Leider bleibt es
bei dieser einen Tiernummer. Im artistischen Bereich liegt der
Schwerpunkt auf Formationen aus Asien. Gleich vier davon
beeindrucken mit hochklassiger Akrobatik. Trotz einzigartiger
Leistungen und schöner Choreographien ist es für meinen
Geschmack doch etwas zu viel des Guten.

Opening
Wunderbar, wenn
dann Artistenpersönlichkeiten wie Adele Fame oder Quincy Azzario
ihre eigenen Akzente setzen. Das tut auch ganz famos David
Vassallo, der uns gemeinsam mit Partnerin Ashley durch die Show
begleitet. Diese wird von Henk van der Meijden und Monica
Strotmann sowie beider Tochter Elisa van der Meijden produziert.
Joseph Bouglione hat Regie geführt, Wim Dresens das Lichtdesign
entwickelt und das hervorragende Orchester steht unter der
Leitung von Andrii Kakapych.

Blick in
den Zuschauerbereich
Mit dem traumhaft
schönen Theater Carré an der Amstel steht eine Spielstätte zur
Verfügung, wie sie idealer kaum sein kann. Wieder wurden
sämtliche Sitze des Parketts entfernt, um an dieser Stelle eine
Manege einzubauen. Dafür finden einige der Zuschauer jetzt Platz
auf der eigentlichen Bühne. Alle anderen Gäste sitzen auf den
steilen Rängen auf der gegenüberliegenden Seite und können das
Geschehen teilweise aus beträchtlicher Höhe genießen.
 
Flavio
Togni, David Vassallo
Zum Opening
versammelt sich das gesamte Ensemble auf der Piste, welche somit
komplett gefüllt ist. In der Mitte steht, zwischen David und
Ashley, Rudy Hellewegen. Der neue Sprechstallmeister im
stattlichen Frack und mit Zylinder begrüßt das Publikum.
Selbstverständlich ist er auch unser Moderator während der
Vorstellung. Sympathisch stellt er uns die Künstler vor. Als
erstes eben Flavio Togni. Zwei weiße und zwei schwarze Pferde
bilden den Kern der Vorführung. Mit ihnen zeigt er harmonische
Bewegungsabläufe. Für den Gegenlauf kommen acht weitere Tiere
hinzu. Die Steiger als Da Capo bestreitet dann wieder das
Quartett, mit dem diese Nummer beginnt. Stattliche Tiere, eine
anspruchsvolle Trickfolge und eine sehr charmante Präsentation –
was will man mehr. Kleines Detail: Flavio Togni wird von seinem
Sohn Bruno assistiert. Zu gern hätten wir diesen mit seiner
grandiosen Tigergruppe gesehen. Aber das ist in den Niederlanden
leider nicht mehr möglich. Dann darf sich David Vassallo
erstmalig so richtig vorstellen. Der Clown aus Italien übernimmt
Reinigungsarbeiten im Publikum. Bei seinem nächsten Auftritt
wenig später ist dann auch Partnerin Ashley Vargas dabei, welche
den seriösen Counterpart ganz hinreißend spielt. Sie bittet den
unter den Zuschauern mit Popcorn hantierenden David in die
Manege, wo ein Sprungseil aufgebaut ist. Nach dem Ablegen des
Fracks begibt sich der Clown mithilfe einer großen
Balancierstange wirklich auf das federnde Tau. Dort macht er
eine glänzende Figur, begeistert gar mit Salti. Alles wird mit
viel Witz serviert. So auch der dritte Einsatz des Duos. Im Kern
steht das Verknoten von vier Herren auf Stühlen. Dies wird
originell im Stil einer orientalischen Hypnosesession
aufgeführt. Die beiden machen ihre Sache ungemein sympathisch,
kreativ und witzig. Somit passen sie wunderbar in diese
hochkarätig besetzte Produktion.
  
Adele Fame,
Our Story, Strahlemann & Söhne
Genauso wie Adele
Fame, die uns mit unter das eindrucksvolle Dach des Theaters
nimmt, zumindest fast. Hoch hinaus geht es bei ihrer Kür an den
Strapaten auf jeden Fall. Ungeheuer leidenschaftlich zelebriert
die jugendliche Artistin diese. Natürlich erleben wir dabei
unter anderem starke Umschwünge und den freihändigen Spagat mit
den Füßen in Schlaufen an den Enden der Bänder. Gar als
Weihnachtsengel wird sie in der Presseinfo bezeichnet. Ein
Programmheft gibt es übrigens in dieser Spielzeit nicht.
Eigentliche mag ich keine melodramatischen Darbietungen im
Circus. Beim Duo Our Story mache ich da gerne eine Ausnahme,
seit ich sie 2018 beim Festival in Girona erstmalig erleben
durfte. Die Liebesgeschichte am Pole wurde von Dmitry Chernov
kreiert. Igor Ticinschi und Iuliia Bezrukova erzählen sie jeden
Abend in der Manege neu. Das Artistenpaar bettet darin extrem
starke Tricks ein. Alles, was wir in diesem Genre kennen,
beherrschen die beiden. Und noch ein wenig mehr. Am Ende steht
Iuliia auf dem Oberkörper von Igor, den dieser im rechten Winkel
vom Mast abdrückt. Zwei smarte Herren auf einem Business Trip,
das sind Strahlemann & Söhne. Im edlen Dreiteiler und mit
Rollkoffer kommen sie in die Manege. Außerdem haben Pat Fabio
und Leif Gordon vier Jonglierkeulen im Gepäck. Zunächst nehmen
sie sich jonglierend gegenseitig die Keulen ab, dann gibt es
Passings mit drei davon. Dabei fliegen allerdings nicht nur die
Keulen, auch sämtliche Kleidungsstücke bis auf Unterwäsche und
Socken werden auf dem Luftweg getauscht. Bis am Ende jeder im
Outfit des anderen dasteht. Das Duo präsentiert seine, wenn man
so will, „Slow Change-Nummer mit Jonglage“ bereits seit 25
Jahren.
  
Duo Vitalys,
Fliegende Schirme, Mustafa Danguir Truppe
Gleich
oberkörperfrei betreten Pablo Nonato und Joel Yaica das
Scheinwerferlicht. Wenn man so trainiert ist wie die beiden
Equilibristen aus Peru, ist das ohne Frage eine gute Idee. Seine
Partnerakrobatik startet das Duo Vitalys mit dem einarmigen
Handstand auf dem Kopf des Untermannes. Nach weiteren
kraftvollen Balancen kommen sie zu ihrer Spezialität, dem
Kopf-auf-Kopf. Darin laufen sie die Treppe zu ihrem Podest
herunter und hinauf. Dazwischen geht es flotten Schrittes durch
die Manege. „Die Fliegenden Schirme“ nennen sich die
Antipodenspiele von Wenxiang Yuan, Danjing Luo und Xiaohe Feng.
Die Dame des Trios aus China lässt immer mehr kunstvoll
gestaltete Schirme auf ihren Händen und Füßen tanzen, während
die beiden Herren sie in verschiedenen Formationen tragen. Etwa
beim Schlusstrick, bei dem die Schultern der Männer im Stand
aufeinander ruhen, während der obere die Frau auf den Füßen
stemmt. So erleben wir bislang noch nie gesehene Bilder mit
höchsten Schwierigkeitsgraden. Von Amsterdam aus ging es für die
Künstler zum Circusfestival von Monte Carlo, wo sie einen
Silbernen Clown gewannen. Bereits 2023 gab es einen solchen für
die Mustafa Danguir Truppe, die nach der Pause auf dem Hochseil
für Nervenkitzel sorgt. Das etwa mit dem Seilspringen, einem
dreifachen Zwei-Personen-Hoch und einer Dreier-Pyramide auf
Fahrrädern. Gekrönt wird der Auftritt mit der
Sieben-Personen-Pyramide.
  
Extreme
Light, Balancen im Kopfstand, Mongolian Contortion
Wenn Extreme Light
auftritt, könne sich die Beleuchter zurücklehnen. Denn die acht
Artisten arbeiten im Dunkeln, damit die Effekte ihrer
leuchtenden Kleidung bestens zur Geltung kommen. Diese sind mit
LED-Bändern besetzt, die in verschiedenen Farben und in
unterschiedlichem Umfang leuchten. Es wirkt einfach extrem cool,
wenn die Akteure in unterschiedlichen Zusammensetzungen ihre
Moves zeigen und dabei plötzlich das Licht an- und ausgeht.
Akrobatische Einlagen gehören obendrein zur Performance. Der
Kunst des Kopfstands haben sich die acht männlichen Mitglieder
der nun folgenden Truppe aus der Volksrepublik China
verschrieben. Hier geht es weniger um die statische Variante als
vielmehr um Sprünge im Kopfstand. Nach Sprüngen im einarmigen
Handstand von Kopf zu Kopf der Untermänner zum Start erleben wir
dann Sprünge von einem Kopf-auf-Kopf zum nächsten. Sodann
springt ein Artist die zehn runden Stufen eines Gestells im
Kopfstand hinauf. Der Apparat wiederum ruht auf den Köpfen
zweier Partner, die diesen mit den Zähnen zusätzlich
ausbalancieren. Zum Finale gibt es Rotationen im Kopfstand auf
einer Holzstange, die sich auf dem Kopf eines Partners befindet,
wiederum mit dem Gebiss fixiert. Sämtliche Kunststücke werden
longiert gearbeitet und sind in eine durchgehende Choreografie
eingebunden. Mongolian Contortion nennt sich der Auftritt der
vier Damen, die uns nun verzaubern. Der Titel verrät Heimat und
Genre der Artistinnen. Anmutig beweist uns das Quartett, wie
beweglich der menschliche Körper sein kann. In bunten Kostümen
erleben wir mal den gleichen Trick in vierfacher Ausfertigung
und mal gemeinsam gebildete lebende Kunstwerke. Immer mit einem
charmanten Lächeln serviert.
  
Quincy
Azzario, Willer Nicolodi, Pas de deux
Dann konzentrieren
sich alle Augenpaare im Theater auf eine junge Damen, die den
Raum spielend füllt. Quincy Azzario zelebriert in der Mitte der
Manege ihre Equilibristik-Kür. Kraft, Beweglichkeit und
Gleichgewichtssinn werden hier in einem außergewöhnlich hohen
Maß benötigt. Die junge Spanierin bringt dies alles mit und dazu
eben Personality. Alles sieht so einfach aus und wird zudem noch
sehr gewinnend dargeboten. Jeweils acht Klötzchen werden ihr von
David Vassallo und Rudy Hellewegen gereicht. Auf ihnen zeigt
Quncy Azzario den letzten Handstand ihrer Nummer, um beide Türme
blitzartig wegzustoßen und sicher auf den den darunter liegenden
Handstäben zu landen. Dank Willer Nicolodi und Joselito bekommen
wir nochmal ordentlich etwas zu Lachen. Der bekannte Bauchredner
hat natürlich den frechen Mäuserich aus Mexiko im Gepäck. Die
beiden liefern sich höchst witzige Wortgefechte. Doch nicht nur
der Puppe leiht Willer Nicolodi seine Stimme, auch drei Gäste
aus dem Publikum lässt er sprechen. Diese müssen lediglich die
Lippen bewegen, wenn sie das Mikrofon vor den Mund gehalten
bekommen. So entstehen herrliche Dialoge. Dank sechs Tänzerinnen
wird das Pas de deux von Sun Yina und Zhou Jie zu einem großen
Schaubild in Weiß. Angelehnt an Schwanensee erleben wir
traumhafte Bilder des klassischen Balletts. Im Mittelpunkt steht
die hochkarätige Akrobatik des Paars aus China. Sie wagt den
Spitzentanz auf seinen Schultern. Damit nicht genug. Am Ende
steht sie mit den Zehenspitzen eines Fußes auf dem Kopf ihres
Partners. Dabei sind beide Beine, wie bei einem Spagat, in die
jeweils andere Richtung gestreckt. Mit dieser spektakulären
Aufführung endet das Programm. Das Strapaten-Duo Flight of
Passion tritt zumindest in den beiden besuchten Vorstellungen
nicht auf. |