Damals,
vor einem Vierteljahrhundert, hatte Klaus Kaulis die Moderation des
Programms übernommen. Unvergessen bleibt Peter Goesmann, der diese
Rolle seit 1995 mit Nonchalance ausfüllte. Nach seinem unerwarteten Tod
im August 2014 war lange unklar, wer diese Aufgabe dauerhaft übernehmen
könnte.
Björn Gehrmann im Finale
Nach
drei Spielzeiten, in denen zunächst ein Tonband und die
Artisten selbst, dann Willer Nicolodi bzw. Martin Bukovsek durch
die Programme führten, ist mit Björn Gehrmann nun ein neuer Mann am
Start. Er ist unter anderem als Moderator des alljährlichen Events
„Internationale Musikparade“ in Stuttgart bekannt und kann mit seiner
verbindlich-eleganten Art gerne zu einer Dauerlösung werden.
The Gerlings
Eines
der Markenzeichen der Stardust-Produktion sind die vielen großen
Truppen aus aller Welt. In diesem Jahr sind es drei Gruppen. In der
Mitte des ersten Teils wirklich sehr unterplatziert ist die
spektakuläre Schleuderbrett-Darbietung der mongolischen Truppe
„Nomuna“. Sie zeigen unter anderem einen fünffachen Salto und gehören
damit zu den Spitzenvertretern ihres Genres. Aus der chinesischen
Provinz Hebei kommt „die größte Fahrradnummer der Welt“ (Programmheft).
Ursprünglich als Schlussnummer platziert, wurden die 18 jungen
Frauen und Mädchen in die Mitte des zweiten Teils verlegt. Das mag
einerseits daran liegen, dass die ikarischen Spiele und Sprünge von
Fahrrad zu Fahrrad nur mit starker Longenunterstützung möglich sind.
Andererseits ist die Inszenierung im Vogel-Look alles andere als
mitreißend. Zudem stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist,
derart junge Kinder auftreten zu lassen. Man darf gespannt sein, wie
die Gruppe im Januar in Monte Carlo abschneiden wird. Die Position der
Schlussnummer haben dafür The Gerlings übernommen. Die acht Kolumbianer
krönen ihre Trickfolge mit der Sieben-Mann-Pyramide auf dem Hochseil.
Davor mussten sie ihre Abläufe ziemlich zusammenkürzen, was jedoch kein
Wunder ist angesichts des mit drei Stunden und zehn Minuten wirklich
sehr langen Programms.
Ivan Frederic Knie
Vor
25 Jahren gehörte Jürg Jenny mit seinen Raubtieren zu den bekanntesten
Tierlehrern. In diesem Jahr präsentiert uns der Weltweihnachtscircus
den aktuellen Star dieses Genres. Martin Lacey jr. ist kurz nach dem
Krone-Gastspiel auf den Wasen zurückgekehrt. Da nach der Pause wegen
der Fahrrad-Nummer ein Holzboden ausgelegt wird, arbeitet er als
erstes. Auch hier glänzt er mit der bekannt-spektakulären Mischung aus
großen Gruppenbildern und Tricks mit einzelnen Tieren. In diesem
Programm sind Tiernummern der beiden größten Circusse Europas vereint,
denn die Familie Knie präsentiert traditionell die Dressuren ihres gerade
ausgelaufenen Saisonprogramms an Weihnachten in Stuttgart. Gemeinsam mit
dem Circus-Theater Bingo zeigt Chanel Marie Knie ihre Ponydressur zu
„Let it go“. Dem schließt sich ihr Vater Maycol Errani mit Steigern an.
Zum Abschluss sitzt Chanel auf einem Pony, das Errani vorwärts steigen
lässt. Seine großartige Kamelfreiheit, vom Pferd aus vorgeführt, ist in
Stuttgart natürlich auch dabei. Wenn man diese Darbietung gesehen hat,
fragt man sich, ob es im Genre Trampeltierdressur noch eine Steigerung geben
kann. Zum Abschluss lässt er sein Pferd und ein Kamel parallel
knicksen. Für die Pausennummer sorgt Ivan Frederic Knie mit der
ungarischen Post, bei der er zwei unterschiedliche Pole
harmonisch vereint. Einerseits die ganz klassische Post, andererseits die
brandaktuelle Musikbegleitung zum Titelsong der Erfolgsserie „Game of
Thrones“. Seit der Saisonpremiere des Circus Knie hat sich die
Darbietung deutlich weiterentwickelt, inzwischen nimmt er die Leinen
von elf Vorauspferden sicher auf. Dabei unterstützt ihn Maycol Errani in
der Manegenmitte. Nach der Pause hat letzterer gemeinsam mit seinen Brüdern
Guido und Wioris sowie drei Jungs von Spicy Circus noch einen vierten
Auftritt. Ihre rasante Trampolin-Akrobatik macht hier genauso viel Spaß
wie im Circus Knie. Neben dem Auftritt mit Chanel Knie zeigen die
sieben Bingos auch noch das Opening von „Wooow“ als erste artistische
Nummer. Darin kombinieren sie Tanz, Handvoltigen und dem Trio
Bellissimo ähnliche Equilibristik.
Duo Black & White, Silver Power, Alan Sulc
Im
ersten Teil sehen wir zwei spektakuläre Luftdarbietungen. Einerseits
Elena Petrikova und Elena Baranenko als Duo Black & White. Die
Gewinnerinnen des Bronzenen Clowns kommen vom Bolshoi Circus Moskau und
bieten herausragende Tricks. Noch nie so gesehen habe ich den
Schlusstrick, bei dem sich Petrikova mit einem Fuß an Baranenkos Fuß
hängt, während diese im Längsspagat durch die Lüfte schwebt. Chapeau!
In unseren Breitengraden deutlich bekannter ist „Desire of Flight“.
Seit Malvina Abakarovas Unfall im Sommer hat ihre Tochter Katerina den
Platz an Valeriy Sychevs Seite eingenommen. Die großartigen Tricks und
die wunderschöne Inszenierung sind geblieben. Zu den zurzeit besten
Kontorsionisten gehört Alexander Batuev. Der sympathische Russe krönt
seine Kür dadurch, dass er in eine kleine Kiste steigt. Ähnlich biegsam zeigt
sich das Duo Miracle. Der männliche Part des Duos zeigt kontorsionistische
Figuren,
auf denen sie Handstände zelebriert. Das Ganze verpacken die beiden
unglaublich poetisch. Den meisten Circusfreunden sind die
„Goldmenschen“ geläufig, „Silbermenschen“ dagegen eher weniger. Das Duo Silver Power aus Ungarn
demonstriert in langsamem, Kraft kostendem Tempo die
bekannten Abläufe einer guten Hand-auf-Hand-Darbietung. Dabei übernimmt
auch der weibliche Part den tragenden Part in dieser römisch
angehauchten Inszenierung. Riverdance gibt den Takt für Alan Sulcs
großartige Bouncing-Jonglagen vor, die er mit Stepp-Einlagen
anreichert. Das einstige Wunderkind ist inzwischen erwachsen geworden
und beweist dem Stuttgarter Publikum, dass er sich seit seinem letzten
dortigen Engagement 2005 weiterentwickelt hat. Aus der
Nouveau-Cirque-Szene kommt das Duo Sons. Die beiden Schweden haben in
diesem Jahr Bronze in Monte Carlo gewonnen und überzeugen auf dem
Schleuderbrett mit Charme und tollen Tricks wie einem doppelten Salto,
der von beiden Artisten auf beiden Seiten direkt nacheinander
ausgeführt wird.
Gruppe Släpstick
Bleibt
noch der Humor, der in keinem Programm des Weltweihnachtscircus fehlen
darf. Einerseits wurde dafür die Gruppe Släpstick aus den Niederlanden
verpflichtet, die bisher wohl eher in der Theater-Szene bekannt
war. Im ersten Teil machen sie allerlei Unsinn auf
unkonventionellen Instrumenten. Passend vor Alan Sulcs Auftritt steppen
sie dann nach der Pause mit Schlittschuhen, Skiern und typisch
holländischen Holzschuhen. Bei aller Kreativität könnte vor allem der erste
Auftritt einige Kürzungen vertragen. Deutlich bekannter ist Andrey
Jigalov, der bei seiner Stuttgart-Premiere leider nur einen Auftritt
hat. Der Kampf um das Mikrofon, eigentlich ein ganz klassisches Motiv
der Clownerie, wird von ihm (und seinem Partner) modern, liebevoll und
verspielt interpretiert. Damit gehören Jigalov die größten Lacher des
Programms. Zur Einleitung des knapp gehaltenen Finales „singt“ eine
Tänzerin des Circus-Theaters-Bingo eine Happy-Birthday-Version für den
Weltweihnachtscircus. Das toll aufspielende Orchester steht wie gewohnt
unter der Leitung von Markus Jaichner. Schade, dass es so oft durch
Bandmusik ersetzt wird. |