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Aachener Weihnachtscircus 2019/20
www.weihnachtscircus-aachen.eu ; 165 Showfotos

Aachen, 30. Dezember 2019: Beim Verlassen des Vorzelts bekommen die Besucher eine Aachener Printe mit auf den Heimweg. Nicht irgendeine, sondern eine spezielle Weihnachtscircus-Printe der Traditionsbäckerei Nobis. Und die schmeckt. Ein Genuss für den Gaumen. In den zweieinhalb Stunden davor wurden vor allen Dingen Augen und Ohren des Publikums verwöhnt. Mit seiner Show „Printissimo“ bietet der Aachener Weihnachtscircus ausgewählte Artistik, Humor für verschiedene Geschmäcker, eine Tiernummer und große Illusionen.

Das alles in einer liebevollen weihnachtlichen Inszenierung mit Ballett und Sängerin. Gespielt wird in rot-gelben Zeltanlagen, die von John Roberts aus Großbritannien kommen. Von außen wirken sie eindrucksvoll. Sitzt man im Chapiteau, erscheint es etwas zu groß, zu hoch für diese charmante Produktion. Zumindest mir geht es so. Erst im zweiten Teil packt mich die eigentlich durchgängig starke Show so richtig. Ich führe es ein gutes Stück auf die Zeltarchitektur zurück. Ein Gradin mit Klappsitzen sowie Stühle in den Logen sorgen für einen bequemen Aufenthalt.


Zeltanlagen auf dem Bendplatz

Im Vorzelt gibt es neben den Circus-typischen Leckereien auch Cocktails. Hinzu kommt, dass der Service ungeheuer freundlich ist. Das mag ein Detail sein, aber eines, das in Erinnerung bleibt und letztendlich für eine positive Bewertung des Circusbesuchs sorgt. Thomas Merz hat wiederum die Produktionsleitung inne. Thomas Bruchhäuser und Sandor Donnert sind für die Regie verantwortlich. Donnert kümmert sich zudem um die Technik. Veranstalter ist die Frohes Fest Event GmbH mit Geschäftsführer Thomas Schütte.


Finale mit Ruth Calixta und Monsieur Momo

Tauchen wir nun also ein in die weihnachtliche Circuswelt. Das Opening ist wunderbar gelungen. Nach der Begrüßungsansage durch Thomas Merz treibt Monsieur Momo seine ersten Späße und konserviert den Applaus des Publikums in einem kleinen Koffer. Doch die Freude währt nur kurz. Sandor Donnert drückt dem Clown einen Besen in die Hand und verdonnert ihn zum Arbeiten. Wie in einem Traum erlebt er den weiteren Verlauf des Eröffnungsbilds. Fünf Ballerinen und ein Lebkuchenmann tanzen um einen Weihnachtsbaum, unter dem Geschenke liegen. Wir hören zum ersten Mal an diesem Nachmittag die beeindruckende Stimme von Ruth Calixta und erleben ihre bemerkenswerte Präsenz. Im vergangenen Sommer war die Sängerin in der Dinnershow Son Amar auf Mallorca zu erleben. Während der Sommersaison 2020 geht sie mit dem dänischen Cirkus Arena auf Tournee. Sie hat einen weiteren Auftritt während der Show. Im Finale erscheint sie als Weihnachtsengel mit großen weißen Flügeln. Den Weihnachtsengel Nummer zwei bei der Verabschiedung gibt Monsieur Momo. Sein Kostüm ist nicht ganz so elegant wie das von Ruth Calixta. Dafür schwebt er aber zwischen zig Schneeflocken über den Artisten. Und natürlich ist Timo Lesniewski, wie der Clown mit bürgerlichem Namen heißt, immer wieder zu erleben. Er wurde an der Clown- und Theaterschule in Hannover ausgebildet und verkörpert den Typ Clown, der verträumt durchs Leben geht, es aber faustdick hinter den Ohren hat. Das macht Monsieur Momo ganz hinreißend. Er greift ein paar bekannte Ideen auf und setzt sie eigenständig um. So etwa das Zerschießen eines Luftballons mit einem Bogen, der ebenfalls aus einem (länglichen) Ballon besteht. Hinzu kommen neue Geschichten, die ich so bislang noch nicht gesehen habe. Hier sei die Zaubershow genannt. Dabei wird aus einem Ballon ein Hund geknotet, der das Kommando „Platz“ mit einem Knalleffekt befolgt.


Truppe Erdene, Naoto, Jidini Magic

Artistisch wird das Programm durch die zehnköpfige Truppe Erdene mit Seilspringen in den abgefahrensten Varianten eröffnet. In Karohemden und Jeans bringt die junge Formation aus der Mongolei gleich ordentlich Schwung in die Manege. Das Duo Mauro und Mary zieht unsere Blicke Richtung Kuppel. Artistik an der Luftperche ist aktuell selten zu sehen. Andres Mauricio und Marisol zeigen daran gewagte Haltefiguren und vor allen Dingen Handvoltigen. Ausgelassen gestaltet sich Pat Clarrisons Dressur mit Hunden verschiedener Rassen, die rund um einen Hot Dog-Stand spielt. Bei der Vorführung der Vierbeiner wird der Brite von Partnerin Pip mit viel Witz und Esprit unterstützt. Aufgrund seiner kleinen Requisiten hat Naoto in diesem Programm wohl die anspruchsvollste Herausforderung, das Publikum im großen Chapiteau zu erreichen. Doch der 31-jährige Japaner ist nicht nur zweimaliger Yoyo-Weltmeister, sondern auch ein guter Performer. Zu moderner Musik lässt er seine orangenen „Spielzeuge“ an langer Schnur virtuos durch die Luft fliegen. Steve Rawlings ist der zweite Vertreter der Sparte Komik in dieser Ausgabe des Aachener Weihnachtscircus. Mit seiner rauen Stimme erzählt er in einer wilden deutsch-englischen Mischung seine Storys und bildet damit den Kontrapunkt zum ruhigen Monsieur Momo. Viel gesprochen wird ebenfalls bei seinen Jonglagen, die er nicht nur mit Bällen sowie Fackeln vollführt, sondern auch mit Tisch, Stuhl und Vase. Zu Klaviermusik verwöhnt uns Olesya Fedotova mit einer sinnlichen Handstand-Kür. Wunderbar von der Lichtregie in Szene gesetzt, hält sie sich elegant auf einem oder zwei Armen im Gleichgewicht. Als Clou baut sie einen blauen Ball in ihre Darbietung ein, den sie mit verschiedenen Körperteilen festhält. Den Begriff „Großillusionen“ wörtlich nehmen darf man bei Jidini Magic. Der Franzose Frédéric René Schulz hat nicht nur große Tricks mit großen Requisiten auf Lager, er zelebriert zudem die große Show. Seine flotten Girls lässt er auf einem Motorrad sitzend aus dem Nichts erscheinen oder schießt sie von einer futuristischen Apparatur in eine andere. Mit weit weniger Aufwand, aber nicht weniger Wirkung zaubert Monsieur Momo die Pause herbei.


Duo Idols, Michael Evolution, Alain Alegria

Teil zwei wird vom Ballett in Weihnachtsfrauenkostümen eingeleitet. Die Bartigerzz sind neben D’Holmikers die einzige mir bekannte Formation, die an einem Barren in der Circusmanege arbeitet. Vier muskulöse junge Männer aus Frankreich lassen die Herzen der Zuschauerinnen höher schlagen. Das gesamte Publikum begeistern sie mit kraftvollen Übungen an den zwei parallelen Metallstangen. Auf seine unnachahmliche Art balanciert Steve Rawlings mehrere Golfschläger auf dem Kinn. Der Gast, den er einbezieht, darf ein Tischtuch wegziehen, ohne das darauf stehende Geschirr zu beschädigen. Den artistischen Höhepunkt der Show bildet für mich das Duo Idols. Choreographie, Ausstrahlung und akrobatisches Können, sie überzeugen mit allem. Die Inszenierung an den Strapaten von Alexey Turchenko und Yulia Makeeva enthält ferner einen Schuss Nervenkitzel, denn viele Tricks sind nicht ungefährlich. Dazu gibt es ein wirkungsvoll unterstützendes Licht. Streetstyle ist bei Michael Evolution angesagt. Der coole Niederländer wirbelt mit Basketbällen umher, dass einem schwindelig wird. Wie die Bartigerzz bringt er seinen Sport unter ein Chapiteau und interpretiert ihn showgerecht neu. Eine circensische Familientradition führt Alain Alegria fort. Wie sein Onkel Sabu fasziniert er mit waghalsigen Balancen auf dem Washington-Trapez. Sowohl am ruhenden als auch am schwingenden Trapez arbeitet er halsbrecherische Tricks über den Köpfen der Zuschauer. Die Truppe Erdene beschließt am Schleuderbrett die Spielfolge. In Piratenkostümen katapultieren sich die Mongolen gegenseitig in die Luft. Es entstehen hohe Menschentürme mit und ohne Perchestange als Unterstützung.

Dieser Aachener Weihnachtscircus verbindet aufs Schönste internationale Circuskunst mit Aachener Weihnachtstradition. Das Kunstwort „Printissimo“ vereint in aller Kürze beides und ist somit der ideale Titel für die Produktion. Mit viel Liebe zum Detail haben die Macher eine starke, aber eben auch charmante Show erschaffen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch