Das prägende Gesicht der
diesjährigen „Euphorie“-Spielzeit ist folgerichtig auch in Offenburg
dabei. Henry „the Prince of Clowns“ Ayala animiert vor dem
eigentlichen Beginn der Vorstellung das Publikum zum Klatschen,
spielt auf einem „unsichtbaren“ Schlagzeug, „dirigiert“ das
Orchester und unterstützt Sascha Thanner bei seiner Begrüßung.
Sascha Thanner,
Tatiana Kundyk, Henry Ayala
Dieser führt im inzwischen
vierten Jahr eloquent und nach jeder Nummer in einem anderen
Kostüm durch das Programm. Henry zeigt später gemeinsam mit
einem Kind eine Hutjonglage, verkleidet einen Besucher als
Bauarbeiter, der dann zum Strippen gebracht wird, und dirigiert
seine Version des „Orchesters“ mit Glockenspielen. Am besten
weiß jedoch der Auftritt zu gefallen, für den keine Zuschauer
herangezogen werden. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin
Tatiana Kundyk zeigt er ein kreatives, herrlich gespieltes
Restaurant-Entree. Es darf natürlich nicht enden, ohne dass
eine Torte in Ayalas Gesicht landet. Anders als im Saisonprogramm hat Kundyk in Offenburg auch einen Solo-Auftritt.
Ihre burlesk-erotisch angehauchte Arbeit auf dem Schlappseil ist
gespickt mit vielen Schwierigkeitsgraden, unter anderem einem
Spagat, einem Handstand, dem freien Sitz auf einem Stuhl und dem
Balancieren auf dem weit ausschwingenden Seil.
Truppe Puje
Die elf mongolischen Artisten der
Truppe Puje eröffnen das Programm mit variantenreichen
Seilsprüngen. Gegenüber anderen fernöstlichen Formationen hat
diese Gruppe einen entscheidenden Vorteil: Sie verkauft ihre
Auftritte stets mit ansteckender Fröhlichkeit anstatt starr
Höchstleistungen abzurufen. Zudem arbeiten die Herren und
Damen zu mitreißender Live-Musik, die die Wirkung enorm
steigert. Das Niveau der gezeigten Tricks ist trotzdem stets
erfreulich hoch. Gesprungen wird unter anderem im Zwei-Mann-
bzw. Drei-Mann-Hoch oder zu viert in Liegestütz-Position
übereinander. Handvoltigen sind ebenfalls in den Ablauf
eingebunden. Eine der Artistinnen beherrscht das Seilspringen
sogar, während sie eine Brücke bildet. Diese Beweglichkeit zeigt
sie später im ersten Teil gemeinsam mit den beiden anderen
weiblichen Truppenmitgliedern als „Schlangenmädchen“. Auch hier
bauen sie Brücken und verbiegen sich in jegliche denkbare
Richtung, sowohl übereinander als auch nebeneinander. Höhepunkt
ist ein doppelter, drehender Mundstand. Als Schlussnummer zeigen
die acht Puje-Männer Handvoltigen. Zum umfangreichen Repertoire
gehören eine Passage und verschiedene Varianten des
Drei-Mann-Hochs. Der Flieger landet beispielsweise auf dem Kopf
oder auf den Händen des Fängers. Schlusstrick ist ein
Vier-Mann-Hoch, bei dem sich zwei weitere Mongolen (vom Boden
aus gestützt) am Oberkörper des untersten „Trägers“ festhalten.
Alle Tricks werden ohne Sicherung oder Hilfestellung durch
Longen ausgeführt.
Truppe Wulber
Zu den großen Circus-Trends der
letzten Jahre gehört der „Laserman“ beziehungsweise die „Laserwoman“.
In Offenburg übernimmt Yuri Gottani diese Rolle. Er hat eine
starke Variante dieses Genres im Gepäck. Unabhängig davon, was
der gemeine Circusfreund von solchen Auftritten halten mag, bei
denen wirklich keine artistische Leistung erkennbar ist –
publikumswirksam sind die Lichtspielereien allemal. Die Flying
Wulber sind mit ihren beiden Darbietungen seit zwei Jahren mit
dem Zirkus Charles Knie auf Tournee. Die Chart-Hits, die 2016
die fliegenden Menschen musikalisch begleiteten, sind inzwischen
teilweise „klassischeren“ Circus-Melodien gewichen. Ganz
traditionell ist auch der Beginn des Auftritts, wenn die
Artisten mit langen Umhängen in die Manege kommen. Unter der
Circuskuppel zeigen die sechs Akteure dann sicher das volle
Repertoire einer ausgereiften Darbietung, inklusive dreifachem
Salto und Passage. Bereichert wird der Auftritt durch Nicole
Kolev, die in einem frei drehbaren Ring durch die Lüfte schwebt
und damit Erinnerungen an die Truppe Borzovi weckt. Während der
Flüge der restlichen Truppenmitglieder nimmt sie ganz oben im
Zelt auf einem kleinen Trapez Platz. Mit dieser Luftnummer geht
es in die Pause.
Truppe Wulber, Duo
Solys, Michael Ferreri
Im zweiten Programmteil arbeiten
die Wulbers auf dem Trampolin eine herrlich inszenierte Hommage
an die Blues Brothers. Hier übernehmen die männlichen
Truppenmitglieder die Artistik, während Gilda Vulcanelli und
ihre beiden Töchter Nicole und Michelle Kolev mit herrlicher
Mimik und Gestik die Aktionen der Herren begleiten. Anstelle von
Fänger Martín Quintero ist dann Dinko Petrov in den Ablauf
integriert. Er zeigt auch den Schlusstrick, einen dreifachen
Salto. 2012 war das Duo Solys mit dem Zirkus Charles Knie
unterwegs. Tatiana und Hector Yzquierdo haben eine starke
Partnerakrobatik-Kür im Gepäck, bei der meist sie den tragenden
Part übernimmt. Bekannt ist ihr Schlusstrick, bei dem Hector
einen Kopfstand auf einem nachgebildeten Eiffelturm zeigt, den
Tatiana liegend auf Knien und Händen stemmt. Für den eindeutigen
artistischen Höhepunkt sorgt Michael Ferreri. Der
Deutsch-Spanier hat in den letzten Jahren nicht nur das Niveau
seiner Jonglagen ständig erhöht. Er hat auch eine Karriere
hingelegt, die bisher keine Grenzen zu finden scheint. Man kann
Sascha Thanner nur rechtgeben, wenn er Ferreri mit den Worten
„Alle wollen ihn – Wir haben ihn“ ansagt. An diesem Nachmittag
hält Ferreri bis zu zehn (!) Bälle in der Luft. Sieben
leuchtende Bälle jongliert er als Schlusstrick im Dunklen. Dank
seines offensiven Auftretens ist Michael Ferreri schon in jungen
Jahren eine echte Manegenpersönlichkeit.
Krenzola jr. alias
Jochen Träger, Bruno Raffo
Nicht ganz so umfangreich ist in
diesem Jahr der tierische Part im Offenburger Weihnachtscircus
besetzt. Krenzola jr. alias Jochen Träger zeigt zwei
unterschiedliche Darbietungen. Im ersten Teil verkauft er mit
sympathischen Kommentaren per Headset seine Dressur mit
unzähligen Enten, neun Schweinen und der Ziege Wolfgang. Der
Bock beherrscht unter anderem das Knicksen. Nach der Pause
präsentiert Krenzola seine große Tierrevue. Seine Spezialität
sind Tricks, die Tierarten gemeinsam arbeiten, die in der Natur
Feinde sind. Beispielsweise, wenn eine Katze durch einen mit
Tauben besetzten Ring springt. Oder wenn ein Fuchs einen Wagen
anschiebt, in dem eine Gans sitzt. Die passende musikalische
Begleitung liefert „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“. Die
Weihnachtscircus-Saison 2017/18 beschert den Bewohnern
Baden-Württembergs wahre Lacey-Festspiele. Alexander Lacey ist
in Heilbronn, Martin Lacey jr. in Stuttgart. In Offenburg sehen
wir Bruno Raffo mit sechs Löwinnen aus Martin Lacey jr. „alter“
Gruppe, die in Monte Carlo einen goldenen Clown gewann. Der
temporeiche Ablauf beinhaltet unter anderen eine Pyramide, das
Hochsitzen aller Tiere und das abschließende Überspringen des
Tierlehrers. Mitreißend ist die musikalische Begleitung dieser
Darbietung durch das achtköpfige, ukrainische Orchester. Es
spielt die
Musik, zu der Lacey im Krone-Saisonprogramm „Celebration“
gearbeitet hatte. Für die gelungene Regie und das starke
Lichtdesign zeichnet zum wiederholten Mal Daniela Zoppe
verantwortlich. Die Requisiteure stehen unter der Leitung von
George Calin. |