Auch zwei Jahre
Unterbrechung, bedingt durch die Corona-Pandemie, konnten den
Erfolg nicht schmälern. Während andere Veranstalter mehrere
Weihnachtscircusse an unterschiedlichen Orten abhalten, haben
sich Rudi Bauer und sein Team ein weiteres Standbein in der
gleichen Stadt geschaffen: den “Winterzauber” im Schlosshof, mit
Eisbahn, Karussell und Hüttendorf. Hier lassen sich von November
bis Januar Glühwein und Gegrilltes, Süßes und Herzhaftes
genießen. Nur einen Spaziergang durch den Kurpark entfernt liegt
der Volksfestplatz, auf dem wiederum die eindrucksvollen,
weiß-gelben Zeltanlagen des nicht mehr reisenden Circus
Universal Renz aufgeschlagen sind und in weihnachtlichem Schmuck
erstrahlen.
 
Opening mit Dolly Power
Dancers und Jimmy Folco, Los Ortiz
Kein Geringer als Louis Knie jun.
hat die Show in Szene gesetzt. Im Opening sehen wir, wie sich
Jimmy Folco vom vermeintlichen Logengast in einen Clown
verwandelt, dies am Schminktisch in der Mitte der Manege,
umringt von den Tänzerinnen und Tänzern der „Dolly Power Dancers“,
der Tanzformation im Bingo-Style aus dem Hause Louis Knie. Zum
dritten Mal verpflichtet wurde David Paschke, der als
Sprechstallmeister im roten Frack gewohnt formvollendet durch
das Programm führt. „Wir beginnen da, wo andere aufhören!“, wird
die Hochseilnummer der Truppe Ortiz von ihm verheißungsvoll
angekündigt. Auf- und Abgang übers Schrägseil, der Sprung über
einen und über zwei Partner, Seilspringen, ein doppeltes
Zwei-Personen-Hoch, Dreierpyramide mit Stuhl und die in der
Werbung herausgestellte Siebener-Pyramide – bei der die Dame an
der Spitze allerdings zusätzlich zum Luftkissen am Boden per
Longe gesichert ist – gehören zum Repertoire. Eine sehr
originelle, neue Reprise hat sich Jimmy Folco erarbeitet. Im
Dialog mit David Paschke wird diese im Zuschauereingang
gespielt. „Das Publikum liebt mich“, ist sich der Clown sicher.
Komiker und Moderator motivieren das Publikum gemeinsam zu den
Reaktionen, die Jimmy bei seinen Auftritten für erwartbar hält:
stürmischen Applaus, Standing Ovations und schließlich „Jimmy, I
love you“-Rufe.
  
Skating Senna, Nicole
Berousek, Sergei Malinovsky
Bei seiner Rollschuhnummer
absolviert das Duo Senna, der Brasilianer Samyr und seine
ukrainische Partnerin Anastasiia Savych, eine relativ kompakte
Trickfolge bis hin zum Genickhangwirbel. Dass die hübsche
Blondine recht groß ist, macht die Arbeit in dieser Disziplin
sicherlich nicht einfacher. Anschließend sorgen die Dolly Power
Dancers mit ihrem „Wischmopp-Ballett“ für Ordnung in der Manege.
Rasant geht es weiter mit der Hundedressur, die Nicole Berousek
zu fröhlicher Musik in die Manege bringt. Ihr halbes Dutzend
Vierbeiner wirkt sehr gelehrig, egal ob bei diversen Sprüngen
oder der Polonaise zum Abschluss. Sergei Malinovsky beeindruckt
uns mit seiner kraftvollen Akrobatik am Flying Pole. Mal hält
der junge Mann mit dem muskulösen Oberkörper sich nur mit den
Beinen, dann nur mit der Schulter und dem angewinkelten rechten
Arm am Requisit. Zum Schlusstrick springt er vom Boden an die
Stange und hält sich daran, in einem Blackout verschwindend.
  
Gottani Warrriors, Jimmy
Folco, Nicole Berousek
Auf die Dunkelheit folgt Licht,
denn für das Jubiläumsprogramm hat Rudi Bauer einen seiner
persönlichen Favoriten der letzten Jahre nochmals engagiert: die
Gottani Warriors mit ihrer Lasershow. Yuri Gottani und Ehefrau
Aurelie erzählen dabei mit Lichtstrahlen die Geschichte eines
Duells. Interessante Effekte, eindrucksvolle Bilder und viele
technische Raffinessen kennzeichnen diese Darbietung, die zu den
stärksten des modernen Genres gehört. Spannung wird abgelöst von
Entspannung, wenn Jimmy Folco im großen Planschbecken seinen
amüsanten Kampf gegen einen Hai ausficht. Den Pferdeblock vor
der Pause leitet Nicole Berousek ein. Begleitet von einer
Tänzerin, die die Schritte des Rosses nachempfindet, nehmen wir
sie als stolze, elegante Reiterin auf einem prächtigen Friesen
wahr.
 
Louis Knie, Dolly Power
Dancers
Dann gehört die Manege Louis
Knie, der sechs Schimmel in einer Freiheitsdressur mit
klassischen Lauffiguren vorstellt, unter anderem dem Gegenlauf.
Als die Tiere sich aufreihen, um Zuckerstücken zur Belohnung zu
erhalten, möchte eines sich ein weiteres Mal anstelen. Mit
einem Augenzwinkern wird dies quittiert, ebenso wie die ganze
Nummer mit leichter Hand vorgeführt wird. Bei den abschließenden
Steigern erleben wir braune Hengste, dies einzeln und zu zweit.
Für die Unterbrechung empfiehlt uns David Paschke den Besuch der
umfangreichen Gastronomie im Vorzelt wie auch die Lektüre des
sehr ansprechend gestalteten Programmheftes. Hälfte zwei wird
wiederum mit einem großen Opening eröffnet: Während uns die vier
Mädels und zwei Jungs der Dolly Power Dancers in silbern
glänzenden Kostümen mit einem energiegeladenen Tanz sowie
Seilspringen erfreuen, zeigt über ihnen Andrea Navratilova
traditionelle Figuren der Arbeit am Vertikalseil.
  
Nicole Berousek, Joey Nix
und Assistentin, Jimmy Folco und David Paschke
Jimmy Folco hat sich derweil in
einen Indianerhäuptling mit großem Federschmuck verwandelt. Er
hält hier eine Zeitung in der Hand, die von David Paschke mit
der Peitsche zerteilt wird. Dabei hilft Jimmy mit beherztem
Reißen ein klein wenig nach. In ihrer temporeichen Hula-Hoop-Nummer lässt Nicole Berousek weniger die Reifen um Körper,
Arme und Beine rotieren, sondern zelebriert vor allem einen
wild-dynamischen Tanz, in dem sie auch mit den Reifen jongliert.
Ein wenig zu gut meint es die Lichtregie nicht nur an dieser Stelle
mit dem Einsatz von Theaternebel – zeitweilig ist die junge
Tschechin nur noch schemenhaft zu erkennen. Dass man manches
nicht so genau sehen soll, gehört bei einer Illusionsshow
selbstverständlich hinzu. Zum Jubiläum steht der Kreativdirektor
des Main-Tauber-Weihnachtscircus, Joey Nix, wieder einmal selbst
in der Manege. Dies mit dem passenden Künstlernamen Joey Grand,
denn Großillusionen sind sein Metier. Da erscheint er selbst wie
aus dem Nichts, da verschwinden seine Assistentinnen und kehren
zurück, nachdem sie zuvor scheinbar von brennenden Speeren
durchbohrt werden. Neu im Repertoire hat er jenen Trick, bei dem
er einer vollständig mit Wasser gefüllten Glasbox entkommt, in
der sich nun die Partnerin wiederfindet, ebenso gefesselt wie
zuvor er. Nachdem der Manegenteppich nun ohnehin schon nass ist,
hat Jimmy Folco freie Bahn für sein Wasser-Entree, dies im
kongenialen Zusammenspiel mit David Paschke. Da bleibt kein
Auge trocken. Bei einem „Spiel um 1000 Euro“ soll Jimmy zunächst
einen Ball in einem Trichter fangen; letztendlich wird er
ausgetrickst und bekommt einen Becher Wasser in die Hose
gekippt. Beim Versuch, auf gleiche Weise einen Requisiteur zu
foppen, scheitert Jimmy grandios.
  
Jimmy Navratil, Truppe
White Angels, Duo Ortiz
Grandios ist auch das Können
von Jimmy Navratil. Das großartige Nachwuchstalent jongliert mit
jeweils bis zu fünf Fußbällen und Tennisschlägern und begeistert
dabei mit toller Ausstrahlung. Er sucht und findet den Kontakt
zum Publikum - definitiv ein Highlight dieses Programms. Ganz
neu zusammengestellt wurde vom Hause Louis Knie eine große
Schleuderbrett-Attraktion: Bei den „White Angels“ lässt sich die
blonde Fliegerin beispielsweise zum Stand auf einer
Fieberglasstange katapultieren, die von vier Herren im doppelten
Zwei-Personen-Hoch gehalten wird. Den Abschluss bildet später
der Sprung zum Fünf-Personen-Hoch mit Stange. Nachdem sich ein
Akteur der neuen Truppe leider verletzt hat, dürfen wir an
diesem Abend über prominenten Ersatz staunen: Marius Marton,
viele Jahre bekanntes Gesicht in der Truppe Jozsef Richter und
somit Gold-Gewinner in Monte Carlo, wagt verschiedene hohe
Sprünge zur Matte. Zusammen mit den Dolly Power Dancers wird die
Darbietung in eine ganz große, schwungvolle und mitreißende
Shownummer verwandelt. Dafür hat die 2023 für den Schweizer
National-Circus geschaffene Darbietung der Truppe Zola,
musikalisch wie choreographisch, unverkennbar die Vorlage
geliefert. Besonderes Pech hatte die Direktion mit der
Schlussnummer, denn nach einem Unfall in der Probenphase kann
der Hauptakteur auf dem Todesrad während des gesamten Gastspiels
nicht auftreten. Zwar ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit
einen Ersatz-Artisten aus Südamerika einzufliegen, doch diese
spontan kreierte Version des „Duo Ortiz“ fällt naturgemäß
weniger spektakulär aus, auch wenn Blindlauf und Sprünge auf dem
Außenrad geboten werden. Dennoch applaudiert das Publikum
tosend. |