Zu Beginn schlägt Sängerin
Lily ein großes Märchenbuch auf und wendet sich direkt ans
Publikum. „Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit, an Elfen und
Einhörner?“, lautet ihre Frage. Und mit ihrem ersten Song –
„Schlaf ein mein Kind und träume süß“ – werden wir hineingezogen
in eine wundersame Märchenwelt. Zu „Fairytale“, dem
mitreißenden Siegertitel von Alexander Rybak beim Eurovision
Song Contest 2009, empfängt uns das Ensemble im Dörfchen
Sonnenbrunn, das durch eine Reihe malerischer, plastisch
wirkender Fachwerkhäuser im Hintergrund angedeutet ist.
 
Lily, Alexander Mikliss
und Probst-Dance-Crew
Hier sind die Menschen glücklich,
denn sie erfreuen sich an Cinderellas Schuh, der in einer
Kugel aus Metallstäben ausgestellt ist. Doch es nahen die
Schneekönigin und der Magier und stehlen den Schuh. Damit zieht
nicht nur ein Sturm über dem Dorf auf, sondern die Menschen
verlieren auch ihre Lebensfreude. Lily sucht nach Hilfe, doch
die von Clown Pieric gebrachte Wunderlampe ist leer, denn
Dschinni befindet sich im Urlaub. Immerhin schickt der Geist
einen Freund, um zu helfen, verkörpert von dem jungen
Musicalsänger Alexander Mikliss. Dazu erleben wir einige Damen
der zehnköpfigen Probst-Dance-Crew in orientalischen
Kostümen in einem herrlichen Blau tanzend.
  
Tumbling Crew,
Probst-Dance-Crew, Olena Galkina
Nur in dieser ersten Phase
benötigt die Handlung etwas viel Raum, um einmal eingeführt zu
werden. Schon bald jedoch wechseln sich Circus-Attraktionen und
Märchenstory dynamisch ab, nein: sie verschmelzen zu
einer harmonischen Einheit in einem einzigen Bilderfluss. Für
Tempo sorgen zunächst die Artisten der Tumbling Crew aus
Kasachstan mit ihren Salti und Flic Flacs auf dem
Fasttrack-Trampolin durch die gesamte Manege. Teils befinden
sich drei Artisten gleichzeitig in der Luft. Lily und Alexander
machen sich gemeinsam auf den Weg, den gestohlenen Schuh
wiederzufinden und treffen zunächst auf einige zauberhafte Elfen
in farbenprächtigen, floralen Kostümen. Gespielt werden sie von
den Damen der Dance-Crew, unter denen wir – neben den
hauptberuflichen Tänzerinnen – auch Juniorchefin Stephanie
Probst entdecken können. Kann der Beutel voll Feenstaub helfen,
den Olena Galkina mit sich führt? Die junge Ukrainerin fliegt
elegant am Schwungtrapez, springt gekonnte Pirouetten und mutige
Abfaller. Dabei wird sie vom live gesungenen, emotional
packenden „Fly to your heart“ begleitet.
 
Gerd Koch, Lily mit
Probst-Dance-Crew
Im nächsten Bild gelangen Lily
und Alexander zu Alice in das Wunderland. Wiederum präsentieren
die Damen der Dance-Crew fantastische Kostüme, die nunmehr an
die Menschen, die wie Spielkarten aussehen, aus dem
weltberühmten Kinderbuch erinnern. Hier erhalten die beiden von
der roten Königin – gespielt von Stephanie Probst – eine
leuchtende Glaskugel, die bei der Jagd nach dem Schuh helfen
soll. Und noch im Wunderland werden wir Zeuge der schönen
Dressurnummer, die Gerd und Marietta Koch gemeinsam mit der
jungen Celina Probst vorführen. Sie lassen nicht nur Hunde auf
verschiedene Weise springen, sondern auch zwei farbenprächtige
Aras und zwei Kakadus fliegen. Einer der Aras hält sich mit dem
Schnabel an dem Ring unter einer Discokugel und hält mit den
Krallen einen Ring, auf dem wiederum einer der Kakadus Platz
nimmt. In der nächsten Szene sind Lily und Alexander bei Hexen
zu Gast, die mit ihren Besen um einen brodelnden Kessel tanzen.
Dieser wird von Lily angerufen, ob er etwas zum Verbleib
des Cinderella-Schuhs sagen kann.
 
Alfredo Lorenzo, Malambo
Company
Es bleibt magisch-mystisch, wenn
uns Alfredo Lorenzo - der diebische Magier vom Opening der Show
- in die Welt seiner Großillusionen entführt.
Großen Eindruck schafft gleich zu Beginn, wenn vier seiner
Assistentinnen aus einer zuvor leeren Glasbox erscheinen. Im
Folgenden werden sie von dem attraktiven jungen Mann dem
Anschein nach zerteilt und wieder zusammengefügt oder von
brennenden Speeren durchbohrt. Der Meister selbst wird auf
Minimalgröße geschrumpft und verschwindet, unter Tüchern
verdeckt, ins Nichts, um dann im Zuschauereingang des großen Chapiteaus zurückzukehren. Der Applaus ist riesig und laut. Auf
leise Töne setzt wiederum Pieric bei seinem Zwischenspiel in der
Loge. Dass der Circus ein Spiegel der Weltpolitik ist, wird
auch in Gelsenkirchen deutlich. Nachdem Artisten aus Russland,
gerade Truppen,
derzeit praktisch nicht zur Verfügung stehen, sind Künstler aus
Südamerika mehr in den Fokus gerückt – und damit die dort
verbreiteten Genres. Und so dürfen wir auch in Gelsenkirchen
eine Truppe mit Bola-Spielen bewundern. Die Männer und Frauen
lassen in der typischen, temperamentvollen Weise die Bola-Seile
kreisen, tanzen ausdrucksstark und trommeln martialisch. Damit
geht es in die Pause.
  
Duo Magola, Lily und
Alexander, Pieric
Hälfte zwei eröffnen Lily und
Alexander gesanglich mit dem romantischen „Alles was zählt, bist
du“. Damit bereiten sie den Boden für Dmitriy Magola und seine
Ehefrau, die am Chinesischen Mast eine Lovestory im
Tangorhythmus erzählen. Dies gelingt dem gut aussehenden, jungen
Paar aus der Ukraine mit kraftvollen, durchaus auch
außergewöhnlichen Figuren. In einer Spielszene auf der Tribüne
entspinnt sich ein Dialog zwischen Handpuppen. Dabei erfahren
Hänsel und Gretel, dass der Glücksdrache gesehen hat, wie der
Zauberer mit dem Cinderella-Schuh zur Schneekönigin geflogen
ist. Humor zum Schenkelklopfen würde in diese poetische
Produktion wahrscheinlich gar nicht passen, Clownerie der leisen
Töne dagegen umso mehr. So wie bei einem equestrischen Duett der
besonderen Art: Clown Pieric „reitet“ mit einer Pferdefigur und
im Duett mit einer Puppe, die wiederum auf einem lebendigen Pony
sitzt.
 
Stephanie Probst und Gerd
Koch
Dies ist der Auftakt zum großen
Pferdeblock in dieser Show. Wir sind nun in einer Welt enzückender Elfen mit spitzen Ohren angelangt. Sie halten große,
blumengeschmückte Reifen in den Händen. Stephanie Probst
dirigiert ein schwarzes Pony mit „Einhorn“ durch diese
Metallringe – und Lily singt dazu ungeheuer engagiert einen Song
über den Wunsch, ein Einhorn zu sein. Im nächsten Bild gibt Gerd
Koch den Bösewicht, der in der abgedunkelten Manege drei Friesen
zu Lauffiguren anleitet. Details an seinem Kostüm, seine
Schminke und die Geschirre der Tiere fluoreszieren im Finsteren.
Fürs Gute steht dagegen die Eisprinzessin alias Stephanie
Probst, die uns im Anschluss einen Sechserzug Schimmel als
„Einhörner“ vorstellt. Sie geht in Mimik und Gestik voll in
ihrer Rolle auf. Noch dazu gelingt ihr die Vorführung der
Vierbeiner hervorragend.
  
Tumbling Crew, Truppe
Magola, Ghost Riders
Lily und Alexander treffen nun im
Palast der Schneekönigin ein. Der Besuch im Schloss wird symbolisiert durch Figurantinnen
in verspiegelten Kostümen und silbernen Spiegelplatten, die von
den Damen gehalten werden. Die Herrscherin hält den vermissten
Schuh in Händen. Und wieder wechselt sich die Handlung mit einem
großen artistischen Act ab, nun mit einer Kombination von
Handvoltigen und Flügen von der Russischen Schaukel, gezeigt von
der Tumbling Crew. Sie besteht aus sieben Herren und einer Dame.
Nicht von einem längeren Brett, sondern von einer schmalen
Stange wird abgesprungen, so dass das Requisit vergleichsweise
filigran wirkt. Außer Pirouetten und Mehrfachsalti zur Matte
beeindruckt vor allem der Sprung der Artistin über ein
Drei-Personen-Hoch, bei dem der Obermann einen Einarmer auf dem
Kopf des mittleren Artisten drückt. Von einer überlebensgroßen
Figur aus Steinen erfährt Lily nun, wie Alexander von der
Schneekönigin verzaubert wurde. Mit der Kraft der Liebe kann sie
den Zauber lösen. Mit einem Glanzlicht des Programms geht es bei
der Truppe Magola weiter. Sie widmet sich einer Rarität, der
Percheakrobatik. So staunen wir, wie Dmitry Magola einen
Kopfstand auf einer sehr hohen Perchestange zeigt, während seine
Partnerin auf einer weiteren Schulterperche in einem Gestell
rotiert. Überraschend ist ihr Wechsel von einer Perchestange an
eine andere zum
Spagat in Fußschlaufen an zwei Seilen. Diese hält Dmitry Magola
mit einem Nackengurt, kopfüber an der zweiten Perchestange
hängend. Spektakulär wird es nochmal zum Abschluss, wenn
die sechs „Ghost Riders“ ihre Runden in der Motorradkugel
drehen, dies auch mit LED-beleuchteten Maschinen. Stürmischer
Applaus ist der Lohn. Nun bleibt nur noch die Auflösung der
Geschichte: Der böse Zauber der Schneekönigin ist gebannt, im Tausch
gegen Feenstaub und leuchtende Kugel kehrt der Cinderella-Schuh
zurück nach Sonnenbrunn. Und mit ihm das Gück der Dorfbewohner.
Regie und Choreographie Anett Simmen, künstlerische Leitung
Stephanie Probst, Lichtdesign Andreas Probst und Robin Schäfer,
Ton Sebastian Zündorf, Manegenchef Sergiu Mosanu und natürlich
die Direktion Brigitte und Reinhard Probst: Der Erfolg hat hier
viele Väter (und Mütter). |