CHPITEAU.DE

Weihnachtscircus Böblingen 2024/25
www.weihnachtscircus-bs.de ; 158 Showfotos

Böblingen, 26. Dezember 2024: Und wieder ein weißer Fleck weniger auf der Landkarte: Nun haben auch die benachbarten Städte Böblingen und Sindelfingen ihren Weihnachtscircus. Die ohnehin schon hohe Weihnachtscircus-Dichte im Großraum Stuttgart steigt weiter. Und liegt damit im bundesweiten Trend. Ob dies alles langfristig gutgehen kann, ist eine Frage, die die Circuswelt derzeit intensiv diskutiert. Klar ist, dass der klassische Tourneebetrieb immer seltener praktiziert wird, während die kalte Jahreszeit längst zur heißen Phase der Branche geworden ist.

Es ist die Grandezza Entertainment GmbH mit Geschäftsführer Thomas Schütte, die nach den Standorten Hannover, Aachen, Regensburg, Mannheim und Den Haag nun auch im gemeinsamen Wohn- und Gewerbegebiet Flugfeld der Städte Böblingen und Sindelfingen einen Weihnachtscircus dauerhaft etablieren möchte. Bis 2023 feierte auf dem dortigen Festplatz der Zirkus Charles Knie regelmäßig große Erfolge bei seinem Saisonabschluss im Herbst.


Front des 1. Weihnachtscircus Böblingen-Sindelfingen

Auch Grandezza setzt ein „Knie-Chapiteau“ ein, allerdings das des vorwiegend in Österreich reisenden Circus Louis Knie. Die Front wird von einer schön gestalteten Fassade gebildet, die das Logo des Weihnachtscircus Böblingen-Sindelfingen sowie bestens bekannte Circusnummern zeigt. Als Vorzelt wird ein weiterer Viermaster genutzt, den die Zeltvermietung Huppertz zur Verfügung stellt. Linker Hand finden wir darin eine lang gezogene Bar mit einem breiten Angebot an Speisen und Getränken, rechts die Sanitäranlagen hinter einer Wand aus rotem Stoff. Mit dem gleichen Stoff bespannt ist auch ringsherum die Rundleinwand, und geschmückte Weihnachtsbäume tragen zum jahreszeitlichen Ambiente bei. Im Spielzelt erwarten uns der vertraute Anblick der Sitzeinrichtung und des Artisteneinganges des Circus Louis Knie. Über dem verwaisten Orchesterpodium ist ein großes Modellflugzeug angebracht.


Andreas Bartl, Uliana Khavrona, Duo Doro

Passend dazu spricht eine Stimme vom Band von einer gemeinsamen Flugreise, auf die das Publikum nun gehen werde, und Sängerin Nathalie Tineo empfängt uns mit dem Reinhard-Mey-Klassiker „Über den Wolken“. Hierzu tanzen die sechs Damen des Balletts in Stewardessen-Kostümen. Ein Auftakt, der gut zu dem ehemaligen Flughafengelände passt, auf dem wir uns befinden. Eine durchgehende Handlung zu diesem Thema wurde aber nicht gezeichnet, auch wenn es für Andreas Bartl am Chinesischen Masten gleich hoch hinausgeht. Viel Kraft kostet es sicherlich, das mehrfache Erklimmen des Requisits ganz leicht aussehen zu lassen. Gleiches gilt für die verschiedensten Posen, die der Münchner präsentiert, an der Stange und auf der Plattform am oberen Ende. Am Ende saust er kopfüber die Stange hinunter und verschwindet in einem Blackout. Beim nachfolgenden Umbau tanzt das Ballett, nunmehr in verschiedenfarbigen Kleidern, zwischen Logen und Gradin zu einem Weihnachtssong und begleitet dann Uliana Khavrona in die mit festem Boden ausgestattete Manege. Auf einen Tanz mit Hula-Hoop-Reifen, bei denen diese auch jongliert werden, lässt sie klassische Tricks folgen. Bis zu sechs Reifen drehen sich in hoher Geschwindigkeit um ihren Rumpf, um ihre Arme und Beine, dies auch mit effektvoller LED-Beleuchtung. Abschließend bewegt sie genretypisch ein ganzes Bündel aus Reifen und gefällt während der gesamten Nummer mit ihrer tollen Ausstrahlung. Zum Duo Doro haben sich Roberto Cappello und die Chinesin Ge Shu Hong zusammengetan, die wir erstmals mit ihrer sinnlichen Partnerakrobatik erleben, stimmungsvoll begleitet von Sängerin Nathalie Tineo. Eindrucksvoll ist besonders auch der Schlusstrick, bei dem er sie mit ausgestreckten Armen in die Höhe hält, während sie ihren Körper zum Ring formt, sich mit den Händen an den Füßen haltend. So rutscht sie an ihrem Partner hinunter.


Steve Rawlings, Duo Artemiev, Ruslan Kalachevskyi

Für die Komik im Programm ist Steve Rawlings zuständig, der physische und verbale Comedy miteinander verbindet. In jedem der beiden Programmteile hat er einen Auftritt. In Hälfte eins zeigt er zunächst seine Fähigkeiten als Jongleur – mit Tisch, Stuhl und Blumenstrauß, mit Porzellan und mit Fackeln, wobei auch seine Kopfbedeckung in Brand gerät. Dazu gibt es freche Sprüche in deutsch-englischem Kauderwelsch. Damit kommt er glänzend an. Mystisch wird es beim Tanz des Balletts in den Treppenaufgängen, während das Trapez für das Duo Artemiev errichtet wird. Alexey Artemiev und Partnerin Victoriya überzeugen, mit einer Matte gesichert, nicht nur mit vielfältigen Haltefiguren, sondern auch mit riskanten Flugmanövern, nach denen er sie sicher wieder fängt. Das Publikum klatscht zur dynamischen Musik euphorisch mit. Auf dieses etwas reifere Duo folgt jugendlicher Charme, wenn Ruslan Kalachevskyi seine starken Handstände zelebriert. Dies tut er auf einer Konstruktion aus vier langen Handstäben, von denen die äußeren zwei auf Schienen verschiebbar sind. So kann er sich auf ihnen stehend in einen Seitspagat gleiten lassen und wieder in die Ausgangsposition zurückkehren. Zu Beginn seiner Darbietung noch in Seile gefesselt, befreit er sich schnell aus diesen und beeindruckt mit seinen Posen. Auf einem fünften Handstab mit Motorunterstützung schwebt er im Einarmer in die Höhe und wechselt dann mehrfach die Hand.


Jidinis, Ballett, BMX Passsion

„Premiere“ ist das Motto dieses ersten Weihnachtscircus Böblingen-Sindelfingen, und tatsächlich hält das Programm auch für uns erfahrene Circusgänger einige Nummern bereit, die wir erstmals bewundern dürfen. Ein guter Bekannter – dank Charles Knie auch fürs breite Publikum an diesem Ort – ist dagegen Jidinis mit seinen Illusionen in glamouröser Aufmachung. Dabei unterstützen ihn die Damen des Balletts. Mit einer wahren Materialschlacht werden verblüffende Momente geschaffen, beispielsweise wenn gleich zu Beginn ein Motorrad scheinbar aus dem Nichts erscheint. Eine der Assistentinnen fliegt dem Anschein nach mittels eines gewaltigen, aufwendig gestalteten Katapults in eine gegenüber stehende, große Trommel. Dieser – zuvor leer präsentiert – entsteigt auch noch ein Dalmatiner und damit das einzige Tier in dieser Show. Nun werden wir in die Pause entlassen. Weihnachtlich wird es nochmal zum Beginn des zweiten Programmteils, wenn Sängerin Nathalie Tineo und das Ballett uns in Weihnachtsfrau-Kostümen empfangen. Bereits errichtet wurde in der Pause die Rampe, die zwei junge Ukrainer von „BMX Passion“ nutzen, um ihr sportliches Können zu präsentieren. Dabei werden alle Möglichkeiten genutzt, die das Requisit bietet, zum Beispiel Sprünge über den auf dem Oberteil der Rampe liegenden Partner, Sätze auf dem Hinterrad über drei in einem veritablen Abstand angeordnete, stufenartige Plattformen sowie gewagte Kapriolen wie Pirouettesprünge und der Rückwärtssalto auf dem Rad. Ob es wirklich sein muss, dabei auf den Schutzhelm zu verzichten, steht auf einem anderen Blatt.


Steve Rawlings, José und Sofía, Ge Shu Hong

Auch in seinem zweiten Auftritt beweist Steve Rawlings nicht nur sein Geschick, sondern lässt uns mit seinen verbalen Ausführungen wieder herzlich lachen. Dabei geht es zum einen darum, das Tischtisch unter einem Geschirrservice nicht nur herauszuziehen, sondern es anschließend auch wieder darunter zu bekommen. Hieran darf sich auch ein Mitspieler aus dem Publikum versuchen. Zum anderen balanciert er einen Golfschläger stehend auf der Stirn, während ein zweiter oben quer liegt – und mit einem sachten Schubs durch Schläger Nummer drei zum Drehen gebracht wird. Um Rotationen geht es natürlich auch bei der Rollschuhnummer von José und Sofía aus Kolumbien und Venezuela. In einer kompakten Trickfolge werden einige wesentliche Elemente des Genres präsentiert, von der Aufnahme einer Rose mit dem Mund bis zum abschließenden Genickhangwirbel. Für einen der schönsten Momente im Programm wird mit der Stuhlpyramide von Ge Shu Hong gesorgt, dies durch die gesangliche Begleitung mit dem James-Bond-Titelsong „Skyfall“ sowie das Ballett, das die Requisiten anreicht. Bis zu sechs Stühle türmt die Artistin auf einem Tisch übereinander, um auf der fragilen Konstruktion ihre Handstände zu zeigen.


Mario Berousek, Lisa Rinne, Nathalie Tineo

Die prominenteste Verpflichtung für die Weihnachtscircus-Premiere ist sicherlich mit dem „schnellsten Jongleur der Welt“, Mario Berousek, gelungen. Bis heute hat er nichts von seiner Klasse verloren. Noch immer jongliert er seine bis zu sieben Keulen in so wahnsinnigem Tempo, dass sie vor den Augen verschwimmen. Für ihre originelle Kombination zweier Genres ist Lisa Rinne bekannt, die die Schlussnummer übernimmt. Zunächst arbeitet sie sich mit akrobatischen Kabinettstückchen eine Strickleiter hinauf, unterbrochen durch Abfaller, dann saust sie in Spiralen um einen Holm der Leiter kopfüber in die Tiefe. Sogleich geht es wieder hinauf, wo sie an die Trapezstange wechselt, während die Leiter zu Boden fällt. Dieser Teil der Nummer am Schwungtrapez ist natürlich der spektakulärere und begeistert mit feinen Tricks wie einer Doppelpirouette in den Sitz und einem Vorwärtssalto in den Stand, jeweils gestartet, während sie kopfüber mit den Füßen am Trapez hängt. Dabei wird sie mit Gesang unterstützt, ebenso wie natürlich auch das Finale von Nathalie Tinneo stimmlich begleitet wird.

Andreas Bartl und seine Lebensgefährtin Lisa Rinna tragen nicht nur für die Eröffnungs- und Schlussnummer bei, sie zeichnen auch für die Regie bei dieser geschmackvoll in Szene gesetzten, in starkes Licht gerückten Produktion verantwortlich. Weitere Stützen sind Jan Navratil als Oberrequisiteur sowie der erfahrene Circusmanager Harald Ortlepp, der als Projektleiter für Böblingen-Sindelfingen die Fäden beim Veranstalter Grandezza Entertainment in der Hand hält. Nach diesem Start, mit einem schönen Programm und im Gastspielverlauf steigenden Besucherzahlen, sollte einer weiter positiven Entwicklung in den kommenden Jahren kaum etwas im Wege stehen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll