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Heilbronner Weihnachtscircus 2024/25
www.weihnachtscircus.com ; 205 Showfotos

Heilbronn, 18. Dezember 2024: Deutschland entwickelt sich weiter zum Weihnachtscircus-Land. Um die 50 größere Produktionen laden zum Besuch. Der Heilbronner Weihnachtscircus ist eine der traditionsreichsten davon. Dabei setzt er im Jahr vor seinem 25. Jubiläum Maßstäbe – mit einem Programm, das wohl alles übertrifft, was wir bisher in der Stadt am Neckar erleben durften. Sicher ist, dass es hier noch nie ein solch großes Ensemble gab. Es besteht aus fünf Truppen, hochklassigen Duos, renommierten Tierlehrern, herrlichen Clowns, exquisitem Ballett sowie Orchester.

Maßstäbe setzen auch die Zeltanlagen samt Innenausstattung und Dekoration. Zum zweiten Mal nutzt der Zirkus Charles Knie mit Direktor Sascha Melnjak eigenes, speziell für Heilbronn angeschafftes Material. Es passt optisch perfekt zum reisenden Circus. Das große Vorzelt bietet ein umfassendes kulinarisches Angebot, das auch rege genutzt wird. Vom Feinsten ist das Ambiente im Inneren des Chapiteaus mit ansteigenden Sitzreihen bereits in den Logen, Klappsitzen der neuesten Generation und Balkonlogen mit Panoramablick über das Geschehen. Der Artisteneingang wird von elegant geschwungenen, in wechselnden Farben leuchtenden Showtreppen eingerahmt. Über dem Portal sitzt das Orchester. Mit außen liegenden Bögen statt vier klassischer Masten wäre die Perfektion erreicht.


„La Bouche“ Showgirls, Flórián Richter

Empfangen werden wir zum Beginn der Vorstellung von den sechs Profitänzerinnen der „La Bouche“ Showgirls. Alle sind bildhübsch, alle tanzen exzellent und alle tragen wundervolle, hautfarbene Ganzkörper-Kostüme, die über und über mit Herzen und dem Wort „Love“ bedruckt sind. Hinzu kommt herrlicher roter Federschmuck. Die Begrüßung übernimmt Rebecca Siemoneit-Barum, die uns mit ihren charmanten und kenntnisreichen Moderationen durch diesen Abend begleiten wird. Und damit ist die Manege frei für Flórián Richter und seine mit viel Schwung und Temperament präsentierten Freiheitsdressuren. Sechs Schimmel, vier schwarze Pferde und ein geschecktes vereint er in der Manege, leitet sie zu anspruchsvollen, temporeichen Lauffiguren an, insbesondere mit imposanten Gegenläufen in unterschiedlichen Varianten. Feurige Steiger bilden den Abschluss. Der 1977 in Stuttgart geborene, ungarisch-deutsche Circusdirektor, Gewinner des Silbernen und des Goldenen Clowns in Monte Carlo, setzt sich hier einmal mehr als energiegeladener Entertainer in Szene.


Hebei Acrobatic Troupe, Hermanos Segura, Duo Rings

Für weitere große Bilder in schwarz-weiß sorgen die 16 stilvoll gekleideten Artisten der Hebei Acrobatic Troupe aus China mit ihren Hutjonglagen, die von Michael Jacksons „Smooth Criminal“ in mitreißender Weise begleitet werden. In einigen Passagen in großer Formation, in anderen Szenen einzelne Akteure in den Fokus nehmend, werden mit den Kopfbedeckungen alle möglichen Wurfmuster gezeigt. Und dies auch, während sich zehn Männer zu einer Pyramide auf drei Ebene formen, während vier Untermänner jeweils zwei Partner tragen oder während einer jonglierend über die Schultern der anderen läuft, die in Reihe die Strohhüte fliegen lassen. Großer Jubel und rhythmisches Klatschen sind der Lohn. Was die Kostüme betrifft, bleiben wir auch bei den beiden Brüdern Leandro (23) und Luciano Segura (19) aus Argentinien bei Black and White. Bei ihren ikarischen Spielen der Extraklasse wirbelt der ältere den jüngeren mit den Füßen durch die Luft. Nach Salti und Pirouettesprüngen wird mehrfach Fuß auf Fuß gelandet, einmal auch nur auf einem Fuß des Untermannes stehend. Der Doppelsalto und eine lange Serie von Überschlägen und Schrauben, dies mit verbundenen Augen, bilden den Abschluss. Die jugendlich-sympathischen „Hermanos“ räumen total ab, die Stimmung ist jetzt bereits am Siedepunkt. Landsleute von ihnen sind Flor Aracama und Nico Buss. Das blendend aussehende Paar hat für seine Luftakrobatik ein außergewöhnliches Requisit gewählt, zwei Strapatenbänder mit jeweils einem Ring mit schmalem Durchmesser am Ende. Mal trägt sie den Partner, der mit einer Hand an ihren Fuß greift; mal hält sich jeder von ihnen nur mit einer Hand an einem Ring, während sie einander in kunstvollen Figuren umkreisen. Zum Schluss hält sie sich mit beiden Händen an den Ringen und faltet die Beine wie ein Klappmesser vor den Körper, während er sich wiederum an ihren Fußgelenken fasst.


Namayca und Paul Bauer, Arte Algo

Nach so viel Aufregung ist Bedarf für etwas heitere Entspannung, und diese liefern Namayca und Paul Bauer mit ihrer Bauernhofdressur. Hunde und Schweine jeweils unterschiedlicher Rassen, Ziegen, ein Pony sowie ein farbenprächtiger Hahn bevölkern die Manege und gefallen in einer ansprechenden Trickfolge vor liebevoll gestalteter Kulisse – es gibt wohl aktuell kaum ein schöneres Tier-Potpourri dieser Art. Während des folgenden Umbaus machen wir erstmals Bekanntschaft mit den Clowns Steve und Ryan, die sich beim Hutwerfen probieren, und erfreuen uns an einem Wiedersehen mit den Showgirls, nunmehr in farbenfrohen Kostümen. Und schon ist das Trampolin mit Haus der sechsköpfigen Formation Arte Algo errichtet. Zwar gab es dieses Genre vor einigen Jahren schon einmal in Heilbronn zu sehen, doch hier hat es einen neuen Twist erhalten. Denn die obere Etage des Plexiglashauses ist variabel, zwei Plattformen lassen sich beliebig auseinander- und zusammenschieben oder durch eine dazwischen gesteckte Reckstange verbinden. So sind mannigfaltige Sprünge und Salti von den Trampolinen links und rechts zu den unterschiedlichen Ebenen des Hauses dazwischen und zurück möglich. Ein gut gelaunter, actionreicher Spaß.


Steve and Ryan, Angelina und Flórián Richter

Und die Laune bleibt gut, denn Steve und Ryan bieten im Zusammenspiel mit Rebecca Siemoneit-Barum kreativen Slapstick. Die Geschichte handelt davon, dass die beiden Clowns das Hemd des Kapellmeisters in ihrer Waschmaschine reinigen sollen – der Aufhänger für eine turbulente Wasserschlacht. Ernsthafter geht es dann wieder bei der Ungarischen Post zu, die hier von Angelina Richter geritten wird. Zwölf Vorauspferde in drei Gruppen galoppieren letztendlich in vollem Tempo durch die Manege, hinter ihnen die jugendlich-elegante Reiterin auf den Rössern 13 und 14. Dabei nimmt sie die Bänder von den Rücken der Tiere auf und formt so ein imaginäres Gespann. Ihr Vater Flórián ordnet das Geschehen in der Mitte des roten Rings. Damit geht es in die Pause.


Argendance

Zu Hälfte zwei empfängt uns das Ballett in glamouröser Weise mit blauen Hüten. Das doppelte Flugtrapez der zehnköpfigen Truppe „The Flying Halcones“ aus Chile ist da schon aufgebaut. Auf zwei Bahnen nebeneinander wird ein wahres Festival an Sprüngen sicher präsentiert. Besonders herausgestellt wird von Rebecca Siemoneit-Barum in ihrer Ansage die spektakuläre Reihung von doppelter Pirouette, dreifachem gestreckten Salto, dreifachem Salto mit Pirouette und Doppelsalto, die zwei der Artisten in schneller Abfolge präsentieren. Mit der Passage, auf beiden Bahnen parallel gesprungen, findet diese starke und attraktive Darbietung ihren Abschluss. Nach einem Intermezzo der Clowns folgen zwei weitere, große Truppennummern. Zunächst bleiben wir in Südamerika. Die Truppe Argendance – bekannt aus dem Saisonprogramm bei Charles Knie - bringt hier das ganze Temperament ihrer Heimat aufs Parkett, mit rasant kreisenden Bola-Seilen und dem typischen Klackern, mit ausdrucksstarkem Tanz und martialischem Trommeln. Das choreographische Gesamtkunstwerk lässt in wechselnden Lichtstimmungen immer neue Bilder erscheinen.


Unicircle Flow

Nun geht es nach Asien. Die acht Japanerinnen der Truppe „Unicircle Flow“ fahren auf ihren Einrädern über den Holzboden, der in der Pause ausgelegt wurde – wie der Truppenname bereits andeutet, in einem großartigen Fluss der Bewegungen. Mal rotieren die Mädchen mit ihren wehenden roten Kleidern in Formation jeweils um die eigene Achse, mal schaffen sie bewegte Bilder, in dem sie hintereinander her fahren, sich teilweise auch im Stil einer Polonaise an den Händen halten. So kreuzen sich ihre Bahnen, oder es wird spontan eine Drehung eingebaut, sich weiter an den Händen fassend.


Rebecca Siemoneit-Barum, Duo Unity, "La Bouche" Showgirls

Nun folgt einer der schönsten Momente der Show, der noch später im Programm – vor der Schlussnummer – vielleicht noch angemessener platziert wäre. Eingeleitet wird er von Rebecca Siemoneit-Barum, die auf der linken Showtreppe stehend „Let you love me“ von Rita Ora interpretiert, während die Showgirls einen wunderbaren Tanz zelebrieren, in ihren Händen Fächer haltend, die mit zarten Tüchern verlängert sind. So wird stimmungsvoll die Bühne bereitet für den Auftritt des Duos Unity. Die Ulmerin Lea Toran Jenner und ihr kanadischer Partner Francis Perreault rotieren hier in einem intensiven, emotionsgeladenen Duett im Cyrrad über den Bühnenboden. In einigen Passagen einander zugewandt, in anderen Rücken an Rücken, kurzzeitig auch jeweils im Solo, drehen sie ihre Runden. Die enorme Ausstrahlung der beiden erreicht wohl jeden Besucher im Chapiteau. Das Duo, das auch das Plakatmotiv bildet, feierte schon im Moulin Rouge in Paris Erfolge und wird von Heilbronn direkt zum Circusfestival nach Monte Carlo weiterreisen. Ganz nebenbei genießt „Zirkuslea“ mit mehr als 70.000 Followern auf Instagram auch Promi-Status als Influencerin und bot in Heilbronn gar ein „Meet and Greet“ an.


Steve and Ryan, Duo Olmos, Hebei Acrobatic Troupe

Nochmal lassen uns Steve and Ryan herzlich lachen, nunmehr in ihrer verrückten Werkstatt mit wunderbar plastischen Requisiten. Solo-Artisten gibt es in dieser ganz großen Show keine, die kleinste Einheit ist das Duo. Und so ist es nun an den spanischen Brüdern Rafael und Paco Olmos, sich mithilfe der Koreanischen Wippe gegenseitig zu Sprüngen, Salti und Platzwechseln auf die jeweils andere Seite des Requisits in die Höhe zu katapultieren. Dies alles geschieht zu elektronischer Musik cool und unaufgeregt. Den Schluss- und Höhepunkt des Programms übernehmen noch einmal die 16 Herren der Hebei Acrobatic Troupe. Ihre Vasenjonglage ist einer von mehreren Belegen in dieser Show, dass es Sascha Melnjak auch in der 24. Saison immer wieder gelingt, etwas fürs Heilbronner Publikum Neues zu finden. Und die Nummer bietet, nach der Michael-Jackson-Choreographie der Truppe zu Beginn der Vorstellung, nun traditionelles asiatisches Flair. In einer faszinierenden Abfolge werden Vasen von Kopf zu Kopf weitergereicht, schräg auf der Kante stehend auf dem Schädel balanciert oder – und zwar große, massive Exemplare – geworfen und im Nacken gefangen. Spektakulär ist beispielsweise auch, wie ein Zwei-Personen-Hoch per Handvoltige zum Drei-Personen-Hoch erhöht wird, während der vorherige Obermann die Vase von seinem Nacken in die Höhe katapultiert und der neue Obermann sie ebenso auf den Schultern fängt.

Nun kann nur noch das Finale folgen, das von der singenden Rebecca Siemoneit-Barum und vom Ballett in exquisiten Federschmuck-Kostümen eingeleitet wird. Fast 70 Artistinnen und Artisten versammeln sich in der Manege, um die begeisterten Standing Ovations des Publikums entgegenzunehmen. Ein solch kolossales Programm bekommen auch wir – bei unzähligen Circusbesuchen quer durch Europa Jahr für Jahr – nur äußerst selten zu sehen. Mit der 24. Ausgabe übertrifft der Heilbronner Weihnachtscircus sich selbst. Wir sind heute schon gespannt, ob das Jubiläumsprogramm im kommenden Winter hier noch etwas draufsetzen kann.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll