War das dritte Gebäude in der
Anfangszeit vollkommen schlicht gestaltet, wurde das heutige
Circus-Dekor in Rot und Gold erst später hinzugefügt. 50 Meter
überspannt die freitragende Kuppel mit ihren 24 Leimholzbindern.
Der Zuschauerraum bietet hervorragende Sicht von allen 2800
Plätzen und eine wunderbare Circus-Atmosphäre. Im Foyer und
Rundgang trifft der Circusfreund bei jedem Besuch bekannte
Gesichter. Und dank der im Winter monatlich wechselnden
Programme hat hier quasi alles gearbeitet, was in der Branche
Rang und Namen hat. Außerhalb der Circus-Spielzeiten traten
sowohl die Beatles als auch die Rolling Stones auf. Unzählige
andere Künstler auch. Die Adresse Marsstraße 43 ist längst zum
magischen Ort geworden. Ein lebendiges Denkmal, das zu München
gehört wie das Hofbräuhaus und das Oktoberfest.
Zsofia Komenda, Jennifer Saabel,
Mitglied der Truppe Bingo
Das erste Winterprogramm 2018/19
lässt zum Beginn der Vorstellung die Geschichte des Stammhauses
Revue passieren – in einem Film mit Bildern aus 100 Jahren
Circus-Tradition, der auf der Leinwand über dem Artisteneingang
läuft. Dann folgt ein Sprung in die Moderne. Eine Formation des
Circus-Theaters Bingo empfängt uns mit „Happy Birthday“ und
einem seiner typischen Openings. Sieben Mädels und zwei Jungs,
allesamt attraktive junge Leute, bringen mit Tanz und
artistischen Kostproben Schwung in den Roten Ring. Hand-auf-Hand-Akrobatik, Hula Hoop und das Rotieren in
Metallgestellen werden miteinander kombiniert. Zu ihren
stylischen Kostümen gehören auch große Zylinder mit
„100“-Emblem. Den Schwung nehmen Jennifer und Kelly Saabel
gleich auf. Ihre Dressur mit sibirischen Huskys und schneeweißen
Samojeden-Spitzen macht immer wieder Freude. Nach Sprüngen,
Fächer und Abliegen sausen die Tiere eine Rutschbahn hinunter und
springen über Hürden. Am Ende ziehen die Vierbeiner ihre
Vorführerinnen im Hundeschlitten aus der Manege. Die ganz großen
artistischen Sensationen werden im Januar nicht geboten. Dafür
wurden einige Darbietungen ausgewählt, die gerade fürs breite
Publikum außergewöhnlich und neuartig wirken dürften. So wie die
kraftvolle Arbeit von Zsofia Komenda am Flying Pole. In großer
Höhe hält sie sich schlussendlich nur noch mit einem Arm am
Requisit. Starker Applaus ist der Lohn.
Kelly Saabel, Jana Mandana
Lacey-Krone sowie Bereiterin, Ruslan Formenko
Direktorin Jana Mandana
Lacey-Krone und James Puydebois dirigieren gemeinsam die beiden
asiatischen Elefantendamen Bara und Burma. Kostüme und Musik –
hier live gespielt – sind aus dem Saisonprogramm „Evolution“
bekannt, die beiden Bereiterinnen von der Truppe Khadgaa. Das
Repertoire mit Lauf- und Postamentarbeit wird flott gearbeitet.
Nochmal heizen die „Bingos“ mit einem Tanz die Stimmung an.
Dabei bewegen sie sich von der Tribüne Richtung Piste. Das
Prädikat außergewöhnlich gilt auch für die Jonglagen von Ruslan
Formenko. Denn er verbindet jeweils zwei Bälle mit einem Seil zu
einem Paar. Bis zu fünf dieser Requisiten schickt er auf die
Reise durch die Luft. Abschließend auch als leuchtende Variante
im Dunkeln. Sein Bruder Andrej assistiert im schwarzen Frack,
während Ruslan im Leoparden-Hemd mit Peace-Symbol auf dem Rücken
einen schrillen 70er-Jahre-Discotyp gibt. Das ist leider mehr
Fasching denn Comedy. Stilvoll dagegen Kelly Saabel als schöne
Elbin aus dem Klassiker „Herr der Ringe“. Auf einem wunderbar
gestalteten Holzboot zeigt sie ihre eleganten Handstände und
beschließt den Auftritt treffsicher mit dem Bogenschuss, mit den
Füßen ausgelöst, auf einen Ballon.
Truppe Khadgaa, Bruno Raffo,
Mitglied der Truppe Bingo
Die Truppe Khadgaa war kurz vor
ihrem Engagement im Saisonprogramm bereits im Krone-Bau zu Gast,
konkret im Februar 2015. Nachdem „Evolution“ ausgelaufen ist,
gibt es nochmal ein Wiedersehen. Als Pausennummer zeigen die
Mongolen – acht Herren und drei Damen – ihre Mischung aus Handvoltigen und Kraftakrobatik in
stimmungsvoll-folkloristischer Aufmachung. „Kommt der Lacey nun,
oder kommt er nicht?“, fragen sich die Besucher neben uns vor
dem Beginn der zweiten Hälfte. Er kommt nicht, denn Martin Lacey
jun. feiert zu dieser Zeit seinen triumphalen Erfolg in Monte
Carlo. Er erhält den „Goldenen Clown mit Auszeichnung“, den
Publikumspreis und den Preis der Kinderjury. Mehr geht nicht.
Dafür lässt er sich vom bis 31. Januar von Bruno Raffo
vertreten. Der macht mit acht Löwen aus dem Bestand von Martin
Lacey jun. einen hervorragenden, professionellen Job. Die Tiere
zeigen Pyramide, Hochsitzer, verschiedene Sprünge, Fächer und
anderes mehr. Doch die Münchner wollen
das Original sehen. „Aber der Dompteur, der Lacey, ist mir schon
abgegangen“, hören wir eine Dame beim Auslass sagen. Martin
Lacey jun. ist zweifellos der Superstar des Circus Krone. Beim
dritten Auftritt der Truppe Bingo zeigen die beiden männlichen
Akteure kraftvolle Akrobatik an den Strapaten. Sie drehen sich,
mit den Füßen noch am Boden, blitzschnell um die eigene Achse,
um sich später bis hoch unter die Kuppel zu schrauben.
Währenddessen tanzen unter ihnen ihre Kolleginnen voller
Energie.
Jones und Steve Caveagna
Herausragend in diesem Programm –
bei
Abwesenheit von Martin Lacey jun. – sind für mich die
Spitzenclowns Steve und Jones Caveagna. Sie übersetzen die
traditionelle Rollenverteilung von August und Weißclown in eine
moderne Form und verzichten auf die typische Schminke. Der extrovertierte Steve übernimmt mit seiner
markanten Stachelfriseur und karierten Shorts den komischen, sein Bruder Jones mit
Hemd und Sakko den seriösen Part. Schon vor Beginn der
Vorstellung wärmt Steve das Publikum an. In den weiteren
Auftritten werden klassische Reprisen zeitgemäß interpretiert.
So wie bei der „Romeo-Szene“, in der die Fehlfunktion der „Dating-App“
auf dem Smartphone für die Pointe sorgt. Nur bei der
„Motorradfahrt“ müssen eine Zuschauerin und ein Zuschauer in der
Manege mitwirken. Vorwiegend sind die Italiener lieber selbst
komisch. Zum Beispiel bei ihrem Musikalentree. Jones will
musizieren, Steve stört mit Hip Hop-Klängen aus dem Smartphone.
Am Ende folgt die Versöhnung. Später beweist Steve Caveagna,
dass er auch ein hervorragender Artist ist. Dann, wenn er
ausdauernd vier Diabolos fliegen lässt.
Jana Mandana Lacey-Krone, Truppe
Khadgaa
Jana Mandana Lacey-Krone überzeugt mit
ihrer gut laufenden Freiheitsdressur. Fünf Falben und vier Cremellos beherrschen anspruchsvolle Figuren. Farbwechsel,
Gegenlauf und Fächer gehören dazu. Die Falben steigen gemeinsam
und verlassen rückwärts laufend die Manege. Ein ausdauernder
Rückwärts- und Vorwärtssteiger bildet den Abschluss. Mit dem temporeichen, aber
etwas kurzen Seilspringen übernimmt die Truppe Khadgaa auch die
Schlussnummer. Man hätte sich ebenso die wesentlich stärkere
Kraftakrobatik an dieser Position vorstellen können. Ein wenig
schade ist, dass alle artistischen Nummern von Bandmusik
begleitet werden. Man hätte dem großen, famosen Orchester unter
der Leitung von Oleksandr Krasyun mehr Einsätze gegönnt. |