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Cirque d'Hiver Bouglione 2018/19
www.cirquedhiver.com ; 141 Showfotos

Paris, 3. Februar 2019: Mit der gerade zu Ende gegangenen Spielzeit im Cirque d‘Hiver beschloss die Familie Bouglione auch heuer die alljährliche Pariser Winter-Circus-Saison. „Extra“ war die zurückliegende Produktion betitelt. Doch dieses Besondere suchte man vergeblich. Stattdessen boten die Bougliones im Prachtbau an der Rue Amelot ein Programm in ihrem ureigenen Stil: feudales Licht, hervorragende Musik durch Orchester samt Sängerin, eine elegante Präsentation durch die Salto Dancers und Monsieur Loyal Michel Palmer und dazu ein handverlesenes, fein ausgesuchtes Artisten-Ensemble.

So weit, so gut – Überraschungen: Fehlanzeige! Alle Darbietungen waren technisch wie ästhetisch auf einem hohen Niveau, die Gefahr eines Abfalls bei Qualität und Geschmack zu keinen Zeitpunkt gegeben. Und gerade hier lag das Problem, wirkte das Ganze dadurch nämlich eher eintönig und vorhersehbar. Bouglione as usual. Gerade mitreißende Elemente, welche dem Programm mehr Schwung hätten verleihen können, fehlten nahezu.


Steve & Ryan 

Eine herausragende Ausnahme bildeten die beiden Clowns, Steve Copeland und Ryan Combs. Das Duo entpuppte sich als wahre Neuentdeckung. Die äußerst sympathisch wirkenden Amerikaner waren erstmals in Europa. Ihre Auftritte folgten dem selbst gesetzten Motto „Nothing but Nonsense“ - „Nichts als Unsinn“. Besonders herrlich wurde es, wenn beide in bester Slapstick-Manier als „Hausmeister-Service“ eine komplette Garage samt Werkzeug zum Explodieren brachten und die wunderbar plastischen Requisiten, die einem Cartoon entsprungen schienen, durch die Manege flogen. Daneben bewies das Duo auch musikalisches Können auf diversen Instrumenten. Ihr tolles Gespür insbesondere für Mimik zeigte sich auch in der gemeinsamen Wasserschlacht. Im kommenden Winter werden die beiden beim Wereldkerstcircus in Amsterdam zu sehen sein.


Liviu Tudor, Wolf Brothers, Ty Tojo 

Damit nicht genug der komischen Darbietungen, war doch insbesondere die erste Hälfte geprägt von diesen. So produzierten auch David und Richard Wolf ihre Kaskaden im Schottenrock noch vor der Pause, und Liviu Tudor ließ sich zudem beim Tellerdrehen von seinem Hund stören. Insgesamt hätte man somit das Programm im clownesken Bereich sicher ausgewogener gestalten können. Auch akrobatisch waren die Programme im Cirque d‘Hiver – trotz des angesprochenen hohen Niveaus – zuletzt sicherlich schon mal stärker besetzt. Denn eine wirkliche Attraktion gab es diesmal nicht. Dennoch waren vertraute Namen dabei: Ty Tojo beispielsweise lebte durch seinen Stil-Wechsel auf. Das neue Kostüm wirkte jugendlicher, die Präsentation trotz bekannter Musik von seiner Strenge befreit. Die technische Perfektion der Balljonglagen kam so durch den freudigen Verkauf noch besser zur Geltung.


Flying Mendonca 

Die Flying Mendonca, Stammgäste bei Bouglione, eiferten in der Geburtsstätte des Flugtrapezes abermals ihren Vorgängern nach und boten unter anderem die Passage von Fliegerin und Flieger. Auch der Sprung kopfüber aus der Kuppel des ehrwürdigen Circusgebäudes oblag einem weiblichen Truppenmitglied.


Chloé Gardiol,  Andrey Romanovsky, Golden Dream

Bereits vor vier Jahren waren Ambra und Yves Nicols im Cirque d‘Hiver zu Gast. Damals noch mit ihrer Tücher-Darbietung im Tango-Stil, zeigten sie diesmal ihre „Golden Dream“-Inszenierung. Als antike Statuen zog es das Duo immer wieder unter die Kuppel, um dort hervorstechende Tricks bis zum Zahnhang im Adagio zu zelebrieren.  Ebenso in die Luft ging es mit Chloé Gardiol am Luftring. Mit ihren Figuren wie Genick- und Fersenhang sorgte sie für einen sehr ästhetischen Auftritt. Klischnigger Andrey Romanovsky schlüpfte aufs Neue in die Rolle des gelenkigen Schornsteinfegers, der sich abermals in die schmale Röhre zwang und auf den Händen stehend Seil sprang.


Elvis Errani, Duo Frénésie, Regina Bouglione

Den akrobatischen Reigen schloss das Duo Frénésie am chinesischen Mast. Die Nummer von Bénédicte und Simon bestach vor allem durch die ausgestrahlte Harmonie und technische Finessen, etwa wenn sie bei einigen Partnertricks den tragenden Part übernahm. Das Engagement bei Bouglione symbolisierte den bisherigen Höhepunkt einer steilen Karriere dieses Duos. Den Abschluss des Programms indes bildete Elvis Errani mit seinen drei berittenen Elefantendamen. Neben Laufarbeit und Hochsitzen gehörte nach wie vor das Überschreiten des Balletts zum Ablauf; allerdings verlor gerade dieser Trick an Wirkung, da Errani seine Ansagen ans Tier nicht wie anderswo aus dem Publikum heraus tätigte. Die weiteren Tierdressuren wurden der Direktionsfamilie in die Hände gelegt. So präsentierte Regina Bouglione sechs Friesen und ein Pony aus dem Hause Arena (DK) sowie im zweiten Teil Auszüge aus der trickstarken Darbietung mit Tauben und Hund, die ansonsten von Andrejs Fjodorovs angeleitet werden.

Das gewisse „Extra“ zu zeigen, ist gewiss immer eine besondere Herausforderung. Wie passend, dass die Familie Bouglione ihr kommendes Programm genau unter diesem Titel ankündigt. Das Plakat mit Piratenschiff-Motiv jedenfalls lässt auf jene, heuer fehlenden Überraschungen hoffen...

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Tobias Moll