So weit, so gut – Überraschungen:
Fehlanzeige!
Alle Darbietungen waren
technisch wie ästhetisch auf einem hohen Niveau, die Gefahr
eines Abfalls bei Qualität und Geschmack zu keinen Zeitpunkt
gegeben. Und gerade hier lag das Problem, wirkte das Ganze
dadurch nämlich eher eintönig und vorhersehbar. Bouglione as
usual. Gerade mitreißende Elemente, welche dem Programm mehr
Schwung hätten verleihen können, fehlten nahezu.
Steve & Ryan
Eine herausragende Ausnahme
bildeten die beiden Clowns, Steve Copeland und Ryan Combs. Das
Duo entpuppte sich als wahre Neuentdeckung. Die äußerst
sympathisch wirkenden Amerikaner waren erstmals in Europa. Ihre
Auftritte folgten dem selbst gesetzten Motto „Nothing but
Nonsense“ - „Nichts als Unsinn“. Besonders herrlich wurde es,
wenn beide in bester Slapstick-Manier als „Hausmeister-Service“
eine komplette Garage samt Werkzeug zum Explodieren brachten und
die wunderbar plastischen Requisiten, die einem Cartoon
entsprungen schienen, durch die Manege flogen. Daneben bewies
das Duo auch musikalisches Können auf diversen Instrumenten. Ihr
tolles Gespür insbesondere für Mimik zeigte sich auch in der
gemeinsamen Wasserschlacht. Im kommenden Winter werden die
beiden beim Wereldkerstcircus in Amsterdam zu sehen sein.
Liviu Tudor, Wolf Brothers,
Ty Tojo
Damit nicht genug der
komischen Darbietungen, war doch insbesondere die erste Hälfte
geprägt von diesen. So produzierten auch David und Richard Wolf
ihre Kaskaden im Schottenrock noch vor der Pause, und Liviu
Tudor ließ sich zudem beim Tellerdrehen von seinem Hund stören.
Insgesamt hätte man somit das Programm im clownesken Bereich
sicher ausgewogener gestalten können. Auch akrobatisch waren die
Programme im Cirque d‘Hiver – trotz des angesprochenen hohen
Niveaus – zuletzt sicherlich schon mal stärker besetzt. Denn
eine wirkliche Attraktion gab es diesmal nicht. Dennoch waren
vertraute Namen dabei: Ty Tojo beispielsweise lebte durch seinen
Stil-Wechsel auf. Das neue Kostüm wirkte jugendlicher, die
Präsentation trotz bekannter Musik von seiner Strenge befreit.
Die technische Perfektion der Balljonglagen kam so durch den
freudigen Verkauf noch besser zur Geltung.
Flying Mendonca
Die Flying Mendonca,
Stammgäste bei Bouglione, eiferten in der Geburtsstätte des
Flugtrapezes abermals ihren Vorgängern nach und boten unter
anderem die Passage von Fliegerin und Flieger. Auch der Sprung
kopfüber aus der Kuppel des ehrwürdigen Circusgebäudes oblag
einem weiblichen Truppenmitglied.
Chloé Gardiol, Andrey
Romanovsky, Golden Dream
Bereits vor vier Jahren waren
Ambra und Yves Nicols im Cirque d‘Hiver zu Gast. Damals noch mit
ihrer Tücher-Darbietung im Tango-Stil, zeigten sie diesmal ihre
„Golden Dream“-Inszenierung. Als antike Statuen zog es das Duo
immer wieder unter die Kuppel, um dort hervorstechende Tricks
bis zum Zahnhang im Adagio zu zelebrieren. Ebenso in die
Luft ging es mit Chloé Gardiol am Luftring. Mit ihren Figuren
wie Genick- und Fersenhang sorgte sie für einen sehr
ästhetischen Auftritt. Klischnigger Andrey Romanovsky schlüpfte
aufs Neue in die Rolle des gelenkigen Schornsteinfegers, der
sich abermals in die schmale Röhre zwang und auf den Händen
stehend Seil sprang.
Elvis Errani, Duo Frénésie,
Regina Bouglione
Den akrobatischen Reigen
schloss das Duo Frénésie am chinesischen Mast. Die Nummer von
Bénédicte und Simon bestach vor allem durch die ausgestrahlte
Harmonie und technische Finessen, etwa wenn sie bei einigen
Partnertricks den tragenden Part übernahm. Das Engagement bei
Bouglione symbolisierte den bisherigen Höhepunkt einer steilen
Karriere dieses Duos. Den Abschluss des Programms indes bildete
Elvis Errani mit seinen drei berittenen Elefantendamen. Neben
Laufarbeit und Hochsitzen gehörte nach wie vor das Überschreiten
des Balletts zum Ablauf; allerdings verlor gerade dieser Trick
an Wirkung, da Errani seine Ansagen ans Tier nicht wie anderswo
aus dem Publikum heraus tätigte. Die weiteren Tierdressuren
wurden der Direktionsfamilie in die Hände gelegt. So
präsentierte Regina Bouglione sechs Friesen und ein Pony aus dem
Hause Arena (DK) sowie im zweiten Teil Auszüge aus der
trickstarken Darbietung mit Tauben und Hund, die ansonsten von
Andrejs Fjodorovs angeleitet werden. |