Mit den anwesenden Künstlern
hätten andere fünf Stunden Programm gefüllt. Nicht so Flic Flac.
Hier werden die einzelnen Nummern wie Videoclips scharf
aneinander geschnitten oder gehen fließend ineinander über. Hier
bleibt für lange Schlusskomplimente keine Zeit. Es geht Schlag
auf Schlag. Was den zeitlichen Rahmen sprengen würde, wird
gestrafft oder gestrichen. Andere machen Circus wie
Vollwaschpulver, in Nürnberg gibt es die Mega-Pearls:
konzentriert und in der Wirkung gesteigert. Ja, hier wurde mit
Achtmaster, Bogenmast-Chapiteau und nun klassischem Viermaster
schon alles aufgebaut, was Flic Flac an Zeltkonstruktionen im
Portfolio hatte oder noch hat. Aber dennoch ist das Ambiente
großartig, wenn man den Schneematsch auf dem Parkplatz hinter
sich gelassen hat. Durch Türen und den anschließenden Durchgang
führt der Weg ins edel ausgestattete Vorzelt mit
Lichter-Sternenhimmel. Neben den verschiedenen Verkaufsständen
steht rechts ein erhöhter Lounge-Bereich mit bequemen Sitzmöbeln
und Tischen zur Verfügung. Links sind Wände mit cool
hinterleuchteten Fotos aus Flic Flac-Shows aufgebaut. Sie sind
auch Sichtschutz vor den Zugängen zu den direkt ans Zelt
angedockten Sanitärcontainern. Und über dem Zugang zum Hauptzelt
prangt eine große LED-Wand. Sie liefert vor der Vorstellung
Informationen zur Show, zählt in der Pause die Minuten bis zum
Beginn des zweiten Teils herunter und dankt beim Auslass für den
Besuch.
Elayne Kramer, Truppe Zola, Chi
Han Chao
Wie in der Produktion "Höchstrafe"
ist der Artisteneingang als Bogen aus Metallboxen gestaltet, in
dem die Live-Band ihren Platz findet. Sie unterstützt den
Sprechgesang von Rapper Robin Gerhardt alias „Dizzepticon“. Chi
Han Chao eröffnet das Programm und gewinnt dem Diabolo-Genre
neue, mir bislang unbekannte Seiten ab: Er lässt ein Diabolo
über zwei verschiedene, quasi halbierte Seile mit nur einem Stab
tanzen; in jeder Hand hält er eine dieser "Peitschen". Zur
Steigerung fliegen zwei Diabolos über zwei herkömmliche Seile.
Auch davon hält er in jeder Hand eines. Im fliegenden Wechsel
kommt die Truppe Zola von der Tribünentreppe auf die Rundbühne.
Im ersten Auftritt in dieser Vorstellung kombinieren die
Mongolen Handvoltigen und Seilspringen, letzteres auch im
Drei-Mann-Hoch. Nach ihrer Nummer legen sich die Akrobaten auf
die Bühne, und Elayne Kramer läuft über ihre Körper zu ihrem
Podium. So lässt sich schon anhand der ersten drei Nummern
beschreiben, wie in dieser Show eins ins andere fließt, ohne
wahrnehmbare Umbaupausen. Die junge hübsche Artistin krönt ihre
Handstände und Kontorsionen mit Mundstand und Bogenschuss. Sie
löst den Pfeil mit den Füßen aus und zielt treffsicher auf einen
Luftballon.
Jason Brügger, Elena Drogaleva, David Erikson
In der ersten Showhälfte ist
David Erikson, der "King Kong of Ping Pong", für die Comedy
zuständig. Er war auch schon in der Produktion "Freaks" aus dem
Hause Flic Flac vertreten, mit deren Titel sein Wirken schon
ganz gut beschrieben ist. In der rosa Badepant präsentiert er
Pingpongball-Bouncingjonglagen mit dem Mund. Im Handstand lässt
er die kleinen Bälle gegen den Boden eines umgedreht stehenden
Eimers fliegen und fängt sie wieder. Bei den Auftritten Nummer
zwei und drei fängt er zugeworfene Äpfel via Stachel-Helm sowie
Stachel-Lendenschurz und steckt sich fünf Pingpong-Bälle in den
Mund. Gute Bekannte sind Elena Drogaleva and her Gentlemen. In
für Flic Flac angepassten Kostümen, aber zur Originalmusik
jonglieren sie mit ihren Keulen unvergleichlich elegant über
mehrere Ebenen. Nicht zum ersten Mal in einer Flic
Flac-Winterproduktion zu Gast ist Jason Brügger. Zum Song "Run
Boy Run" beweist er Kraft und Können an den Strapaten und
verabschiedet sich schließlich mit einem Abfaller aus dem
Seitspagat.
Tufyaevs
Die zweite große Truppe, die wir
hier erleben, sind die Tufyaevs am Russischen Barren. Zunächst
werden an zwei Barren von zwei Fliegern gleichzeitig synchrone
Tricks gearbeitet. Später tauschen Fliegerin und Flieger ihre
Plätze – sie vom Barren aus, er von den Händen zweier Partner,
die ihn in die Luft katapultieren. Der letzte Flug führt vom
Russischen Barren auf eine viel schmalere Variante des
Requisits. Hier muss die Fliegerin bei der Landung jedoch
gestützt werden.
Flying Heroes, Mad
Flying Bikes
Truppe Nummer drei sind die fünf
Freefighter von "Mad Flying Bikes". Der Name ist Programm, denn
die Hasardeure starten von der Schanze im zentralen
Treppenaufgang der Tribüne zu ihren waghalsigen Manövern in der
Luft. Gelandet wird auf der Rampe im Artisteneingang. Zum
Abschluss fliegen alle Mitglieder des Quintetts in dichter
Abfolge durchs Chapiteau. Unzählige Besucher halten das
Geschehen in Smartphone-Videos fest - ein moderner Gradmesser
der Begeisterung. Die Flying Heroes als Truppe Nummer vier
verfügen über einen gewaltigen Apparat. Das klassische
Flugtrapez ist um eine Reckstange und einen zweiten Fänger
erweitert. So werden interessante Flugkombinationen zwischen den
Stationen möglich. Der "Dreifache" scheitert an diesem
Nachmittag jedoch knapp und wird auch nicht wiederholt; eine
Passage wird nicht gezeigt. So ist der klassische "Todessturz"
aus der Kuppel ins Netz der Abschluss.
Stars above the World, Cotton McAloon, Vladimir Omelchenko
Mit Partnerakrobatik und
Handvoltigen begeistern die jungen Damen von „Stars above the
World“ das Publikum. Sie bestechen mit starken Tricks und toller
Ausstrahlung. Ist dieses Trio eher eine Neuentdeckung, gehört
Cotton McAloon seit Jahren zu den Dauergästen in Flic
Flac-Produktionen. „Halb Amerikaner, halb Franzose“ räumt er mit
seiner Mischung aus Sprach-Kauderwelsch, schlüpfrigen Witzen
sowie Ball- und Keulenjonglagen an diesem Nachmittag total ab.
Vladimir Omelchenko war für mich bisher ein zirzensisches „One
Hit Wonder“: Vor drei Jahren lieferte er die große Überraschung
im Programm des Heilbronner Weihnachtscircus, überzeugte bereits
dort mit seinem extrovertierten Auftreten und immer größer
werdenden Türmen auf der Rola Rola. Danach durfte ich ihn nie
wieder erleben. Umso erfreulicher ist das Wiedersehen in dieser
Flic Flac-Show.
Truppe Zola, Barto, Vladik
Myagkostoupov
Bestens bekannt ist natürlich
Klischnigger Barto. Zum Abbau des Flugtrapezes lässt er
Toilettenpapier mit einem Gebläse fliegen, in seinem einzigen
größeren Auftritt zwängt er sich durch einen handelsüblichen
Draht-Kleiderbügel. Das ist immer wieder lustig und liebenswert
zugleich. Doch diese Show hat auch interessante Neuentdeckungen
zu bieten. So wie die Jonglagen von Vladik Myagkostoupov. Dieser
fliegt bei seinen Balljonglagen, an zwei Seilen hängend, durch
die Luft und kombiniert dies mit Überschlägen. Zurück am Boden,
werden auch Ball- und Keulenjonglage miteinander verbunden. Der
sympathische Künstler hält bis zu sieben Bälle und bis zu fünf
Keulen in der Luft. Seine zugleich starke und originelle Nummer
hat an vorletzter Position im Programm zu Recht eine prominente
Stellung inne. Nun würde als Schlussnummer und fünfte Truppe
eigentlich die Mastennummer „The Ninth Wave“ folgen. Sie ist an
diesem letzten Gastspielwochenende bereits nach Monte Carlo
weitergereist ist und wird dort wenig später mit einem Silbernen
Clown ausgezeichnet. So darf die Truppe Zola ihre Kunst auf dem
Schleuderbrett zeigen, bis hin zu Sprüngen zum
Vier-Personen-Hoch bzw. zum Fünf-Mann-Hoch mit Stange. |