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Gelsenkirchener Weihnachtscircus 22/23
www.gelsenkirchener-weihnachtscircus.de ; 175 Showfotos

Gelsenkirchen, 29. Dezember 2022: Die letzten Jahre waren für den Circus Probst mit vielen Herausforderungen verbunden: die Pandemie-bedingte Zwangspause, der Umzug in ein neues Winterquartier, der Wiederbeginn nach Corona sowie der Tod der ältesten Tochter Sonja im Mai 2021. Ihr widmet das hochwertige Programmheft eine Doppelseite mit Fotos und einem Nachruf von Circuspfarrer Sascha Ellinghaus. Dann noch der vorübergehende Wegfall des bislang genutzten Revierparks Nienhausen als Spielort des Gelsenkirchener Weihnachtscircus.

Und das ausgerechnet zum 25-Jahr-Jubiläum. Doch die Familie von Reinhard und Brigitte Probst ließ sich von all dem nicht unterkriegen. Mit dem Freigelände Europastraße wurde ein Ersatz-Standplatz gefunden, der während des Umbaus des Revierparks genutzt werden kann. Zufällig liegt dieser neue Platz unweit des ehemaligen Wildenbruchplatzes, wo 1997 alles begann. Nun steht dort das imposante, rot-gelb gestreifte Chapiteau mit Platz für 1800 Zuschauer. Das große Vorzelt ist wiederum ausschweifend weihnachtlich dekoriert und beinhaltet die bestens ausgestattete Restauration.


Szene mit der Probst-Dance-Crew, Alisson Bonnefoy und Lukas Johne

Doch das sind nur die Rahmenbedingungen für eine Show, die schlichtweg sensationell ist. Eine gigantische Produktion unter dem Titel „Celebration!“, die dem Geburtstag mehr als gerecht wird. Es ist eine Revue, die die Geschichte des Gelsenkirchener Weihnachtscircus aufgreift, ihn und den Circus allgemein regelrecht feiert. Das Ballett besteht aus etlichen Tänzerinnen, Artistinnen ergänzen die Probst-Dance-Crew, für die laut dem aufwendigen Programmheft über fantastische 100 Kostüme angefertigt wurden. Sechs Musiker sorgen für tolle Livemusik, das Lichtdesign ist grandios. Wie gewohnt begleitet uns Carmen Leyseck durch den Abend. Doch in diesem Winter gibt es noch zwei weitere Conferenciers. Alisson Bonnefoy und Lukas Johne sind beides Schauspieler sowie Sänger. Insbesondere die Französin Alisson Bonnefoy begeistert mit einer Wahnsinns-Stimme. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Präsenz. Beide Vokalisten unterhalten uns bestens mit ihren eingängigen Songs. Wunderbar auch die Szene, in der Carmen Leyseck die vergangenen 25 Jahre aus ihrer Perspektive als Mitwirkende Revue passieren lässt. Alisson Bonnefoy tut dies kurz darauf aus ihrem bisherigen Blick als Zuschauerin. Hinreißend in Szene gesetzt hat all das wieder Anett Simmen. Wir erleben einen Ablauf aus einem Guss ohne Längen. Genuss von der ersten bis zur letzten Minute.


Rudi Brukson und John Leyseck, Elena Brukson

Bevor es so richtig losgeht, bringen die Clowns das Publikum in Schwung. Gleich drei Spaßmacher gönnt sich diese Show. Da ist Rudi Brukson, der bereits mit dem Circus Probst auf Tournee war, hinzu kommen John (Leyseck) und Jim Bim (Sergiu Mosanu). Wir erleben sie später im Solo sowie Duo. Das Ballett eröffnet das große Opening mit der ersten Choreographie. Durch ein von den Tänzerinnen gebildetes Spalier kommen die weiteren Mitwirkenden herein. Sängerin und Sänger untermalen dieses herrliche Bild mit einem Duett. An roten Tüchern lenkt Elena Brukson die Blicke Richtung Kuppel. In ihrer Kür präsentiert sie schöne artistische Figuren und rasante Abfaller. Zurück in die Manege geht es mit der Truppe Suba weiter. Die Formation aus der Mongolei beweist, dass Seilspringen viel mehr sein kann als ein Kinderspiel. Hier werden mehrere Taue über Kreuz geschwungen, Salti gesprungen oder aber es hüpft gleich ein Turm aus drei Personen über das rotierende Seil. Turbulente Jonglagen mit Tellern, Besteck und Eiern erleben wir, wenn uns Rudi Brukson mit in seine Küche nimmt.


Kristina Kostova, Raquel, Stephanie Probst

In der nächsten großen Szene bringen die Tänzerinnen weiße Würfel herein. Diese dienen in verschieden aufgestellten Formationen als Kulisse für ein Duett von Alisson Bonnefoy und Lukas Johne. Bonnefoy begleitet gesanglich auch den folgenden Auftritt von Kristina Kostova. Ein Turm aus Würfeln bildet den Hintergrund, wenn Kostova sehr gewinnend Handstände in den unterschiedlichsten Variationen arbeitet. Die anspruchsvollen Tricks absolviert sie sowohl auf einem als auch auf zwei Händen. Dann erscheint wieder das Ballett, selbstredend in neuen Kleidern. Mit Regenschirmen leiten die Damen die Artistik von Raquel ein. Darin sehen wir die junge Frau an einem überdimensionalen Schirm, mit dem sie Richtung Kuppel gezogen wird. Die Kunststücke präsentiert sie am unteren Ende des Requisits, mithin also an einer Art halbem Luftring. Dieses innovative Arbeitsgerät ermöglicht mithin neuartige Bilder. Mal fliegt Raquel dabei über der Manege, mal ist der Schirm in Ruhe. Noch einmal werden die weißen Würfel neu angeordnet. Jetzt lenkt Stephanie Probst schwarze Pferde im Slalom darum. Wenn das Sägemehl dann wieder komplett freigeräumt ist, dirigiert die Tierlehrerin einen Sechserzug weißer Araber in Freiheit. Wie gewohnt leitet Stephanie Probst die anspruchsvolle Trickfolge souverän an. Die Lauffiguren werden durch einem Steiger ergänzt. Eine wunderschöne Dressurnummer. Leider die einzige in diesem Programm.


Flying Souza, Carmen Leyseck und Jim Bim

Für sein Konzert mit Glocken bedient sich Rudi Bruskon im dunklen Frack der Mithilfe mehrerer Zuschauer, die die Instrumente auf sein Kommando hin zum Klingen bringen müssen. In den Aufgängen des Gradins und im Zuschauereingang haben die Tänzerinnen ihren nächsten Einsatz. Auch Sängerin Alisson Bonnefoy ist bei diesen mitreißenden Szenen dabei. Währenddessen wird das Fangnetz für die Flying Souza aufgebaut. Wenngleich wir hier nur ein Quartett mit Fänger, zwei Fliegerinnen und Flieger erleben, kommen wir dennoch in den Genuss eines umfangreichen Repertoires. Dazu gehören etwa der dreifache Salto, die Passage und der Sprung aus der Kuppel. Zudem haben die Akrobaten das Temperament ihrer brasilianischen Heimat mit nach Krefeld gebracht. Nach der Pause geht es mit einer weiteren großen Darbietung in den zweiten Teil. Nach dem Seilspringen zeigt die Truppe Suba nun Schleuderbrett-Artistik. Bis zum durch eine Perchestange gestützten Fünf-Mann-Hoch gehen die Menschentürme, zu denen sich die Akrobaten aus der Mongolei katapultieren lassen. Das alles in prächtigen, von ihrer Heimat inspirierten Kostümen. Jim Bim steht mit gepacktem Koffer im Scheinwerferlicht und will verreisen. Carmen Leyseck bietet an, ihm ein Taxi zu rufen. Schon das führt zu Problemen. Richtig turbulent wird es aber, wenn das knallgelbe Mietauto mit Chauffeur John hereingefahren kommt. Der herrliche Spaß wird an diesem Abend ein ganz besonderer, da die Technik nicht ganz so funktioniert, wie sie soll. So gibt es nicht nur für die Zuschauer viel zu Lachen, sondern ebenfalls für die Akteure in der Manege.


Rico Brukson, Suldbataar Adilbisch, Tsas Tsenduke

Flott geht es weiter mit den Tennisjonglagen von Rico Brukson. Filzbälle, vor allen Dingen aber Rackets lässt er souverän durch die Luft fliegen. Am Ende hält er fünf Tennisschläger in Bewegung. Mit schweren Eisenkugeln hingegen jongliert Suldbataar Adilbisch. Schließlich fasziniert er als Kraftmensch. Mit Leichtigkeit dreht er einen Baumstamm mittels seiner Hände. Wenn zwei seiner Partner darauf stehen, hält er ihn mit den Zähnen fest. Tänzerinnen mit großen gelben Flügeln kommen herein. Vorneweg schreitet Celina Probst. Die Tochter von Stephanie Probst und Sergiu Mosanu beweist mit kleinen Kostproben ihres Könnens, dass sie auf dem Weg zur Kontorsionistin ist. Die Kunst des Verbiegens bereits perfekt beherrscht Tsas Tsenduke. Die Mongolin verfügt über einen beneidenswerte Körperbeherrschung. Ihre Verrenkungen sind dabei immer sehr ästhetisch. Mit den Füßen richtet sie einen Bogen aus, um mit einem Pfeil treffsicher einen Luftballon zu zerschießen. Die „Schöne und das Biest“ entführen uns in einer aufwendigen Inszenierung musikalisch und optisch in die Märchenwelt von Disney. Ganz in weiß gehalten ist das direkt darauf folgende spanische Ballett.


Ovidiu Tell, Kristia Kostova, Hell Riders

Absolute Präzision ist gefragt, wenn Ovidiu Tell mit seinen Armbrüsten auf filigrane Ziele schießt. So durchbohrt er mit einem Pfeil den Stiel einer von seiner Assistentin gehaltenen Blume. Oder aber er zerschießt Schnüre, an denen Luftballons hängen. Seinem Künstlernamen folgend, schießt er einen Pfeil durch einen Apfel. Dieser liegt allerdings auf seinem eigenen Kopf. Möglich wird dies durch das gegenseitige Auslösen mehrerer Armbrüste. Nach einem Sketch von John und Jim Bim mit einer Kerze geht es noch einmal unter die Kuppel des Chapiteaus. Dort zelebriert Kristina Kostova Akrobatik in einer beleuchteten Plexiglaskugel. Einen deutlich größeren Durchmesser hat die Kugel, die sodann in der Manege aufgebaut ist. In diese wagen sich die Hell Riders. Auf Motorrädern fahren sie in riskanten Formationen durch den Globe of Death. Dies sogar im Dunkeln, wobei die Maschinen beleuchtet sind. Am Ende jagen sieben Fahrer mit ihren Bikes gleichzeitig durch die Stahlgitterkugel. Ausgiebig gefeiert wird das Finale. Alle sind dabei, Sängerin, Sänger, Moderatorin, Ballett sowie die Artisten. Ein fantastisches Fest, das erneut Hochstimmung im Publikum aufkommen lässt. Beim abschließenden Kompliment wird noch einmal klar, welch großes Ensemble uns in den vergangenen drei Stunden unterhalten hat.

Mit dieser aufwendigen, ungeheuer stimmungsvoll umgesetzten Show macht die Familie Probst ihrem treuen Publikum ein einzigartiges Geburtstagsgeschenk. Diese grandiose Jubiläumsproduktion wird in Erinnerung bleiben. Ein großes „Chapeau“ an alle, die das Ereignis möglich gemacht haben. Sie können verdientermaßen stolz darauf sein. Und natürlich: Herzlichen Glückwunsch und auf viele weitere Jahre!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch