CHPITEAU.DE

Paderborner Weihnachtscircus 2023/24
www.paderborner-weihnachtscircus.de ; 192 Showfotos

Paderborn, 4. Januar 2024: Die Eindrücke sind so vielfältig, dass eine genaue Einordnung dessen, was der Paderborner Weihnachtscircus in seiner dritten Ausgabe bietet, schwerfällt. Ist es eine Circusshow mit einer Musical-Rahmenhandlung? Ist es ein Musical mit circensischen Elementen? Ist es eine gleichberechtigte Melange aus beidem, Circus und Musical? Auf jeden Fall ist es eine äußerst aufwendige, mit viel Liebe zum Detail inszenierte Show, die von großartigen Artisten, wunderbaren Sängerinnen und Sängern, einem genialen Clown sowie einem herrlichen Ballett bestritten wird. „Die Schneekönigin neu geträumt“ lautet der Titel.

Die Köpfe hinter dieser Produktion sind Sabrina und Lars Wasserthal. Während der Saison sind die Artistin und der Schauspieler mit ihrem Kindermitmachcircus Phantasia auf Tournee. Die Vorbereitungen für den Weihnachtscircus laufen parallel. Sabrina ist bei der Artistenauswahl federführend, Lars beim Schreiben des Stücks sowie bei dessen Regie. Komplettiert wird das Kreativteam durch Julia Eseeva (Choreographie) und Carlo Josef Schöbel (Regieassistenz). Hervorzuheben sind ebenfalls das traumhafte Lichtdesign sowie die professionelle Ton- und Lichtregie.


Außenansicht

Die blau-weiß gestreiften Zeltanlagen sind gemietet, das weitere Material gehört der Familie Wasserthal. So wie die Einrichtung des wunderbar weihnachtlich geschmückten Vorzelts. An zahlreichen Ständen gibt es ein umfangreiches Angebot. Dabei geht es sehr familiär zu. Viele der jungen Servicekräfte gehören zur Familie der Direktion. Immer wieder kommen junge Besucher mit ihren Eltern auf Sabrina und Lars Wasserthal zu, um Hallo zu sagen. Viele davon haben vermutlich schon eine Projektwoche beim Circus Phantasia erlebt. Nun dürfen sie das Weihnachtsprogramm genießen, welches ihre Trainer und das restliche Ensemble auf die Beine gestellt haben.


Kristof Ertl, Lars Wasserthal, Carolin Rossow

Zu Beginn der Vorstellung werden wir in die Geschichte eingeführt und lernen deren Protagonisten kennen. Den Prolog spricht Lars Wasserthal im edlen Gehrock. Hinzu kommen Gerda und Kay, die von Carolin Rossow und Kristof Ertl verkörpert werden. Beide haben eine abgeschlossene Musicalausbildung. So kommen wir in den Genuss wunderbarer Stimmen. Auch das darstellerische Können ist überzeugend. Zu Gehör kommen unter anderem Lieder aus „The Greatest Showman“, die einen neuen Text erhalten haben. Der Spiegel im Hintergrund wird von Sabrina Wasserthal durchstiegen. Dies ist der Auftakt zu ihrer Kür an der Aerial Spirale, die in Paderborn Premiere feiert. Das noch recht neuartige Requisit erlaubt variantenreiche Tricks, die Sabrina Wasserthal äußerst ästhetisch präsentiert. Ein wenig Nervenkitzel inklusive. Zum Schluss gibt es den Nackenwirbel im Glitzerregen. Auf der Violine wird sie dabei live von Yuzhu Zhao-Demir begleitet. Sie ist Lehrerin an einer hiesigen Grundschule, mit der der Circus Phantasia schon mehrfach Projektwochen durchgeführt hat. Kaum ist diese Darbietung zu Ende, hat die Schneekönigin ihren ersten Auftritt. Stefanie Wesser übernimmt die Hauptrolle. Auch sie ist ausgebildete Musicaldarstellerin und füllt ihre Figur überzeugend aus. Mit ihr kommen die Jess Showgirls in die Manege, vier Tänzerinnen, die die Show mit ihren Choreografien bereichern.


Monsieur Momo und Carolin Rossow

Weiter geht es mit einem schwungvollen Opening, in dem sich alle Mitwirkenden dem Publikum vorstellen. Es folgt der weitere Gang der Handlung. Zu Lars Wasserthal und den Musicaldarstellern gesellt sich alsbald Monsieur Momo. Der Clown begleitet die Protagonisten auf ihrer Reise. Dabei überzeugt er einmal mehr durch seine Wandlungsfähigkeit und sein schauspielerisches Talent, mit dem er die auch für ihn neue Rolle grandios meistert. Natürlich gibt es über den Nachmittag immer wieder Gelegenheit, seine eigenen Stücke einzubringen. Etwa die originellen und „verblüffenden“ Zaubereien. Oder die Balancen auf Flaschen, bei denen er den begleitenden Trommelwirbel einem Zuschauer überlässt. Monsieur Momo ist ein liebevoller Spaßmacher, der es nichtsdestotrotz faustdick hinter den Ohren hat, aber seinen Schabernack nie auf Kosten der Mitspieler treibt.


Scott Bovelander, Jimmy Saylon, Viktoriia und Alex

Mit Scott Bovelander erleben wir nach gut 25 Minuten – abgesehen von der Aerial Spirale – die erste artistische Darbietung. Bis dahin dominiert die Handlung, was durchaus ein wenig anstrengend ist, will man doch versuchen, sich diese einigermaßen zu merken, um ihr über den Verlauf der Show zu folgen. Der Niederländer schafft es mit seinen mitreißenden Bouncing-Jonglagen spielend, alle Aufmerksamkeit auf sein präzises Spiel mit weißen Bällen zu lenken. Immer mehr davon wirft er Richtung Boden, um sie nach der Rückkehr in seine Hand auf neue Touren zu schicken. Dabei gibt er den Rockstar, im Intro sogar mit E-Gitarre. Großillusionen in Steampunk-Optik sind die Spezialität von Jimmy Saylon und seinen Girls. In fantasievollen Kostümen aus vergangenen Tagen verschwinden sie aus verschiedenen Requisiten, um kurz darauf an überraschenden Orten wieder aufzutauchen. Die magischen Szenen werden sympathisch mit einem Augenzwinkern präsentiert. Mit einer extra für diese Produktion einstudierten Performance sind Viktoriia und Alex nach Paderborn gereist. Sie zeigen eine wunderschöne, intensive Duo-Equilibristik. Darin erleben wir viele starke und teilweise auch innovative Hebefiguren. Dabei beweisen beide ein beneidenswertes Maß an Körperbeherrschung. Viktoriia überzeugt zudem mit der Biegsamkeit ihres Körpers, Alex mit seiner wohldosiert eingesetzten Kraft. Auch akrobatische Sprünge sind dabei. Mit einem Traum in weiß geht es in die Pause. Auf dem Podest, auf dem gerade noch Artistik gearbeitet wurde, steht nun die singende Eiskönigin. Um sie herum tanzen die Damen des Balletts. Komplettiert wird dieses eindrucksvolle Bild durch weiße Tücher.


Vanessa Alvarez, Skating Medinis, Curatola Brothers

Der zweite Teil konzentriert sich stärker auf den circensischen Part. Er startet aber mit einem großen Schaubild mit Musik, Tanz und Poesie. Die Sängerinnen und der Sänger sind genauso dabei wie die Jess Showgirls, Lars Wasserthal, Yuzhu Zhao-Demir und Monsieur Momo. Dann gehört das Scheinwerferlicht ganz alleine Vanessa Alvarez. In spanischer Aufmachung erfreut sie mit ikarischen Spielen. Dabei lässt sie bis zu vier Teppiche auf Händen und Füßen tanzen. Als Clou jongliert sie sogar eine Gitarre mit den Füßen. Rasante Touren auf kleinen Rollen sind die Spezialität von Asia und Dylan Medini. Ihre Rollschuhakrobatik hat sie trotz ihrer Jugend schon in viele namhafte Unternehmen gebracht. Auch beim Paderborner Weihnachtscircus begeistern die Geschwister und wagen flott gearbeitete Tricks bis hin zum doppelten Nackenwirbel. Nach einem Duett von Gerda und Kay alias Carolin Rossow und Kristof Ertl geht es mit den Curatola Brothers weiter. Giuseppe und Emanuel haben bei ihrer Partnerakrobatik das Comedy-Element ausgebaut. Die Nummer hat in Summe eine heitere Note, zwischen den Elementen aus der Hand-auf-Hand-Artistik gibt es kleine Einlagen wie das In-die-Luft-pusten eines weißen Tuchs.


Alexander Lichner, Oscar Marin Truppe

Zwei Luftnummern unterschiedlicher Art sorgen für Nervenkitzel vor dem großen Finale. Alexander Lichner wagt zunächst am sich in der Vertikalen bewegenden Trapez den Zahnstand. Dann schwingt er an einem anderen Trapez weit durch den Raum unter der Kuppel. Dabei fasziniert er das Publikum etwa mit den Zehenhang oder dem Fersenhang mit einem Fuß. Das alles barfuß. Zum Abschluss gibt es den Wirbel im Zahnhang. So großartig sein Auftritt auch ist, ein wenig erleichtert ist man schon, wenn Alexander Lichner auf den Boden zurückgekehrt ist. Gleich vier Herren arbeiten zusammen mit Alexandra Sazonova auf dem Hochseil, darunter Truppenchef Oscar Marin. Und die tragen die Dame auf den Schulter. Zumindest zwei davon, während Alexandra in der oberen Etage der Pyramide einen Handstand drückt. In einer weiteren, nun rein männlich besetzten, Version der Pyramide balanciert der Obermann auf einem Stuhl. Zudem erleben wir unter anderem den doppelten Zwei-Personen-Hoch und den Sprung über drei auf dem Seil kauernde Partner. Die Oscar Marin Truppe liefert eine äußerst attraktive Schlussnummer.


Finale

Doch damit ist die Vorstellung noch nicht zu Ende. Die Geschichte um die Schneekönigin wird natürlich zu Ende erzählt, selbstverständlich mit Happy End. Schon zwischen den beiden letzten Darbietungen sind Momo und Gerda bei der Titelfigur angelangt, wo sie auf Kay treffen. Die letzte Szene beginnt mit Yuzhu Zhao-Demir und Lars Wasserthal im Zuschauereingang und Kay sowie Gerda vor dem Thron der eisigen Königin. Während des letzte Songs kommen alle Mitwirkenden in die Manege, das eigentliche Finale beginnt. Es wird so ausgiebig zelebriert wie die gesamte Show. Alles ist in weiß gehalten, Schnee kommt aus der Kuppel, die beiden weißen Weihnachtsbäume vor dem Artisteneingang werden besonders hervorgehoben und zum letzten Gruppenbild gibt es ein Feuerwerk. Welch eine Pracht!

Damit geht eine Reise zu Ende, die eine Fülle an Eindrücken bietet, welche man gar nicht alle mit nach Hause nehmen kann. Die Macher haben ein wirkliches Kunstwerk erschaffen und mit unendlich viel Leidenschaft, ja Herzblut umgesetzt. Das spürt man in jedem Moment. Ferner sind alle Mitwirkenden vortrefflich ausgewählt, der artistische Bereich stark besetzt. Ist diese dritte Ausgabe des Paderborner Weihnachtscircus nun eher Musical oder Circus? Diese Frage muss am Ende jeder für sich beantworten. Oder sich nicht weiter damit aufhalten und die Show einfach von Anfang bis Ende genießen. Ein Chapeau den Köpfen dahinter, allen voran Sabrina und Lars Wasserthal, für diese fantastische Produktion!

_______________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch