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Reutlinger Weihnachtscircus 2024/25
www.reutlinger-weihnachtscircus.de ; 100 Showfotos

Reutlingen, 21. Dezember 2024: Enttäuscht worden sind wir beim Reutlinger Weihnachtscircus noch nie, wohl aber positiv überrascht. Das Programm 2024/25 ist ein ungewöhnlich starkes. So liest es sich auf der Homepage und so erleben wir es auch bei unserem Besuch in den großzügigen Zeltanlagen auf dem Platz an der Kreuzeiche. Schon alleine die im Januar in Monte Carlo mit Gold prämierten Elefanten lohnen den Weg. Hinzu kommen Hochseil, Flugtrapez, Motorradkugel und weitere Attraktionen. Da auch auf die Verpackung wert gelegt wird, bleiben keine Wünsche offen.

Wie zu erwarten, müssen wir uns zunächst die Parolen von Tierrechtlern anhören, die direkt am Frontzaun Aufstellung genommen haben. Direktor Michael Sperlich nimmt es gelassen. Sein Publikum ebenso. Die Vorverkaufszahlen liegen schon zu Beginn des Gastspiels weit über denen des Vorjahres, Zuschauer rufen an, um sich zu vergewissern, dass auch wirklich Elefanten zu sehen sind. Der Leiter des zuständigen Veterinäramts schildert in einem Fernsehinterview seinen positiven Eindruck von den Tieren.


Zeltanlagen des Reutlinger Weihnachtscircus

Und so ist auch das festlich geschmückte Vorzelt voller Menschen, die sich vor der Vorstellung kulinarische Genüsse gönnen. Das Angebot ist umfangreich, der Service freundlich und zuvorkommend. Das Zelt für die Gastronomie wurde im letzten Jahr neu angeschafft, genauso wie das Chapiteau. Dort warten Stühle in der Loge und Schalensitze auf dem Gradin auf die Gäste. In dieser Saison hinzugekommen ist ein neuer Artisteneingang. Er ist sehr hoch, sodass auch die Motorradkugel ohne Probleme hereingerollt werden kann. Gebildet wird er aus roten Stoffbahnen im oberen Bereich und langen Vorhängen in der gleichen Farbe. Dahinter befindet sich ein weiterer Vorhang mit kleinen Lichtern, die immer dann sichtbar werden, wenn sich die Gardine öffnet.


Timo Marc, Duo Reflection, Fatime Horvath

Gefertigt hat ihn Yana Grimm, die wir gleich zum Auftakt in der Manege erleben. Gemeinsam mit drei weiteren Tänzerinnen und Sängerin Sandy Müller gestaltet sie das weihnachtliche Intro zum Opening. Danach strömt das gesamte Ensemble in die Manege, um das Publikum zu begrüßen. Illusionist Timo Marc führt uns wiederum als Moderator durchs Programm. In seine kurzen Auftritte baut er gerne Zaubertricks ein, die er mit einzelnen Zuschauern zeigt. Luftakrobatik an den Ringen ist das Metier des Duo Reflection. Die Artisten mit den muskulösen Körpern gewinnen diesem selten zu sehenden Requisit spannende Facetten ab. Ihre Tricks erfordern viel Kraft und gegenseitiges Vertrauen. Etwa wenn einer der beiden die Bänder mit den Ringen, an denen der Partner mit ausgestreckten Armen hängt, mit den Zähnen hält. Wunderschöne Hauskatzen hat Fatime Horvath mit nach Reutlingen gebracht. Die Vierbeiner beherrschen anspruchsvolle Kunststücke wie das Überwinden von Hindernissen und extrem weite Sprünge. Während Fatime für eine elegante Präsentation steht, sorgt ihr Mann Plamen für die originellen Momente in der Darbietung. Etwa wenn er als lebendes Podest bei den Sprüngen der Katzen herhalten muss.


Daler Khametov, Plamen Metodiev, Pasha

Nach dem nächsten Auftritt von Sängerin und Ballett geht es für Daler Khametov hoch hinaus. 16 Jahre jung ist der Artist, der seine Balancen auf der Rola Rola in respektabler Höhe arbeitet. Denn die zugehörige Plattform befindet sich einige Meter über der Manege. Das Konstrukt erleichtert es nicht gerade, sich auf Türmen aus Röhren, Bällen und Brettern im Gleichgewicht zu halten. Der Teenager meistert diese Herausforderung spielend. Weniger souverän bewegt sich Plamen Metodiev auf Trampolin und Sprungturm. Das ist natürlich so gewollt und alles perfekt einstudiert. Denn ohne eine ausgeprägte Körperbeherrschung wären die Kapriolen nicht möglich. Wie schon bei der Vorführung der Katzen kann der Ungar hier sein komisches Talent ausleben. Nach den ersten Gags und Sprüngen wagt er einen Striptease. In einem gestreiften Badeanzug geht es auf zu weiteren Salti. Nachdem Timo Marc im Zusammenspiel mit einer Zuschauerin einen Hocker schweben ließ, dürfen die Clowns erstmals ihre Visitenkarte abgeben. Pasha und Morris sind zwei liebenswürdige Zeitgenossen, die es faustdick hinter den Ohren haben. Jetzt versuchen sie sich als Piloten von Papierfliegern. Ihre neuartigen Ideen spielen sie äußerst gewinnend. Heiterkeit ist somit garantiert.


Truppe Hametov, Sandy Müller, Flying Henriquez

In die Pause geht es mit der Truppe Hametov. Aufgrund des Apparats für das Flugtrapez mussten die Artisten aus Usbekistan ihr Hochseil etwas tiefer spannen als sie es gewohnt sind. Dafür wurden extra die Masten mit den Plattformen verkürzt. Spektakulär ist der Auftritt der zwei Damen und drei Herren aber natürlich dennoch. Denn Kostüme und Trickfolge sind außergewöhnlich, zudem arbeiten sie ohne Luftkissen oder Matte am Boden. Einzelne Akteure werden aber mittels Longe gesichert. Dank der prächtigen Kostüme entführen sie uns optisch nach Ägypten. Bei der Tour im Zwei-Personen-Hoch steht die Partnerin entgegen der Laufrichtung auf dem Kopf des Porteurs. Weiter erleben wir eine besondere Variante der Dreierpyramide, bei der die Dame in der oberen Etage einen Spagat zwischen den Köpfen ihrer Träger macht. Ebenfalls dabei ist der Lauf von drei Artisten übereinander. Den Schlusspunkt setzt eine Pyramide mit Verbindungsstange. Darauf ein Artist, der wiederum eine Kollegin auf dem Kopf balanciert. Zum zweiten Programmteil begrüßen uns Sandy Müller und Tänzerinnen in weihnachtlicher Aufmachung. Drei Fliegerinnen, zwei Flieger und ein Fänger bilden die Flying Henriquez. Los geht es auf drei Bahnen, wobei nur eine mit einem Fänger besetzt ist, die anderen mit frei hängenden Trapezen. Danach erleben wir ein ausführliches Repertoire mit Dreifachem und Passage. Dazu macht das Sextett aus Chile ordentlich Stimmung.


Truppe Hametov, Hell Riders, Ballett

Mit Stangenwurf versuchen sich Pasha und Morris in ihrem zweiten Auftritt. Da ihre Stange aus sehr biegsamem Material besteht, wird es auch unter Zuhilfenahme eines Zuschauers nichts mit den Luftsprüngen. Dafür verbreiten sie wieder das, was ihr eigentlicher Job ist – jede Menge Spaß. Extra für das Engagement in Reutlingen hat die Truppe Hametov eine Darbietung an zwei Leitern mit kleiner Plattform am oberen Ende einstudiert. Darüber balancieren sich die Artisten gegenseitig in den unglaublichsten Varianten. Etwa im Kopf-auf-Kopf oder auf den Zehenspitzen eines Fußes auf dem Kopf des Partners stehend. Bei der letzten Runde trägt ein Artist zwei auf einer Stirnperche stehende Kollegen über das Konstrukt. Auch hier legt die Formation aus Usbekistan wieder Wert auf eine prächtige Aufmachung. Bis zu sechs Motorradfahrer bilden die Sensation vor dem Finale. Mit ihren Maschinen rasen sie durch einen Globe of Death mit fünf Metern Durchmesser. Die Hell Riders lassen den Atem stocken und das Publikum ist froh, wenn alle am Ende wieder sicher in der Manege stehen. Zum ausgiebigen Abschied erfreuen uns noch einmal Sandy Müller und die vier Tänzerinnen. Dies in fantastischen Kostümen, für die Yana Grimm verantwortlich zeichnet. Das gesamte Ensemble kommt hinzu und schenkt uns noch einmal große traumhafte Bilder.


Elvis und Cvetomira Kirova Errani

Vor der Motorradkugel aber das eigentliche Highlight der Show. Elvis und Cvetomira Kirova Errani präsentieren ihre indischen Elefantendamen Mala, Baby sowie Yumba. Die Nummer wurde für das 46. Internationale Circusfestival von Monte Carlo neu gestaltet, wo sie im Januar 2024 einen Goldenen Clown gewann. Statt spektakulärer Tricks steht jetzt das vertraute Miteinander von Mensch und Tier im Mittelpunkt. Dabei dürfen die Dickhäuter natürlich weiter ihre Fähigkeiten zeigen. Etwa wenn sie sich gemeinsamen nebeneinander auf die Seite legen oder wenn einer der Elefanten Cvetomira auf dem Rüssel trägt. Auch ihr Spagat zwischen zwei Elefantenköpfen ist im Repertoire, ebenso das Abliegen eines Tieres auf seiner Trainerin. Alles läuft ruhig und harmonisch ab. Kostüme und Musik runden den Stil der Darbietung passend ab. Es ist eine traumhafte Nummer, der man ewig zuschauen könnte. Und doch kommt der Beigeschmack auf, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte, Elefanten in einer Circusmanege gesehen zu haben. Sollte dem tatsächlich so sein, bleiben diese einmaligen Bilder für immer in Erinnerung.

Nicht zuletzt dank der Elefanten hat die Familie von Andrea und Michael Sperlich ihren Zuschauer mit diesem 21. Reutlinger Weihnachtscircus ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Hinzu kommen starke weitere Acts und eine liebenswürdige Verpackung im herrlichen Ambiente. Für mich persönlich ist diese Show ein Highlight dieser an starken Produktion wahrlich nicht armen Wintersaison 2024/25. Glückwunsch an die Direktionsfamilie und ihr Team!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch