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Gelsenkirchener Weihnachtscircus 2024/25
www.gelsenkirchener-weihnachtscircus.de ; 182 Showfotos

Gelsenkirchen, 28. Dezember 2024: In eine wunderbare Märchenwelt entführt uns der 27. Gelsenkirchener Weihnachtscircus. „Fairytales“ lautet das Motto der Show, die wiederum von Regisseurin und Choreographin Anett Simmen gemeinsam mit der Familie Brigitte und Reinhard Probst in Szene gesetzt worden ist. Erzählt wird die Geschichte, wie Cinderellas Schuh abhandenkommt und zum glücklichen Ende wieder gefunden wird. Sie trifft mitten ins Herz. Den passenden Rahmen liefern die mit märchenhaftem Lichterglanz geschmückten Zeltanlagen, sowohl von außen als auch im Foyerzelt.

Zu Beginn schlägt Sängerin Lily ein großes Märchenbuch auf und wendet sich direkt ans Publikum. „Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit, an Elfen und Einhörner?“, lautet ihre Frage. Und mit ihrem ersten Song – „Schlaf ein mein Kind und träume süß“ – werden wir hineingezogen in eine wundersame Märchenwelt. Zu „Fairytale“, dem mitreißenden Siegertitel von Alexander Rybak beim Eurovision Song Contest 2009, empfängt uns das Ensemble im Dörfchen Sonnenbrunn, das durch eine Reihe malerischer, plastisch wirkender Fachwerkhäuser im Hintergrund angedeutet ist.


Lily, Alexander Mikliss und Probst-Dance-Crew

Hier sind die Menschen glücklich, denn sie erfreuen sich an Cinderellas Schuh, der in einer Kugel aus Metallstäben ausgestellt ist. Doch es nahen die Schneekönigin und der Magier und stehlen den Schuh. Damit zieht nicht nur ein Sturm über dem Dorf auf, sondern die Menschen verlieren auch ihre Lebensfreude. Lily sucht nach Hilfe, doch die von Clown Pieric gebrachte Wunderlampe ist leer, denn Dschinni befindet sich im Urlaub. Immerhin schickt der Geist einen Freund, um zu helfen, verkörpert von dem jungen Musicalsänger Alexander Mikliss. Dazu erleben wir einige Damen der zehnköpfigen Probst-Dance-Crew in orientalischen Kostümen in einem herrlichen Blau tanzend.


Tumbling Crew, Probst-Dance-Crew, Olena Galkina

Nur in dieser ersten Phase benötigt die Handlung etwas viel Raum, um einmal eingeführt zu werden. Schon bald jedoch wechseln sich Circus-Attraktionen und Märchenstory dynamisch ab, nein: sie verschmelzen zu einer harmonischen Einheit in einem einzigen Bilderfluss. Für Tempo sorgen zunächst die Artisten der Tumbling Crew aus Kasachstan mit ihren Salti und Flic Flacs auf dem Fasttrack-Trampolin durch die gesamte Manege. Teils befinden sich drei Artisten gleichzeitig in der Luft. Lily und Alexander machen sich gemeinsam auf den Weg, den gestohlenen Schuh wiederzufinden und treffen zunächst auf einige zauberhafte Elfen in farbenprächtigen, floralen Kostümen. Gespielt werden sie von den Damen der Dance-Crew, unter denen wir – neben den hauptberuflichen Tänzerinnen – auch Juniorchefin Stephanie Probst entdecken können. Kann der Beutel voll Feenstaub helfen, den Olena Galkina mit sich führt? Die junge Ukrainerin fliegt elegant am Schwungtrapez, springt gekonnte Pirouetten und mutige Abfaller. Dabei wird sie vom live gesungenen, emotional packenden „Fly to your heart“ begleitet.


Gerd Koch, Lily mit Probst-Dance-Crew

Im nächsten Bild gelangen Lily und Alexander zu Alice in das Wunderland. Wiederum präsentieren die Damen der Dance-Crew fantastische Kostüme, die nunmehr an die Menschen, die wie Spielkarten aussehen, aus dem weltberühmten Kinderbuch erinnern. Hier erhalten die beiden von der roten Königin – gespielt von Stephanie Probst – eine leuchtende Glaskugel, die bei der Jagd nach dem Schuh helfen soll. Und noch im Wunderland werden wir Zeuge der schönen Dressurnummer, die Gerd und Marietta Koch gemeinsam mit der jungen Celina Probst vorführen. Sie lassen nicht nur Hunde auf verschiedene Weise springen, sondern auch zwei farbenprächtige Aras und zwei Kakadus fliegen. Einer der Aras hält sich mit dem Schnabel an dem Ring unter einer Discokugel und hält mit den Krallen einen Ring, auf dem wiederum einer der Kakadus Platz nimmt. In der nächsten Szene sind Lily und Alexander bei Hexen zu Gast, die mit ihren Besen um einen brodelnden Kessel tanzen. Dieser wird von Lily angerufen, ob er etwas zum Verbleib des Cinderella-Schuhs sagen kann.


Alfredo Lorenzo, Malambo Company

Es bleibt magisch-mystisch, wenn uns Alfredo Lorenzo - der diebische Magier vom Opening der Show - in die Welt seiner Großillusionen entführt. Großen Eindruck schafft gleich zu Beginn, wenn vier seiner Assistentinnen aus einer zuvor leeren Glasbox erscheinen. Im Folgenden werden sie von dem attraktiven jungen Mann dem Anschein nach zerteilt und wieder zusammengefügt oder von brennenden Speeren durchbohrt. Der Meister selbst wird auf Minimalgröße geschrumpft und verschwindet, unter Tüchern verdeckt, ins Nichts, um dann im Zuschauereingang des großen Chapiteaus zurückzukehren. Der Applaus ist riesig und laut. Auf leise Töne setzt wiederum Pieric bei seinem Zwischenspiel in der Loge. Dass der Circus ein Spiegel der Weltpolitik ist, wird auch in Gelsenkirchen deutlich. Nachdem Artisten aus Russland, gerade Truppen, derzeit praktisch nicht zur Verfügung stehen, sind Künstler aus Südamerika mehr in den Fokus gerückt – und damit die dort verbreiteten Genres. Und so dürfen wir auch in Gelsenkirchen eine Truppe mit Bola-Spielen bewundern. Die Männer und Frauen lassen in der typischen, temperamentvollen Weise die Bola-Seile kreisen, tanzen ausdrucksstark und trommeln martialisch. Damit geht es in die Pause.


Duo Magola, Lily und Alexander, Pieric

Hälfte zwei eröffnen Lily und Alexander gesanglich mit dem romantischen „Alles was zählt, bist du“. Damit bereiten sie den Boden für Dmitriy Magola und seine Ehefrau, die am Chinesischen Mast eine Lovestory im Tangorhythmus erzählen. Dies gelingt dem gut aussehenden, jungen Paar aus der Ukraine mit kraftvollen, durchaus auch außergewöhnlichen Figuren. In einer Spielszene auf der Tribüne entspinnt sich ein Dialog zwischen Handpuppen. Dabei erfahren Hänsel und Gretel, dass der Glücksdrache gesehen hat, wie der Zauberer mit dem Cinderella-Schuh zur Schneekönigin geflogen ist. Humor zum Schenkelklopfen würde in diese poetische Produktion wahrscheinlich gar nicht passen, Clownerie der leisen Töne dagegen umso mehr. So wie bei einem equestrischen Duett der besonderen Art: Clown Pieric „reitet“ mit einer Pferdefigur und im Duett mit einer Puppe, die wiederum auf einem lebendigen Pony sitzt.


Stephanie Probst und Gerd Koch

Dies ist der Auftakt zum großen Pferdeblock in dieser Show. Wir sind nun in einer Welt enzückender Elfen mit spitzen Ohren angelangt. Sie halten große, blumengeschmückte Reifen in den Händen. Stephanie Probst dirigiert ein schwarzes Pony mit „Einhorn“ durch diese Metallringe – und Lily singt dazu ungeheuer engagiert einen Song über den Wunsch, ein Einhorn zu sein. Im nächsten Bild gibt Gerd Koch den Bösewicht, der in der abgedunkelten Manege drei Friesen zu Lauffiguren anleitet. Details an seinem Kostüm, seine Schminke und die Geschirre der Tiere fluoreszieren im Finsteren. Fürs Gute steht dagegen die Eisprinzessin alias Stephanie Probst, die uns im Anschluss einen Sechserzug Schimmel als „Einhörner“ vorstellt. Sie geht in Mimik und Gestik voll in ihrer Rolle auf. Noch dazu gelingt ihr die Vorführung der Vierbeiner hervorragend.


Tumbling Crew, Truppe Magola, Ghost Riders

Lily und Alexander treffen nun im Palast der Schneekönigin ein. Der Besuch im Schloss wird symbolisiert durch Figurantinnen in verspiegelten Kostümen und silbernen Spiegelplatten, die von den Damen gehalten werden. Die Herrscherin hält den vermissten Schuh in Händen. Und wieder wechselt sich die Handlung mit einem großen artistischen Act ab, nun mit einer Kombination von Handvoltigen und Flügen von der Russischen Schaukel, gezeigt von der Tumbling Crew. Sie besteht aus sieben Herren und einer Dame. Nicht von einem längeren Brett, sondern von einer schmalen Stange wird abgesprungen, so dass das Requisit vergleichsweise filigran wirkt. Außer Pirouetten und Mehrfachsalti zur Matte beeindruckt vor allem der Sprung der Artistin über ein Drei-Personen-Hoch, bei dem der Obermann einen Einarmer auf dem Kopf des mittleren Artisten drückt. Von einer überlebensgroßen Figur aus Steinen erfährt Lily nun, wie Alexander von der Schneekönigin verzaubert wurde. Mit der Kraft der Liebe kann sie den Zauber lösen. Mit einem Glanzlicht des Programms geht es bei der Truppe Magola weiter. Sie widmet sich einer Rarität, der Percheakrobatik. So staunen wir, wie Dmitry Magola einen Kopfstand auf einer sehr hohen Perchestange zeigt, während seine Partnerin auf einer weiteren Schulterperche in einem Gestell rotiert. Überraschend ist ihr Wechsel von einer Perchestange an eine andere zum Spagat in Fußschlaufen an zwei Seilen. Diese hält Dmitry Magola mit einem Nackengurt, kopfüber an der zweiten Perchestange hängend. Spektakulär wird es nochmal zum Abschluss, wenn die sechs „Ghost Riders“ ihre Runden in der Motorradkugel drehen, dies auch mit LED-beleuchteten Maschinen. Stürmischer Applaus ist der Lohn. Nun bleibt nur noch die Auflösung der Geschichte: Der böse Zauber der Schneekönigin ist gebannt, im Tausch gegen Feenstaub und leuchtende Kugel kehrt der Cinderella-Schuh zurück nach Sonnenbrunn. Und mit ihm das Gück der Dorfbewohner. Regie und Choreographie Anett Simmen, künstlerische Leitung Stephanie Probst, Lichtdesign Andreas Probst und Robin Schäfer, Ton Sebastian Zündorf, Manegenchef Sergiu Mosanu und natürlich die Direktion Brigitte und Reinhard Probst: Der Erfolg hat hier viele Väter (und Mütter).

Gemeinsam haben die Verantwortlichen ein wundervolles Stück Circus geschaffen, eine Mischung aus Musical und Artistik, die uns tief berührt hat. Der Aufwand ist außerordentlich, allein über 100 Kostüme wurden dafür kreiert. Dennoch geht dies alles nicht auf Kosten der Programmstärke. Auch diese überzeugt vollends. Und so können wir die Familie Probst nur darin bestärken, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Während wir am Ende stehend applaudieren, hören wir das Fazit der Besucher hinter uns: „Da müssen wir jetzt jedes Jahr kommen!“. Schöner können wir es auch nicht sagen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll