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Weltweihnachtscircus Stuttgart 17/18
www.weltweihnachtscircus.de ; 135 Showfotos

Stuttgart, 27. Dezember 2017: Es ist eine fast unglaubliche Erfolgsstory – der Weltweihnachtscircus Stuttgart spielt heuer zum 25. Mal auf dem Cannstatter Wasen. Dass dieses große Circusereignis alljährlich in Baden-Württembergs Hauptstadt stattfindet, haben wir den Produzenten Henk van der Meijden und Monica Strotmann zu verdanken, aber auch Hetty Vermeulen, die vor Ort die Leitung innehat. Für ihr seit 25 Jahren andauerndes Engagement für den Weltweihnachtscircus bekam Vermeulen bei der Premiere folgerichtig ihren eigenen „Goldenen Clown“ überreicht.

Damals, vor einem Vierteljahrhundert, hatte Klaus Kaulis die Moderation des Programms übernommen. Unvergessen bleibt Peter Goesmann, der diese Rolle seit 1995 mit Nonchalance ausfüllte. Nach seinem unerwarteten Tod im August 2014 war lange unklar, wer diese Aufgabe dauerhaft übernehmen könnte.


Björn Gehrmann im Finale

Nach drei Spielzeiten, in denen zunächst ein Tonband und die Artisten selbst, dann Willer Nicolodi bzw. Martin Bukovsek durch die Programme führten, ist mit Björn Gehrmann nun ein neuer Mann am Start. Er ist unter anderem als Moderator des alljährlichen Events „Internationale Musikparade“ in Stuttgart bekannt und kann mit seiner verbindlich-eleganten Art gerne zu einer Dauerlösung werden.


The Gerlings

Eines der Markenzeichen der Stardust-Produktion sind die vielen großen Truppen aus aller Welt. In diesem Jahr sind es drei Gruppen. In der Mitte des ersten Teils wirklich sehr unterplatziert ist die spektakuläre Schleuderbrett-Darbietung der mongolischen Truppe „Nomuna“. Sie zeigen unter anderem einen fünffachen Salto und gehören damit zu den Spitzenvertretern ihres Genres. Aus der chinesischen Provinz Hebei kommt „die größte Fahrradnummer der Welt“ (Programmheft). Ursprünglich als Schlussnummer platziert, wurden die 18 jungen Frauen und Mädchen in die Mitte des zweiten Teils verlegt. Das mag einerseits daran liegen, dass die ikarischen Spiele und Sprünge von Fahrrad zu Fahrrad nur mit starker Longenunterstützung möglich sind. Andererseits ist die Inszenierung im Vogel-Look alles andere als mitreißend. Zudem stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, derart junge Kinder auftreten zu lassen. Man darf gespannt sein, wie die Gruppe im Januar in Monte Carlo abschneiden wird. Die Position der Schlussnummer haben dafür The Gerlings übernommen. Die acht Kolumbianer krönen ihre Trickfolge mit der Sieben-Mann-Pyramide auf dem Hochseil. Davor mussten sie ihre Abläufe ziemlich zusammenkürzen, was jedoch kein Wunder ist angesichts des mit drei Stunden und zehn Minuten wirklich sehr langen Programms.


Ivan Frederic Knie

Vor 25 Jahren gehörte Jürg Jenny mit seinen Raubtieren zu den bekanntesten Tierlehrern. In diesem Jahr präsentiert uns der Weltweihnachtscircus den aktuellen Star dieses Genres. Martin Lacey jr. ist kurz nach dem Krone-Gastspiel auf den Wasen zurückgekehrt. Da nach der Pause wegen der Fahrrad-Nummer ein Holzboden ausgelegt wird, arbeitet er als erstes. Auch hier glänzt er mit der bekannt-spektakulären Mischung aus großen Gruppenbildern und Tricks mit einzelnen Tieren. In diesem Programm sind Tiernummern der beiden größten Circusse Europas vereint, denn die Familie Knie präsentiert traditionell die Dressuren ihres gerade ausgelaufenen Saisonprogramms an Weihnachten in Stuttgart. Gemeinsam mit dem Circus-Theater Bingo zeigt Chanel Marie Knie ihre Ponydressur zu „Let it go“. Dem schließt sich ihr Vater Maycol Errani mit Steigern an. Zum Abschluss sitzt Chanel auf einem Pony, das Errani vorwärts steigen lässt. Seine großartige Kamelfreiheit, vom Pferd aus vorgeführt, ist in Stuttgart natürlich auch dabei. Wenn man diese Darbietung gesehen hat, fragt man sich, ob es im Genre Trampeltierdressur noch eine Steigerung geben kann. Zum Abschluss lässt er sein Pferd und ein Kamel parallel knicksen. Für die Pausennummer sorgt Ivan Frederic Knie mit der ungarischen Post, bei der er zwei unterschiedliche Pole harmonisch vereint. Einerseits die ganz klassische Post, andererseits die brandaktuelle Musikbegleitung zum Titelsong der Erfolgsserie „Game of Thrones“. Seit der Saisonpremiere des Circus Knie hat sich die Darbietung deutlich weiterentwickelt, inzwischen nimmt er die Leinen von elf Vorauspferden sicher auf. Dabei unterstützt ihn Maycol Errani in der Manegenmitte. Nach der Pause hat letzterer gemeinsam mit seinen Brüdern Guido und Wioris sowie drei Jungs von Spicy Circus noch einen vierten Auftritt. Ihre rasante Trampolin-Akrobatik macht hier genauso viel Spaß wie im Circus Knie. Neben dem Auftritt mit Chanel Knie zeigen die sieben Bingos auch noch das Opening von „Wooow“ als erste artistische Nummer. Darin kombinieren sie Tanz, Handvoltigen und dem Trio Bellissimo ähnliche Equilibristik.


Duo Black & White, Silver Power, Alan Sulc

Im ersten Teil sehen wir zwei spektakuläre Luftdarbietungen. Einerseits Elena Petrikova und Elena Baranenko als Duo Black & White. Die Gewinnerinnen des Bronzenen Clowns kommen vom Bolshoi Circus Moskau und bieten herausragende Tricks. Noch nie so gesehen habe ich den Schlusstrick, bei dem sich Petrikova mit einem Fuß an Baranenkos Fuß hängt, während diese im Längsspagat durch die Lüfte schwebt. Chapeau! In unseren Breitengraden deutlich bekannter ist „Desire of Flight“. Seit Malvina Abakarovas Unfall im Sommer hat ihre Tochter Katerina den Platz an Valeriy Sychevs Seite eingenommen. Die großartigen Tricks und die wunderschöne Inszenierung sind geblieben. Zu den zurzeit besten Kontorsionisten gehört Alexander Batuev. Der sympathische Russe krönt seine Kür dadurch, dass er in eine kleine Kiste steigt. Ähnlich biegsam zeigt sich das Duo Miracle. Der männliche Part des Duos zeigt kontorsionistische Figuren, auf denen sie Handstände zelebriert. Das Ganze verpacken die beiden unglaublich poetisch. Den meisten Circusfreunden sind die „Goldmenschen“ geläufig, „Silbermenschen“ dagegen eher weniger. Das Duo Silver Power aus Ungarn demonstriert in langsamem, Kraft kostendem Tempo die bekannten Abläufe einer guten Hand-auf-Hand-Darbietung. Dabei übernimmt auch der weibliche Part den tragenden Part in dieser römisch angehauchten Inszenierung. Riverdance gibt den Takt für Alan Sulcs großartige Bouncing-Jonglagen vor, die er mit Stepp-Einlagen anreichert. Das einstige Wunderkind ist inzwischen erwachsen geworden und beweist dem Stuttgarter Publikum, dass er sich seit seinem letzten dortigen Engagement 2005 weiterentwickelt hat. Aus der Nouveau-Cirque-Szene kommt das Duo Sons. Die beiden Schweden haben in diesem Jahr Bronze in Monte Carlo gewonnen und überzeugen auf dem Schleuderbrett mit Charme und tollen Tricks wie einem doppelten Salto, der von beiden Artisten auf beiden Seiten direkt nacheinander ausgeführt wird.


Gruppe Släpstick

Bleibt noch der Humor, der in keinem Programm des Weltweihnachtscircus fehlen darf. Einerseits wurde dafür die Gruppe Släpstick aus den Niederlanden verpflichtet, die bisher wohl eher in der Theater-Szene bekannt war. Im ersten Teil machen sie allerlei Unsinn auf unkonventionellen Instrumenten. Passend vor Alan Sulcs Auftritt steppen sie dann nach der Pause mit Schlittschuhen, Skiern und typisch holländischen Holzschuhen. Bei aller Kreativität könnte vor allem der erste Auftritt einige Kürzungen vertragen. Deutlich bekannter ist Andrey Jigalov, der bei seiner Stuttgart-Premiere leider nur einen Auftritt hat. Der Kampf um das Mikrofon, eigentlich ein ganz klassisches Motiv der Clownerie, wird von ihm (und seinem Partner) modern, liebevoll und verspielt interpretiert. Damit gehören Jigalov die größten Lacher des Programms. Zur Einleitung des knapp gehaltenen Finales „singt“ eine Tänzerin des Circus-Theaters-Bingo eine Happy-Birthday-Version für den Weltweihnachtscircus. Das toll aufspielende Orchester steht wie gewohnt unter der Leitung von Markus Jaichner. Schade, dass es so oft durch Bandmusik ersetzt wird.

In den letzten 25 Jahren hat uns Stardust Circus viele tolle Circusmomente geschenkt. Davon lassen sich auch in der aktuellen Ausgabe wieder einige finden, für die erstmals Enrico Caroli die Regie geführt hat. Im letzten Jahr ist Elisa van der Meijden, die Tochter von Henk van der Meijden und Monica Strotmann, in das Unternehmen eingestiegen. Die Zukunft des Weltweihnachtscircus scheint also gesichert. Freuen wir uns auf die nächsten 25 Jahre „hier in Stuttgart“!

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Text: Jonas Haaß; Fotos: Stefan Gierisch