Das
alles in einer liebevollen weihnachtlichen Inszenierung mit Ballett und
Sängerin. Gespielt wird in rot-gelben Zeltanlagen, die von John Roberts
aus Großbritannien kommen. Von außen wirken sie eindrucksvoll. Sitzt
man im Chapiteau, erscheint es etwas zu groß, zu hoch für diese
charmante Produktion. Zumindest mir geht es so. Erst im zweiten Teil
packt mich die eigentlich durchgängig starke Show so richtig. Ich führe
es ein gutes Stück auf die Zeltarchitektur zurück. Ein Gradin mit
Klappsitzen sowie Stühle in den Logen sorgen für einen bequemen
Aufenthalt.
Zeltanlagen auf dem Bendplatz
Im
Vorzelt gibt es neben den Circus-typischen Leckereien auch Cocktails.
Hinzu kommt, dass der Service ungeheuer freundlich ist. Das mag ein
Detail sein, aber eines, das in Erinnerung bleibt und letztendlich für
eine positive Bewertung des Circusbesuchs sorgt. Thomas Merz hat
wiederum die Produktionsleitung inne. Thomas Bruchhäuser und Sandor
Donnert sind für die Regie verantwortlich. Donnert kümmert sich zudem
um die Technik. Veranstalter ist die Frohes Fest Event GmbH mit
Geschäftsführer Thomas Schütte.
Finale mit Ruth Calixta und Monsieur Momo
Tauchen
wir nun also ein in die weihnachtliche Circuswelt. Das Opening ist
wunderbar gelungen. Nach der Begrüßungsansage durch Thomas Merz treibt
Monsieur Momo seine ersten Späße und konserviert den Applaus des
Publikums in einem kleinen Koffer. Doch die Freude währt nur kurz.
Sandor Donnert drückt dem Clown einen Besen in die Hand und verdonnert
ihn zum Arbeiten. Wie in einem Traum erlebt er den weiteren Verlauf des
Eröffnungsbilds. Fünf Ballerinen und ein Lebkuchenmann tanzen um einen
Weihnachtsbaum, unter dem Geschenke liegen. Wir hören zum ersten Mal an
diesem Nachmittag die beeindruckende Stimme von Ruth Calixta und
erleben ihre bemerkenswerte Präsenz. Im vergangenen Sommer war die
Sängerin in der Dinnershow Son Amar auf Mallorca zu erleben. Während
der Sommersaison 2020 geht sie mit dem dänischen Cirkus Arena auf
Tournee. Sie hat einen weiteren Auftritt während der Show. Im Finale
erscheint sie als Weihnachtsengel mit großen weißen Flügeln. Den
Weihnachtsengel Nummer zwei bei der Verabschiedung gibt Monsieur Momo.
Sein Kostüm ist nicht ganz so elegant wie das von Ruth Calixta. Dafür
schwebt er aber zwischen zig Schneeflocken über den Artisten. Und
natürlich ist Timo Lesniewski, wie der Clown mit bürgerlichem Namen
heißt, immer wieder zu erleben. Er wurde an der Clown- und
Theaterschule in Hannover ausgebildet und verkörpert den Typ Clown, der
verträumt durchs Leben geht, es aber faustdick hinter den Ohren hat.
Das macht Monsieur Momo ganz hinreißend. Er greift ein paar bekannte
Ideen auf und setzt sie eigenständig um. So etwa das Zerschießen eines
Luftballons mit einem Bogen, der ebenfalls aus einem (länglichen)
Ballon besteht. Hinzu kommen neue Geschichten, die ich so bislang noch
nicht gesehen habe.
Hier sei die Zaubershow genannt. Dabei wird aus einem Ballon
ein Hund geknotet, der das Kommando „Platz“ mit einem
Knalleffekt befolgt.
Truppe Erdene, Naoto, Jidini Magic
Artistisch
wird das Programm durch die zehnköpfige Truppe Erdene mit Seilspringen
in den abgefahrensten Varianten eröffnet. In Karohemden und Jeans
bringt die junge Formation aus der Mongolei gleich ordentlich Schwung
in die Manege. Das Duo Mauro und Mary zieht unsere Blicke Richtung
Kuppel. Artistik an der Luftperche ist aktuell selten zu sehen. Andres
Mauricio und Marisol zeigen daran gewagte Haltefiguren und vor allen
Dingen Handvoltigen. Ausgelassen gestaltet sich Pat
Clarrisons Dressur mit Hunden verschiedener Rassen, die rund um einen
Hot Dog-Stand spielt. Bei der Vorführung der Vierbeiner wird der Brite
von Partnerin Pip mit viel Witz und Esprit unterstützt. Aufgrund seiner
kleinen Requisiten hat Naoto in diesem Programm wohl die
anspruchsvollste Herausforderung, das Publikum im großen Chapiteau zu
erreichen. Doch der 31-jährige Japaner ist nicht nur zweimaliger
Yoyo-Weltmeister, sondern auch ein guter Performer. Zu moderner Musik
lässt er seine orangenen „Spielzeuge“ an langer Schnur virtuos durch
die Luft fliegen. Steve Rawlings ist der zweite Vertreter der Sparte
Komik in dieser Ausgabe des Aachener Weihnachtscircus. Mit seiner rauen
Stimme erzählt er in einer wilden deutsch-englischen Mischung seine
Storys und bildet damit den Kontrapunkt zum ruhigen Monsieur Momo. Viel
gesprochen wird ebenfalls bei seinen Jonglagen, die er nicht nur mit
Bällen sowie Fackeln vollführt, sondern auch mit Tisch, Stuhl und Vase.
Zu Klaviermusik verwöhnt uns Olesya Fedotova mit einer sinnlichen
Handstand-Kür. Wunderbar von der Lichtregie in Szene gesetzt, hält sie
sich elegant auf einem oder zwei Armen im Gleichgewicht. Als Clou baut
sie einen blauen Ball in ihre Darbietung ein, den sie mit verschiedenen
Körperteilen festhält. Den Begriff „Großillusionen“ wörtlich nehmen
darf man bei Jidini Magic. Der Franzose Frédéric René Schulz hat nicht
nur große Tricks mit großen Requisiten auf Lager, er zelebriert zudem
die große Show. Seine flotten Girls lässt er auf einem Motorrad sitzend
aus dem Nichts erscheinen oder schießt sie von einer futuristischen
Apparatur in eine andere. Mit weit weniger Aufwand, aber nicht weniger
Wirkung zaubert Monsieur Momo die Pause herbei.
Duo Idols,
Michael Evolution, Alain Alegria
Teil zwei wird
vom Ballett in Weihnachtsfrauenkostümen eingeleitet. Die
Bartigerzz sind neben D’Holmikers die einzige mir bekannte
Formation, die an einem Barren in der Circusmanege arbeitet.
Vier muskulöse junge Männer aus Frankreich lassen die Herzen
der Zuschauerinnen höher schlagen. Das gesamte Publikum
begeistern sie mit kraftvollen Übungen an den zwei parallelen
Metallstangen. Auf seine unnachahmliche Art balanciert Steve
Rawlings mehrere Golfschläger auf dem Kinn. Der Gast, den er
einbezieht, darf ein Tischtuch wegziehen, ohne das darauf
stehende Geschirr zu beschädigen. Den artistischen Höhepunkt
der Show bildet für mich das Duo Idols. Choreographie,
Ausstrahlung und akrobatisches Können, sie überzeugen mit
allem. Die Inszenierung an den Strapaten von Alexey Turchenko
und Yulia Makeeva enthält ferner einen Schuss Nervenkitzel,
denn viele Tricks sind nicht ungefährlich. Dazu gibt es ein
wirkungsvoll unterstützendes Licht. Streetstyle ist bei
Michael Evolution angesagt. Der coole Niederländer wirbelt mit
Basketbällen umher, dass einem schwindelig wird. Wie die
Bartigerzz bringt er seinen Sport unter ein Chapiteau und
interpretiert ihn showgerecht neu. Eine circensische
Familientradition führt Alain Alegria fort. Wie sein Onkel
Sabu fasziniert er mit waghalsigen Balancen auf dem
Washington-Trapez. Sowohl am ruhenden als auch am schwingenden
Trapez arbeitet er halsbrecherische Tricks über den Köpfen der
Zuschauer. Die Truppe Erdene beschließt am Schleuderbrett die
Spielfolge. In Piratenkostümen katapultieren sich die Mongolen
gegenseitig in die Luft. Es entstehen hohe Menschentürme mit
und ohne Perchestange als Unterstützung.
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