Der größere davon,
das Tipidrom, beherbergt die Rundbühne mit darum gruppierter
ansteigender Sitzeinrichtung. Alles sehr wertig gestaltet.
Da Capo auf
dem Karolinenplatz in Darmstadt
Die Gäste nehmen
an Tischen Platz. Was schon deswegen Sinn macht, weil die Show
auch in Verbindung mit einem Dinner angeboten wird. Das
zugehörige Buffet ist großzügig im kleineren Zelt aufgebaut. Die
Getränke bringt der sehr aufmerksame und freundliche Service
direkt an die Tische.
Ballett
Die Shows hier
sind immer so etwas wie eine Wundertüte. In der Regel sind es
Eigenproduktionen, oftmals mit einer aufwendigen Story
verbunden. In der Spielzeit 2022 hingegen wurde mehr oder
weniger eine so bereits bestehende Show des Circus Theater Bingo
gezeigt. In diesen Winter also ein Nummernprogramm, das
spektakuläre Acts in den Vordergrund stellt. Viele davon sind
hierzulande noch weitgehend unbekannt. „No Limits“ lautet der
Titel. Interessant gestaltet ist das Bühnenbild. Es besteht aus
sechs rechteckigen Segmenten auf zwei Ebenen. Fünf der Rechtecke
werden mit verschiedenen Grafiken bespielt. Ferner treten dort
in einzelnen Sequenzen die Tänzerinnen auf. Das sechste bildet
den Artisteneingang.
Kateryna
Fedorovych, Erasmus Stein, Hassak Troupe
Voller Energie
aufgeladen ist das Opening. Alle Mitwirkenden sind dabei, weiß
ist der Grundton. Mit von der Partie ist natürlich das Ballett.
Fünf ausgesucht schöne Damen, die hinreißend tanzen und uns in
immer wieder neuen prächtigen Kostümen sowie Choreografien durch
den Abend begleiten. Das Quintett ist kein Lückenfüller, sondern
ein elementarer Bestandteil der Inszenierung. Die Eröffnung geht
direkt über in den Auftritt von Kateryna Fedorovych. An den
Ringen entführt sie unsere Blicke Richtung Kuppel. Ihre Kür muss
enorm viel Kraft erfordern. Das alles lässt sich die Artistin
natürlich nicht anmerken. Traumhaft sicher meistert sie ihre
Umschwünge und Flugpassagen. Schier unglaublich wird es, wenn
sie sich nur mit den Fersen in den Ringen im Gleichgewicht hält.
Nach der nächsten Überleitung mit den Tänzerinnen machen wir das
erste Mal Bekanntschaft mit Erasmus Stein. Der Conferencier
unterhält uns an mehreren Stellen im Programm mit witzigen
Moderationen und Zaubertricks. Dabei setzt er auf Bewährtes. Er
kommt sympathisch rüber und macht gerne Gags über seine
Leibesfülle. In edlen, folkloristisch angehauchten Kostümen
erleben wir die Hassak Troupe bei ihrem ersten Auftritt. In den
verschiedensten Varianten bewegen sich die Dame und drei Herren
über zwei Leitern, die zu einer kleinen Plattform in deren Mitte
führen. Das etwa im einarmigen Handstand auf dem Kopf des
Untermannes, im Kopf-auf-Kopf oder auf Zehenspitzen auf der
Stirn des Partners. Bei manchen Tricks machen sich zwei Duos
gemeinsam auf den Weg nach oben, um sich an der Spitze zu
kreuzen. Zum Finale trägt einer der Akteure zwei nebeneinander
auf einer Stirnperche stehende Partner über die
Leiterkonstruktion.
Duo Acroart,
Andrei Gomonov und Viktoryia, Hassak Troupe
Rot ist die
beherrschende Farbe beim nächsten Tanz des Balletts, genauso wie
bei der Kür am Roue Cyr des Duo Acroart. Anna und Lukasz haben
sich eine wunderschöne Darbietung erarbeitet, die starke,
teilweise ungewöhnliche Kunststücke in einen harmonischen Ablauf
einbettet. Gemeinsame Runden wechseln sich ab mit Soli.
Originell ist etwa die Sequenz, bei der Lukasz die im Reifen
stehende Anna auf dem Rücken trägt und dabei um die eigenen
Achse rotiert. Die Kunst, seine Partnerin Viktoryia um
Haaresbreite nicht zu treffen, beherrscht Messerwerfer Andrei
Gomonov. Bei ihren gefährlichen Spielen geht es um Zentimeter.
Für einen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad sorgt Viktoryia, wenn
sie sich am Brett hin und her bewegt. Dies auch mit dem Rücken
zu Andrei Gomonov. Sogar brennende Messer wirft dieser auf das
Brett. Das Ganze wird mit einem guten Schuss Erotik serviert.
Mit Zaubereien von Erasmus Stein endet der erste Teil, der
zweite beginnt mit dem Ballett. Dabei ist auf der Bühne bereits
das Requisit für die folgende Darbietung aufgebaut, ein
doppelter Chinesischer Mast. Noch einmal gehört das
Scheinwerferlicht der Hassak Troupe, diesmal sogar mit sieben
Personen. Wieder gibt es prachtvolle Kostüme und eine
folkloristische Aufmachung. Die akrobatische Leistung ist
ebenfalls großartig. Gleich zwei Personen übereinander stehen
auf dem Oberkörper eines Artisten, der sich im rechten Winkel
vom Mast abdrückt. Wenn ein Akteur vom Mast abspringt, um sich
kurz darauf wieder an ihm zu fangen, rutschen drei
zusammengekauerte Kollegen die Stange hinunter. Und das sind nur
zwei Elemente der starken Trickfolge dieser vergleichsweise
großen Truppe.
Duo
Paradise, Raul Canas
Auf eine
Choreographie des Balletts mit Glitzerkugeln im Bühnenbild folgt
der ruhigste Auftritt des Abends. Mehrere Kronleuchter und das
traumhafte Lichtdesign schaffen die intime Atmosphäre für die
Partner-Akrobatik des Duo Paradise. Dabei wechseln sich
Anastasiia Krutikova und Artem Panasiuk mit der tragenden Rolle
ab. Während sie einen Spagat macht, zeigt er auf einer ihrer
Schultern einen einarmigen Handstand. Einen solchen auf zwei
Händen zelebriert Artem Panasiuk auf der Hüfte von Anastasiia
Krutikova, während diese ihren Körper nach hinten biegt. Aus
anspruchsvoller Artistik entstehen grandiose Bilder, die in eine
sinnliche Liebesgeschichte eingebettet sind. Auf den beiden
Befestigungen für das Schlappseil von Raul Canas befindet sich
jeweils eine Art Karussell mit vier langen Stangen. Am einen
Ende des Seils sind daran Keulen befestigt, am anderen Ringe.
Diese Requisiten nutzt der Mexikaner später, um mit ihnen zu
jonglieren, während er sich souverän auf dem schwankenden Draht
bewegt. Seine Aufmachung ist originell, seine Kunststücke
größtenteils auch. Die Nummer endet mit der Fahrt auf dem
Einrad, bei der ein Ball auf seinem Kopf rotiert, während er mit
drei Keulen jongliert.
Alain
Alegria, Flyers Valencia
Der folgende
mitreißende Auftritt des Balletts ist Michel Jackson gewidmet.
Zu seinen Melodien tanzt das Quintett wunderbare
Bewegungsabläufe. Für gewagte Eskapaden auf dem
Washington-Trapez steht Alain Alegria. Wir dürfen vom Boden aus
mitfiebern, wenn er kniend ein Tuch von der Trapezstange mit dem
Mund aufnimmt. Auch auf einem Stuhl sitzend und sogar stehend
hält er sich auf dem Trapez im Gleichgewicht. Während die Gäste
an den Tischen feuchte Hände bekommen, hat Alain Alegria in
luftiger Höhe offenbar ordentlich Spaß. Charmant überbrücken die
Tänzerinnen den Aufbau des Todesrads für die Finalnummer.
Ungewöhnlich nah beieinander sind die beiden Kessel in der
Variante, die die Flyers Valencia im Tipidrom nutzen. Mit ihrem
trickstarken Repertoire sorgen sie noch einmal für Nervenkitzel.
Sie laufen etwa mit verbundenen Augen über das Rad, springen
Seil und meistern den Salto auf der Außenseite. Das alles
serviert mit ordentlich Temperament. Bei der folgenden
Verabschiedung mit dem gesamten Ensemble drehen die Flyers
Valencia ein paar zusätzliche Runden. Das Ballett steht im
Bühnenbild, die Artisten nehmen auf der Bühne den frenetischen
Applaus entgegen, der sich zu Standing Ovations steigert. |