CHPITEAU.DE

Offenburger Weihnachtscircus 2024/25
www.offenburger-weihnachtscircus.de ; 186 Showfotos

Offenburg, 27. Dezember 2024: Zum 11. Mal steht der Offenburger Weihnachtscircus in diesem Winter unter der Verantwortung von Sascha Melnjak, auch bekannt als Direktor des Zirkus Charles Knie und des Heilbronner Weihnachtscircus. Doch der Weihnachtscircus in der Ortenau verfügt über eine noch viel längere Tradition, findet insgesamt bereits zum 27. Mal statt. Nach der Spielzeit 2011/12 hörte die langjährige und inzwischen verstorbene Gründerin Anja M. Oschkinat auf; im Jahr darauf übernahm Sascha Melnjak den Standort, in den ersten drei Wintern gemeinsam mit Uwe Gehrmann.

„Von großen Erfolgen und bitteren Niederlagen“ ist ein ausführlicher Beitrag im aktuellen Programmheft beschrieben, der die Geschichte des Offenburger Weihnachtscircus nachzeichnet, ohne etwas zu beschönigen. Es habe Jahre gedauert und einen „richtig dicken Haufen Geld" gekostet, den Offenburger Weihnachtscircus nach der Ära Oschkinat wieder in wirtschaftlich erfolgreiches Fahrwasser zu bringen. Dafür verantwortlich zeichnen nicht nur Sascha Melnjak, sondern auch sein Produktionsteam für Offenburg, Dieter Seeger, Thorsten Brandstätter und Holger Fischer. Gespielt wird in den weihnachtlich geschmückten Zeltanlagen des Tourneebetriebs, die umfangreiche Restauration steht hier unter der Verantwortung von Tom Dieck jun. und Ehefrau Elena La Porta Dieck. Und die einzelnen Darbietungen hat Marek Jama als Regisseur zu einer glanzvollen Show geformt.


Sascha Thanner, Liudmila Vrinceanu, Sandy Giannuzzi

Als „verspäteter Gast“ geht zunächst Boris Nikishkin durch Publikum, treibt erste Späße mit Popcorn und fordert Applaus. In seinem Kurzarmhemd im Zebralook, in schwarzer Hose sowie mit Mütze und Socken in Mintgrün, aber ohne Clownsschminke verkörpert er den Typ eines modernen Komikers. Nach diesem Prolog folgt das große Opening – wir erfreuen uns an den vier Tänzerinnen der La Bouche Showgirls in prächtigen Federschmuck-Kostümen, Live-Musik des Orchesters von Krzysztof Majewski und der Begrüßung durch Sascha Thanner, der gewohnt charmant und in wechselnden Kostümen durchs Programm führt. Insgesamt drei Darbietungen steuert die italienische Familie Giannuzzi zum Programm bei. Den Beginn macht Sandy Giannuzzi mit ihrer klassisch schönen Kontorsionsnummer. Zunächst schwebt sie in einem großen Weihnachtsstern sitzend von der Kuppel herunter. Begleitet von Liudmila Vrinceanu als Sängerin in einem atemberaubend schönen, roten Kleid, beweist sie mit sympathischem Lächeln die enorme Biegsamkeit ihres Körpers. Mit den Füßen setzt sie sich einen Hut auf den Kopf und löst treffsicher einen Bogenschuss auf einen Luftballon aus.


Haribow, Darix Giannuzzi

Offenbar kurzfristig noch ins Programm genommen wurde die japanische Truppe Haribow mit Seilspringen in rasanter Double-Dutch-Technik, also mit zwei sich gegenläufig drehenden Seilen. Das ist etwas überraschend, da dieses Genre erst zwei Winter zuvor mit den Fly Diggerz, ebenfalls aus Japan, vertreten war. Die drei Mädels und zwei Jungs tanzen und springen über die Seile, dies auch mit Salti, während die mitreißende musikalische Begleitung im Jukebox-Style immer wieder wechselt, von Hip Hop bis Ed Sheeran. Ganz klassisch wird es dann wieder beim Auftritt von Darix Giannuzzi am Washington-Trapez. Im stilvollen Anzug mit Weste wagt er sich auf das Requisit und legt im Kopfstand das Sakko ab. Stehend bzw. in einer Art Ausfallschritt bewegt er die Trapezstange in seitliche Schwingung; später schwebt er im Kopfstand, während er das Trapez gleichzeitig in Drehung und Schwingung versetzt. Eine Longe sichert ihn vernünftigerweise ab.


Boris Nikishkin, Sacha Houcke jun.

Als Vorführer und Dresseur von Elefanten, Exoten und Pferden im wunderbaren Circus Barum war Sacha Houcke jun. vor vier Jahrzehnten ein Idol meiner Kindheit. Nun ist er ein Grandseigneur der Manege und präsentiert hier sechs Pferde in Freiheitsdressur, jeweils drei schwarze und drei Schimmel. Per Headset macht er uns zunächst mit jedem einzelnen Ross und seinen individuellen Charakter bekannt, ehe sich ein Potpourri klassischer Lauffiguren und Steiger anschließt. Als Boris Nikishkins CD-Player defekt erscheint, holt er einen Zuschauer in die Manege. Dieser soll sich als Beatboxer und im Breakdance-Battle mit dem Clown versuchen, sehr zum Vergnügen des übrigen Publikums.


Devin de Bianchi, Boris Nikishkin, Dezhou Acrobatic Troupe

Bestens bekannt aus dem Saisonprogramm des Zirkus Charles Knie ist Devin de Bianchi mit seiner Handstandartistik, die sich durch saubere, präzise und fließende Bewegungen auszeichnet. Dabei arbeitet er in Gestalt eines Römers der Antike auf einem passenden Sockel. Der effektvolle Abschluss findet auf einem einzelnen, in die Höhe fahrenden Handstab statt. Im Sinne einer echten Reprise greift Boris Nikishkin das Thema der vorangegangenen Darbietung auf. Er amüsiert uns als eitler Handstandartist, der nur via Seilzug am Fuß in seine eleganten Positionen gehievt wird, dabei allerhand Überraschungen erlebt und alles tut, damit sein Schwindel nicht auffliegt. Erst gegen Ende beweist er, dass er das Handstand-Metier tatsächlich hervorragend beherrscht. Die vier Damen und neun Herren der Dezhou Acrobatic Troupe waren im vergangenen Winter die fernöstliche Überraschung im Heilbronner Weihnachtscircus. Auch hier erleben wir sie zunächst in einer maritimen Szene mit springenden Fischen; die blauen Kostüme der Herren lassen uns an geschuppte Meeresbewohner denken. Dabei kommen die hervorragenden Leistungen beim Reifenspringen nicht zu kurz, dies auch in beeindruckend großer Höhe.


Familie Giannuzzi

Wer nun bereits mit der Pause rechnet, wird mit einer weiteren Attraktion überrascht. Die Familie Giannuzzi – Nancy, Sandy, Darix, Ronald und Terence – unterhält uns mit ihrer rasanten Rollschuhnummer. Neben Tricks, die wir von den zahlreichen Duo-Nummern des Genres kennen, macht die Besetzung im Quintett auch andere Abläufe möglich. Etwa dann, wenn Terence und Darix mit jeweils einer Hand Nancy halten und diese so durch die Luft wirbeln. Besonders spektakulär ist der Schlusstrick, bei dem sich beide Damen im Genickhangwirbel drehen, dies an einem Metallgestell, welches Terence und Ronald auf ihren Schultern tragen. In der vergangenen Sommersaison hat die Familie im Circus-Land in Einbeck bereits Charles-Knie-Erfahrung gesammelt. Nun wird es tatsächlich Zeit für die Pause, vom Ballett nach einem kecken Tanz mit beschrifteten Besen angekündigt. Den mittleren Buchstaben hält Sascha Thanner hoch.


Duo Soma, Gaby Dew, Devin und Davide

Zum Auftakt des zweiten Programmteils empfangen uns wieder die vier charmanten Tänzerinnen, nun mit den schönen Schmetterlingskostümen, die wir im vergangenen Winter in Heilbronn bewundern durften. Eine Neuentdeckung für uns ist das Duo Soma, das Anfang 2024 in Girona mit Bronze ausgezeichnet wurde. Tobias Pessanah und Vanessa Martinez haben eine selten gezeigte Disziplin gewählt, die Percheakrobatik. So trägt der Argentinier seine Partnerin sicher über eine Leiter, während diese auf einer hohen Stirnperche balanciert. Außergewöhnlich, auch außergewöhnlich stark, ist der Schlusstrick, bei dem er eine Perchestange rotieren lässt und sie sich am oberen Ende in einem Zopfhangwirbel dreht. Und zu einer Besonderheit, fast schon einer Rarität ist die nachfolgende Dressurnummer geworden, denn Gaby Dew stellt uns sechs Lamas in verschiedenen Lauffiguren vor. Auch heute noch ein schönes, exotisches Bild. Gemeinsam mit einem Herrn und einer Dame aus dem Publikum macht Boris Nikishkin Musik. Er an der Gitarre, der Mitspieler an der Triangel und die Mitspielerin mit ihrer Stimme sind mit Feuereifer dabei und haben offenkundig Freude daran. Der kreative Komiker hatte bisher bei jedem Engagement, bei dem wir ihn erleben durften, auch Neues parat – so wie eben diese Szene. Gute Bekannte sind inzwischen Devin de Bianchi und sein Verlobter Davide de Carta. An den Strapaten zelebrieren die beiden Italiener ihre Kunst in weißen Hosen und zu dramatischer Musik. Sie umkreisen sich zu Beginn kraftvoll, während Davide später meist die tragende Rolle übernimmt. Der Auftritt gipfelt in Devins Wirbel kopfüber, bei dem Davide ihn mit der Schlaufe im Genick hält.


Duo Resurrection, Dezhou Acrobatic Troupe

Mit einem frivolen Auftritt als „Bunnies“ leitet das Ballett über zum Auftritt des Duo Resurrection aus Kuba. Maylin und ihrer Partner Yasmany kombinieren ihren sinnlichen, ausdrucksstarken Tanz mit einigen Elementen der Partner- und Wurfakrobatik, beispielsweise dem einarmigen Handstand auf dem Kopf des Partners. Beim Circusfestival von Latina 2022 war dies der Jury einen bronzenen Preis wert. Zum Abschluss begeistert uns nochmal die Dezhou Acrobatic Troupe, nunmehr mit Diabolospielen in einer ganz großen Choreographie. Mal stehen fünf Jungs nebeneinander und geben ein Diabolo von Schnur zu Schnur weiter; mal lässt ein Damen-Quintett fünf der Doppelkegel synchron tanzen; mal gibt es Passagen für Solisten, dies in Kombination mit Salti und Pirouetten. Und dies alles in schönen, hochwertigen Kostümen und vor verschiebbaren Kulissen, die viel asiatisches Flair nach Baden bringen – und im Rahmen der Charles-Knie-Tournee 2025 dann auch in die ganze Republik, von Nord bis Süd.

Mit Liudmila Vrinceanu als Sängerin in einem herrlichen Spiegelkleid und dem Ballett in aufwendigen Federschmuck-Kostümen sowie kleinen Spiegelkugeln in den Händen wird das Finale äußerst glamourös eingeleitet. Das Publikum im voll besetzten Zelt spendet starken Applaus für dieses sehr gute, geschickt zusammengestellte Programm, das seinen Beitrag dazu leisten wird, dass die lange Tradition des Offenburger Weihnachtscircus noch viele Jahre erfolgreich fortgeführt werden kann.

________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll