CHPITEAU.DE

Bonner Weihnachtscircus 2024/25
www.bonner-weihnachtscircus.de ; 180 Showfotos

Bonn, 29. Dezember 2024: Die Bonner wissen offenbar, was sie an ihrem Weihnachtscircus haben. Bei unserem Besuch kurz vor Jahresende jedenfalls ist auch der sprichwörtliche letzte Platz besetzt. Es ist die 17. Auflage dieser großen Produktion und – nach mehreren Umzügen in der Bundesstadt – die fünfte auf dem Marktgelände im Stadtteil Pützchen. Da hier alljährlich ein großes Volksfest stattfindet, ist der Platz im Umkreis bestens bekannt, zudem bietet er reichlich Parkflächen. Und natürlich kann hier der stolze „Kingdom Palace“ aufgebaut werden, das im vergangenen Jahr neu angeschaffte Chapiteau.

Schneeweiß mit schwarzen Ornamenten sind sowohl der große Viermaster als auch das passende Vorzelt. Dieses wurde nun durch eine bogenförmige Leuchtschrift mit dem Unternehmensnamen über dem Dach ergänzt. Wunderbar dekoriert präsentiert sich das Vorzelt, umfangreich ist das Angebot an Speisen und Getränken. Edel wirkt das Ambiente im Chapiteau mit seiner Sitzeinrichtung aus Schalensitzen. In den drei ansteigenden Logenreihen sind sie zusätzlich gepolstert.


Steven Carroli und Emi Velkova, Charlotte Alexis, Abraham Dereje

Für die Regie haben die Produzenten Manuel Fischer und Sarah Zinnecker wiederum Louis Knie jun. verpflichtet. Seine typische Handschrift wird gleich im Opening deutlich, wenn sich Totti Alexis am Schminktisch in der Manege in einen Clown verwandelt, dies inmitten der Dolly Power Dancers, der Tanzformation im „Bingo“-Stil aus dem Hause Louis Knie. Ebenfalls machen wir hier gleich Bekanntschaft mit Sängerin Lolita, dem Orchester auf dem Artisteneingang in geschmackvollem Rot sowie dem starken Lichtdesign. Wie der Programmauftakt erzählt auch Steven Carroli bei seiner Einradnummer eine kleine Geschichte. Als Koffer-Page wünscht er sich von seiner Kollegin – Lebensgefährtin Emi Velkova – einen Kuss und erhält diesen schlussendlich auch. Dazwischen springt er auf dem Einrad Seil und mit drei Keulen jonglierend über die Treppenstufen seines Requisits. Er auf dem Postament, die Partnerin am Boden lassen in Passings sechs Keulen fliegen. Schließlich wechselt er aufs Hochrad und befördert mit einem Fuß und gezieltem Schwung Untertassen und Tassen auf seinen Kopf und stapelt sie dort aufeinander. Zum Abschluss kickt er einen Teelöffel geschickt in die oberste der drei Tassen. Während Totti der liebenswerte Spaßmacher ist, gibt seine Frau Charlotte die seriöse Weißclownin. Mit ihrer Armbrust möchten sie ihren Wilhelm-Tell-Schuss auf einen Apfel abgeben – dieser besteht aus einem roten Luftballon. Durch allerlei Missgeschicke platzen mehrere der „Äpfel“ noch vor dem Auslösen der Waffe, so dass Sohn Charlie immer neue bringen muss. Bis tatsächlich der letzte verfügbare Apfel im Einsatz ist und das Spiel nun gelingen muss. Es folgt ein erstes artistisches Highlight: Abraham Dereje fasziniert uns mit seinen blitzschnellen Bouncing-Jonglagen. Nicht nur sein Outfit erinnert an Michael Jackson, auch die musikalische Begleitung stammt vom King of Pop. So lässt er drei Bälle hinter dem Rücken gegen den Boden springen, sieben bei gleichzeitigen Balancen auf einem Basketball und neun gegen zwei im schrägen Winkel zueinander stehende Platten, dies auch mit verbundenen Augen noch sicher.


Duo Skywalker Salazar, Familie Alexis

Verletzungsbedingt kann das Duo Skywalker Salazar nicht sein vollständiges Repertoire zeigen. So bleibt es bei den Deckenläufen „upside down“ von Partnerin und Partner an zwei Stangen mit Fußschlaufen; auf die spektakulären Sprünge des Herrn von Trapez zu Trapez müssen wir jedoch verzichten. In ihrer nächsten Szene erleben wir (fast) die ganze Familie Alexis, denn außer Totti und Charlotte wirken auch die beiden Söhne Charlie und Maxim mit. Es geht um eine Deluxe-Trompete und deren von jedem gewünschten Ort in die Manege zurückkehrendes Echo.


Emi Velkova, Sandro Montez, Truppe Acro

Dann geht es wieder in die Luft. Emi Velkova präsentiert im weißen Kostüm und an weißen Tüchern eine klassisch-schöne Kür, bei der sie ihre Kraft und ihre Beweglichkeit demonstriert. Fröhlich und rasant ist die Hundenummer von Sandro Montez. Die besten Freunde des Menschen zeigen hier insbesondere ihr Sprungvermögen. Mal springen sie durch Ringe, die der sympathische Tierlehrer in der Hand hat, mal über mehrere Artgenossen und mal durch einen Reifen, den ein Artgenosse in der Schnauze hält. Traditionelle Akrobatik aus Marokko bringt die Truppe Acro an den Rhein. In der genretypischen Abfolge türmen sich die sieben jungen Herren zunächst zu Pyramiden, bis schließlich der Untermann sechs Partner auf einmal trägt. Auf diese im Wortsinn starke Leistung folgen Sprünge und Salti durch die Manege. Damit geht es in die Pause.


Flying Martini, Totti Alexis

Auch Hälfte zwei beginnt – nach dem Weihnachtsmedley von Sängerin Lolita – mit einer Truppennummer, nun aber in der Luft. Die Flying Martini haben unter anderem gleich zwei Dreifache im Repertoire. Die herkömmliche Version wird von einer Frau gesprungen - an diesem Nachmittag leider zweimal hintereinander mit Landung im Netz. Einwandfrei gelingt dagegen der dreifache Salto in der gestreckten Variante. Diese absolute Rarität des Genres beherrscht Michael Martini. Die Passage bildet den Abschluss der Trickfolge. Den Netzabbau überbrückt Totti Alexis, der auf der Tribüne das Publikum zum Mitsingen animiert. Seine Entertainer-Qualitäten sind nahezu einmalig.


Robi Berousek, Adem Dance Crew, Magic Eötvös

Ein guter Bekannter seit vielen Jahren ist Robi Berousek. Gewohnt temporeich balanciert er auf der freistehenden Leiter. Seine Drehungen und Wendungen bleiben spektakulär. Nur einmal wechselt er das Requisit, von der herkömmlichen Kombination aus Holmen und Sprossen zu einem hohen Konstrukt mit Plattform am oberen Ende. Seine Tochter Sara assistiert ihm. Auf diesen Klassiker im typischen Zirkusstil folgt eine Nummer moderner Machart, die zuletzt auch im Saisonprogramm des Circus Roncalli vertreten war. Beim Auftritt der Adem Dance Crew gelangt ein Einbrecher in eine Kunstausstellung. Dort macht er Selfies mit den Skulpturen von Charlie Chaplin, einem Pharao und einem Samurai. Bald beginnen die Ausstellungsstücke ein Eigenleben und beeindrucken mit modernen Tanzchoreographien im Robo-Style – und der Einbrecher im Streifenshirt demonstriert seine Fähigkeiten als Klischnigger. Vom Circus Louis Knie zusammengestellt wurde die Großillusions-Show „Magic Eötvös“. Die Requisiten stellt die Familie Eötvös, aus den Reihen der Dolly Power Dancers übernimmt Ksenia die Rolle der Magierin, die anderen fünf jungen Frauen geben die Assistentinnen. So wird eine Reihe attraktiver Illusionen groß verkauft. Da erscheint die Zauberin aus dem Nichts, nur um gleich darauf eines der Girls auf Minimalmaß zusammenzuschieben. Drei weitere Damen entsteigen in verblüffender Weise einem kleinen Käfig, eine wird scheinbar von Schwertern, eine andere von brennenden Stäben durchbohrt. Eindrucksvoll wirkt auch die scheinbar leere Box, in der eine Artistin erst als Schatten und dann ganz real auftaucht.


Tony Frébourg, Vioris Zoppis, Finale mit Lolita und Dolly Power Dancers

Eine der bekanntesten und originellsten Szenen von Totti Alexis ist jene, in der er auf Fliegenjagd geht und letztendlich selbst zum Insekt wird. Hier darf auch Töchterchen Juliette Dolores mitwirken. Während wir uns in den vergangenen Saisons immer wieder über diesen wunderbaren Komiker amüsieren durften, vor Bonn beispielsweise im Dresdner Weihnachtscircus, sind wir Tony Frébourg einige Jahre lang nicht mehr begegnet. Doch von seiner Klasse hat er in dieser Zeit nichts verloren. Noch immer ist er ein Spitzenkönner seines Faches, der im asiatisch inspirierten Outfit ausdauernd bis zu vier Diabolos in der Luft hält. Ein weiterer, ganz starker Auftritt folgt mit Vioris Zoppis. Er kombiniert zwei Genres: Am Boden zeigt er Equilibristik im flachen Wasser, das durch einen wenige Zentimeter hohen Ring am Boden am Wegfließen gehindert wird. In der Luft glänzt er mit seinen Strapaten-Flügen. Spagat in allen Variationen ist seine Spezialität. Beeindruckend, wie er im Seitspagat den Oberkörper nach vorne neigt und sich wieder aufrichtet. Temperamentvoll seine Abfaller und Überschläge. Dass er dabei nass ist, erhöht zum einen den Schwierigkeitsgrad der Übungen; zum anderen schaffen die sprühenden Tropfen auch sinnliche Momente.

Groß verkauft, mit Sängerin Lolita, Violinistin sowie den Dolly Power Dancers, wird das Finale. Das Publikum spendet tosenden Beifall für dieses starke und glanzvoll in Szene gesetzte Programm, das traditionelle Elemente ebenso wie moderne Akzente bietet. Wieder sehen wir Totti an seinem Schminktisch inmitten des Ensembles. Nun verwandelt er sich zurück vom Clown zum jungen Mann von nebenan. Und damit findet die zu Beginn erzählt Geschichte ihren würdigen Abschluss.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll