ist zugleich der Mr. Loyal. Er führt auf stets eloquente Weise durchs Programm und ist das markante Gesicht seines eigenen Circus. Und das nicht nur auf den Plakaten. Nach jeder Show steht er für Selfie- und Autogrammwünsche zur Verfügung und wird dabei von vielen Besuchern umringt. Zu Beginn des zweiten Teils hat er die Ehre, einen Weltstar anzukündigen: „Er war mehrere Jahre beim größten Circus der Welt und hat als erste Station nach seiner Rückkehr nach Europa Lille gewählt.“ Gemeint ist natürlich Alexander Lacey. Dieser versammelt in seiner großen gemischten Raubtiernummer sieben Tiger, vier Löwinnen und zwei Löwen. Nach der Pyramide zur Eröffnung zeigen sie Sprünge von Podest zu Podest und über Artgenossen. Beeindruckende Bilder entstehen, als sich alle Tiere zum Teppich formen, dann auf die Seite abliegen und schließlich gemeinsam hochsitzen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Schmuseeinheiten. Wenn Lacey sich von einem Tiger den Arm ablecken lässt und die Katze anschließend umarmt. Wenn er einem mächtigen Mähnenlöwen sanft ins Gesicht bläst und das Tier auf die Schnauze küsst. Und wenn er sich schließlich von einem Löwen bedecken lässt, ehe das Licht in der Manege erlischt. So traurig das Ende von „Ringling“ ist, so glücklich sind wir, dass Alexander Lacey wieder hier ist und 2018 mit dem Zirkus Charles Knie in Deutschland reisen wird.


Roland Duss, Aleksandr Batuev, Henry Ayala 

Eine Weltkarriere hat auch Aleksandr Batuev begonnen. Zu Jahresbeginn gewann er den Bronzenen Clown in Monte Carlo. Die Art und Weise, wie dieser Extrem-Klischnigger seinen Körper zusammenfaltet und verdreht, bereitet bereits beim Zusehen Schmerzen. Sie sorgt für eine Mischung aus wohligem Schauder und Vergnügen. Ganz stilvoll gekleidet, mit Hemd und Krawatte, verschwindet er in einer kleinen Kiste. Für viele heitere Momente ist auch beim Auftritt von Petra und Roland Duss gesorgt. Drei Seelöwen und ein kleiner Hund hören auf ihr Kommando. Die Trickstärke diese Darbietung ist wirklich fast unerreicht. Ein sympathischer Begleiter durchs Programm ist Henry Ayala, „The Prince of Clowns“. Beim Zusammenspiel mit zwei Kindern aus dem Publikum agiert er altersgerecht, so dass die Kleinen viel Freude am großen Auftritt haben. Erwachsene Mitspieler benötigt er für das Spiel mit Glocken und die „Striptease“-Szene. Und seinen ganz großen Moment hat er in der vorletzten Nummer des Programms. Gemeinsam mit seiner Schwester Amy Rose zelebriert er mit viel Spielfreude seine Version des Spaghetti-Entrees. Den Schlusspunkt setzt schließlich die Truppe Nomuna auf dem Schleuderbrett. Ein Vier-Mann-Hoch ohne Longe und Stange und ein fünffacher Salto auf die Matte sind Eckpunkte des Repertoires.

Dieses ohnehin hervorragende Programm wird weiter veredelt durch den zügigen Ablauf ohne nennenswerte Umbaupausen, durch das starke und atmosphärische Licht und in ganz außerordentlicher Weise durch erstklassigen Sound und das wunderbare Spiel des großen Orchesters unter Dirigent Kristof Majewski. Für das große Circusfest von Lille lohnt sich auch die weiteste Anreise.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber