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European Youth Circus 2010 - Resümee
Vorbericht ; Gruppe A ; Gruppe B ; Preisträger ; Resümee

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Duo Viro

Vivien Galovicz und Robert Szabo alias Duo Viro heißen die großen Gewinner des diesjährigen European Youth Circus (EYC). Mit ihrem, vom Circus Harlekin bekannten Luftballett an blauen Seidentüchern lagen die Ungarn, beide 22 Jahr alt, sowohl in der Gunst des Publikums als auch in der Einschätzung der Jury ganz vorne. Gold in der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre und der Publikumspreis waren die unstrittige Konsequenz. Platz zwei in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen ging an Tetiana Konobas aus der Ukraine, die mit und auf drei quietschgrünen Gymnastikbällen eine einmalige Darbietung zeigte. Den dritten Platz wiederum sicherte sich der Brite Jonathan Young, der als ungelenker Discobesucher treudoof, aber urkomisch aus der Wäsche guckend einen Chinesischen Mast rauf und runter kletterte. Mit der Entscheidung diese beiden Nummern auszuzeichnen, unterstrich die Jury um Sprecher und Tigerpalast-Chef Johnny Klinke ihren Anspruch, Originalität und künstlerischen Ausdruck stärker zu bewerten als artistisches Handwerk.

Doch selbst mit dieser Maxime im Hintergrund bleibt es absolut unverständlich, dass Vanessa und Sven leer ausgegangen sind. Hat die Equilibristik-Darbietung der beiden Absolventen der Berliner Artistenschule doch Originalität (sie trägt ihn), starke Tricks und Ausstrahlung zu bieten. Dass diese Kombination, die die beiden auf allen Bühnen und in allen Manegen dieser Welt zur Attraktion macht, in den Augen der Wiesbadener Jury durchgefallen ist, kann man nur mit einem Kopfschütteln quittieren. Etwas überraschend war auch die Entscheidung in der Altersgruppe der 10- bis 17-Jährigen. Kerttu Pussinen hieß dort die große Abräumerin. Mit ihrer ungewöhnlichen, weil mit vielen Abfaller gespickten Strapatennummer sicherte sich die 17-jährige Finnin sowohl den ersten Preis in der jüngeren Altersgruppe als auch den mit einem Engagement verbundenen Preis des Tigerpalasts. Völlig zu recht Platz zwei in der jüngeren Altersklasse belegte derweil die erst elfjährige Tetyana Byelova, die mit kindlich, süßer Ausstrahlung ihre Handstandkünste zeigte. Platz drei ging an die vier russischen Schlangenmädchen der Truppe „Grazie“.

Erfreulich in diesem Jahr, dass unter den Gewinnern der Sonderpreise vier waschechte Circuskinder (Sharon Berousek, Geraldine Philadelphia, Viktor Krachinov und Kevin Rossi) waren. Am überzeugendsten davon: Geraldine Philadelphia. Die Tochter von Roncalli-Betriebsleiter Patrick Philadelphia begeisterte mit ihrer eleganten, wunderbar anzusehenden Kombination aus Hula Hoop und Jonglage. Für einen der bewegendsten Momente des Festivals sorgte indes Kevin Rossi, der als Phantom der Oper übers Drahtseil balancierte. In der zweiten Auswahlvorstellung war Rossi der Rückwärtssalto auch nach zwei Versuchen erneut nicht gelungen, was Regisseur Alexandre Grimailo dazu bewegte, in die Manege zu stürmen, und Rossi zu einem dritten Versuch anzustacheln. Und siehe da: Dieses Mal klappte es. Das Publikum tobte, die Kollegen auf der Artistentribüne sprangen begeistert auf und Rossi selbst feierte den gelungen Versuch jubelnd wie ein Fußballspieler beim Torerfolg. Frenetischen Applaus gab es auch für die Astorelli juniors aus Ungarn auf dem Trampolin. Mit ihren Kapriolen zum 2- und 3-Mann-Hoch gehörte ihre Darbietung zweifelsfrei auch zu den leistungsstärksten des Festivals. Mit circustypischem Verkauf und zugegebenermaßen aus der Zeit gefallenen Kostümen konnte sie bei der Jury erwartungsgemäß dennoch nicht punkten. Dafür werden die Astorelli juniors sicher bald Circusmanegen in ganz Europa rocken.


Natascha Berg und Co.

Wie berichtet, standen die sechs Shows des Artistikfestivals in diesem Jahr erstmals unter einem Motto. Die „Enkel der Blumenkinder“ hieß es und wurde von Alexandre Grimailo und einer vielköpfigen Jugendgruppe als Reminiszenz an die Hippies in Szene gesetzt. Insgesamt ein gelungenes Experiment, das vor allem durch den verstärkten Einsatz der mitreißend aufspielenden Circuskapelle mehr Pep und Tempo in die Shows brachte. In der Preisträgergala hat es Grimailo dann allerdings mit Inszenierungseinfällen etwas übertrieben. Insbesondere das Finale geriet ziemlich chaotisch und raubte dem eigentlichen Höhepunkt der Show, der Preisübergabe, ein Großteil seiner Feierlichkeit. Artisten, die in der Manege nach ihren dort versteckten Preisen suchen müssen und anschließend gemeinschaftlich Weintrauben zertrampeln, sind jedenfalls ein eher befremdlicher Anblick, der die Vorfreude auf den nächsten European Youth Circus in zwei Jahren aber ganz gewiss nicht trüben kann. Zumal auch die neue Moderatorin Natascha Berg ihre Sache insgesamt gut gemacht hat. Zwar eckte sie mit ihrer nassforschen Art zunächst ein wenig an, indem sie zum Beispiel Jurymitglied Frank Keller zum Limbotanzen nötigte, fing sich aber bald und bewies mit vielen Zusatzinformationen zu den auftretenden Künstlern, dass sie sich gewissenhaft auf das Festival vorbereitet hatte.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch