Umso schöner, wenn
die Reaktionen der vielen Leserinnen und Leser zeigen, dass die
Texte sehr gerne gelesen, die Bilder interessiert betrachtet
werden. Wenn unsere Eindrücke der persönlichen Einschätzung
dienen, ob man selbst angesichts der unglaublichen Vielfalt der
Weihnachtsproduktionen die wichtigsten Shows gesehen hat oder im
kommenden Winter seine eigene Reiseroute anpassen möchte. Alles
zu sehen, über alles zu schreiben, von allem Fotos zu
präsentieren ist ohnehin unmöglich. Doch klar ist auch: Ein so
breites Angebot an ausführlichen
Weihnachtscircus-Programmbesprechungen gibt es nur auf
Chapiteau.de.

Zeltstadt
auf dem Festplatz Friedrichsau
Auch als Reporter
mit Kamera, Stift und Block steht für uns die Freude am Circus
im Mittelpunkt. Natürlich muss eine gewisse journalistische
Distanz möglich bleiben. Aber viele Circusbesuche sind auch
Besuche bei Freunden. So wie bei Veno Mendes, dem Direktor des
Ulmer Weihnachtscircus, und seiner Lebensgefährtin Jessica
Heppenheimer. In ihrer Zeltstadt auf dem Festplatz Friedrichsau
ist die Atmosphäre etwas rustikaler als anderswo, die Gestaltung
der Vorstellung traditioneller. An die festlich erleuchtete
Front schließt sich das Vorzelt mit seinen hölzernen
Weihnachtsmarkt-Ständen an. Im Chapiteau mit seinem
Sternenhimmel steht das Bankreihen-Gradin zur Verfügung, das wir
einst im Circus Barelli kennenlernten.
 
Matthias
Bergstaedt, Veno Mendes
Der umtriebige
Circusmanager und Programmdirektor Matthias Bergstaedt übernimmt
auch die Moderation, heißt das Publikum herzlich willkommen. In
einer Flaggenparade stellt sich dann das gesamte Ensemble vor. „Simply
the Best“ liefert die selbstbewusste musikalische Begleitung,
live begleitet von den Musikern des „Ukrainischen
Staatsorchesters“. Auch in diesem Winter eröffnet Veno Mendes
die eigentliche Spielfolge mit der souveränen Vorführung eines
Fünferzuges Friesen, die vom schwedischen Cirkus Olympia kommen.
  
Wang Hao,
Wang Xiangyang
Größte
Besonderheit im Vergleich zu den Programmen der vergangenen Jahr
in Ulm ist das Engagement von fünf Artisten des „Chinesischen
Nationalcircus“ von Raoul Schoregge. Den Auftakt machen zwei
junge Herren mit einem Potpourri verschiedener Disziplinen. Wang
Hao platziert auf einem Munddolch zunächst einen Luftballon,
darauf eine Flasche Sekt. Mit einer Nadel bringt er den Ballon
zum Platzen, so dass die Flasche auf den Dolch fällt und mit
diesem gefangen und weiter balanciert wird. Sein Kollege Wang
Xiangyang balanciert auch, auf einem Brett über einer Rola-Walze.
Mit Schwung katapultiert er auf dem Brett abgestellte Schalen zu
einem Stapel auf seinem Kopf - erst eine, dann zwei gleichzeitig
und schließlich drei auf einen Schlag. Tasse und Teelöffel
folgen. Dann ist wieder der freundliche und sympathische Wang
Hao an der Reihe, nunmehr mit seinen Diabolos. Zwei von ihnen
lässt er übers Seil tanzen. Wie in Schoregges Produktion „China
Girl“ gibt es dazu Musik von David Bowie, hier „Let’s Dance“,
allerdings live vom Orchester gespielt.
  
Fery
Rivelino Clowns, Morgan Barbour, Tian Qiron
Dass es
Clownstrios wie das von Fery Rivelino überhaupt noch gibt, ist
schon erstaunlich. Die beiden Auguste agieren in übergroßen,
farbenfrohen Anzügen und mit den typischen Perücken – oben
Glatze, außenrum ein blonder Haarkranz. Auch die Schminke ist
ganz traditionell. Dazu kommt ein klassischer Weißclown im
eleganten Gewand. Die drei Spanier können nicht nur schön Musik
spielen; in ihrer Boxschule mit übergroßen Handschuhen hagelt es
auch „Backpfeifen“. Einer von ihnen legt am Ende einen flotten
Tanz mit einer Puppe aufs Parkett. Die Kinder im Publikum
kreischen vor Vergnügen. Nachdem die britische Artistin Freya
Pellie im Laufe des Gastspiels bei einer Luftnummer abgestürzt
ist und Knochenbrüche erlitten hat, erleben wir ihre
Manegenpartnerin Morgan Barbour im Solo am Luftring. Die
tätowierte junge Frau ist eher eine Vertreterin des modernen
Circus. Ausdrucksstark zelebriert sie ihre kraftvollen Figuren
an dem Requisit. Und wieder geht es nach Fernost. Zum Bowie-Song
„Little China Girl“ dreht sich der chinesische Artist Tian Qiron
um einen relativ niedrigen Masten, beeindruckt hierbei mit
kräftezehrenden Flaggenpositionen. Nur das etwas abrupte Ende
der Nummer überrascht.
  
Sun Qing
Qing, Simon Bengtsson und Alexia Mendes, Steam Acrobatic Troupe
Besonders
verzaubert hat uns der Auftritt von Sun Qing Qing, die scheinbar
aus dem Nichts immer mehr und mehr Spielkarten erscheinen lässt
und in die Luft wirft, bis sie sanft zu Boden fallen. Gefühlt
einen Wimpernschlag, nachdem die vorherigen Karten aufgetaucht
sind, erblicken wir bereits wieder neue. Das geschieht ganz
locker und inmitten der vier hübschen Damen des ukrainischen
Balletts Vatan, hier in fernöstlichen Kleidern mit Schirmen in
der Hand. Am Ende ist quasi der ganze Mangenteppich mit
unzähligen Karten bedeckt. Die Fery Rivelino Clowns, die im
Wettstreit miteinander um die Reaktionen des Publikums buhlen,
überbrücken den Aufbau für die nachfolgende Nummer.
Direktionstochter Alexia Mendes und Direktionssohn Simon
Bengtsson vom Cirkus Olympia führen gemeinsam die Ziegennummer
des schwedischen Unternehmens vor. Die Tiere beweisen dabei auf
unterschiedliche Weise ihre Geschicklichkeit, ob sie nun auf
einer Rolle balancieren oder den Balkenlauf im Slalom um mehrere
Stangen absolvieren. Während die Clowns musizieren, wird die
Russische Schaukel errichtet, von der die Artisten der Steam
Acrobatic Group in ein hohes, gespanntes Tuch springen – dies
natürlich in Kombination mit Salti und Pirouetten. Auch ein
kompletter Überschlag mit der Schaukel darf nicht fehlen.
  
Wang Hao,
Wang Xiangyang und Li Dongsheng, Alexia Mendes, Morgan Barbour
Mit ihrer
fröhlichen Hutjonglage und in verschiedenfarbigen Anzügen
empfangen uns Wang Hao, Wang Xiangyang und Li Dongsheng zum
Auftakt des zweiten Programmteils. Mal lässt einer allein die
Hüte fliegen, mal schicken zwei Artisten sechs Hüte auf ihre
Touren, mal gibt es Passings mit dem ganzen Trio und acht Hüten.
Besonders effektvoll ist auch, wenn sie sich zu dritt, eng
nebeneinander stehend, die Hüte abwechselnd auf die Köpfe setzen
und weiterreichen. Zum Abschluss steht Wang Hao auf den Rücken
seiner beiden Partner, während jeder mit drei Kopfbedeckungen
jongliert. Was uns beim Ulmer Weihnachtscircus immer wieder
gefällt, sind die kompakten Auftritte des Balletts. Es
verzichtet auf langatmige Szenen, sondern geleitet die nächsten
Künstler tanzend in die Manege und verschafft ihnen damit einen
glamourösen Auftritt. Mit Engelsflügeln an den Rücken tun die
vier Damen dies beim Auftritt der "Circusprinzessin“ Alexia
Mendes, die im roten Ballkleid und zu fröhlicher Musik fünf
Ponys paradieren lässt. Sie absolvieren Lauffiguren oder steigen
mit den Vorderbeinen auf die Piste. Ein heiteres Tennismatch der
besonderen Art präsentieren uns die Fery Rivelino Clowns, denn
der Ball ist an einer langen Stange befestigt. Diese bewegt der
Weißclown zwischen den Schlägern der beiden Auguste hin und her.
Auch ihre zweite Luftnummer arbeitet Morgan Barbour nach dem
Ausfall ihrer Partnerin im Solo. Dabei überzeugt sie mit dem
Genickhangwirbel, mit akrobatischen Figuren an zwei kurzen
Strapaten sowie kraftvollen Drehungen im Zahnhang.
 
Wang
Xiangyang, Steam Acrobatic Troupe
Ein letztes Mal
werden wir in das Reich der Mitte entführt. Denn Wang Xiangyang
beherrscht nicht nur Akrobatik auf der Rola Rola und Hutjonglage,
er kann auch eine Vielzahl ineinander verschachtelter Holzbänke
auf seinem Kopf balancieren. Am Ende trägt er auf diese Weise
ein wirklich erstaunliches Konstrukt auf der Schädeldecke. Mit
ihrer Popcornreprise leiten die Fery Rivelino Clowns zur
Schlussnummer über und verteilen den Mais-Snack dabei auch
reichlich im Zuschauereingang. Dort liegt er auch noch, als
später der Auslass beginnt. Doch richten wir unseren Blick vom
Boden in die Höhe, denn flugs wurden zwei Trampoline und ein
großes „Haus“ dazwischen aufgebaut. Dieses Konstrukt nutzt das
Quintett der Steam Acrobatic Troupe für temperamentvolle Sprünge
und Salti. Sie führen von den Trampolin zu den sechs Türen in
der „ersten Etage“ des Hauses und bis hinaus aufs Dach. Auf
immer wieder anderen Wegen werden die Positionen gewechselt und
wird dabei ordentlich Stimmung gemacht. Mit sehr hohen Sprüngen
in „liegender“ Position findet die Nummer ihren Abschluss. |