„Kein
einziger Winter in den letzten fünf Jahren, in dem es uns gelungen ist,
zum Durchatmen zukommen“, sagt Francesco Bouglione in einem Mitte
Januar 2020 erschienenen Bericht von "Le Parisien". Die Anschläge in Paris 2015
hatten Auswirkungen auf die Auslastung. Als die Zuschauer langsam
wieder zurückkamen, sorgten die Proteste der Gelbwesten für einen
erneuten Besucherrückgang. In diesem Winter nun bereiten langwierige
Streiks bei der Bahngesellschaft SNCF sowie der für den Regionalverkehr
im Großraum Paris zuständigen RATP Sorgen. Die Einwohner der
französischen Hauptstadt sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Somit
wird auch die Anreise zum Cirque d'Hiver erschwert. Ergebnis: Während
der rund zehntägigen Feiertagssaison habe man 2019/20 rund 900.000
Euro verloren. Von den 1.600 Plätzen seien oftmals nur 150 besetzt
gewesen, so Francesco Bouglione. Und das bei drei Vorstellungen am Tag.
Szene aus dem Finale
Vor
20 Jahren wurde mit „Salto“ begonnen, im Cirque d'Hiver wieder
regelmäßig im Winter Circus zu spielen. „Défi“ ist somit ein
Jubiläumsprogramm. Der prächtige
Circusbau gibt den einzigartigen Rahmen. Ein verschwenderisches
Lichtdesign setzt den Palast ebenso opulent in Szene wie das Geschehen
in und über der Manege. Die Ohren werden vom Sound des fulminanten
Orchesters verwöhnt. Pierre Nouveau sorgt als Dirigent für ein
perfektes Zusammenspiel seines Ensembles. Michel Palmer ist als
Monsieur Loyal unser bestens vertrauter Begleiter durch den Abend.
Verzichten müssen wir in diesem Winter auf die Salto Dancers. Die
ausgesucht hübschen Tänzerinnen in edlen Kostümen haben stets zwischen
einzelnen Darbietungen für Glanz gesorgt. Ebenso bei Opening und
Finale. Die Begrüßung übernimmt nun ein Bingo-Ensemble. Wie gewohnt,
verbinden die Vertreter des Circus-Theater aus Kiew Tanz und Artistik
in dynamischer Aufmachung. Im ersten Auftritt dienen zwei große Reifen
am Boden sowie ein Luftring als Requisiten. Nach der Pause steht Artur
Dudov mit kraftvoller Akrobatik am Chinese Pole im Mittelpunkt der
mitreißenden Choreographie. Beim Finale sind die Bingo-Mitglieder
tänzerisch sowie am Luftring vertreten.
Regina Bouglione, Evgeny Komisarenko, Asel Saralaeva
Eine deutliche
Veränderung gibt es auch beim Tierprogramm. In den letzten
Jahren sahen wir hier stets Elefanten oder Raubtiere. Diese
sind 2019/20 nicht dabei. Nun präsentiert Regina Bouglione
gewohnt elegant einen Sechserzug Kamele. Am Ende beweisen sich
zwei Lamas als versierte Springer. Eine quicklebendige Gruppe
von Pudeln hat Evgeny Komisarenko mit nach Paris gebracht. Die
Hunde sind aufs Schönste herausgeputzt. Bei Sprüngen oder dem
Laufen auf den Hinterbeinen sind sie mit vollem Einsatz dabei.
Etwas ruhiger lassen es da die Katzen von Komisarenkos Ehefrau
Asel Saralaeva angehen. Sie springen über weite Distanzen. Bei
verschiedenen Tricks beweisen sie ihre Geschicklichkeit. So
etwa beim Balancieren auf einer Spiegelkugel. Auf Hasenjagd
begeben sich Without Socks. So weit, so gut. Probleme bereitet
aber das fotografische Festhalten von Mensch und Tier. Nachdem
der Selbstauslöser nicht so funktioniert, wie es das Trio
will, muss ein Zuschauer ran. Der Spaß endet tödlich, ein
kleiner Engel sorgt aber für das Happy End. Endlich mal wieder
eine neue, kreative Clownsnummer. Die Russen überzeugen auf
ganzer Linie. Sie sorgen sicht- und hörbar für Spaß beim
Publikum. Zudem zeigen sie ihre Stepptanzeinlage sowie ein
Konzert mit Schlagzeug, Gitarre und Akkordeon. Zusätzlich gibt
es zwei kurze Szenen mit ihnen.
Victoria
Bouglione, Daniel Golla, Konstantin Muraviev
Die Familie
Bouglione ist nicht nur mit einer Tierdressur vertreten,
sondern auch im artistischen Bereich. Victoria Bouglione lässt
sehr charmant Hula Hoop-Reifen um ihren Körper kreisen. Als
besonderen Effekt hat sie die High-Tech-Variante im
Repertoire. Nämlich Ringe, die beim Rotieren bunte Muster
entstehen lassen. Als Pianist am Flügel bleibt Sampion
Bouglione zunächst am Boden, während Ehefrau Natalia an
Strapaten in der Luft agiert. Dies etwa bei beeindruckenden
Umschwüngen. Doch lange lässt Sampion seine Partnerin da oben
nicht alleine. Zum Finale dieser herrlichen Liebesgeschichte
fliegen beide gemeinsam über der Manege. Mit Fliegen hat auch
der Auftritt von Daniel Golla zu tun. Der Showpilot aus
Nordhessen überlässt die Kunstflüge einem Modellflugzeug.
Virtuos bedient er die zugehörige Fernsteuerung. Diese
einzigartige Flugshow sorgt immer wieder für große
Überraschung. Artistik und Comedy verbindet bekanntermaßen
Konstantin Muraviev. Unzufrieden mit seiner Figur, trainiert
er bis zur Obsession am Rhönrad. Mit Erfolg. Doch dank eines
kräftigen Schlucks aus der Bierflasche ist die Wampe mit einem
Mal wieder da.
Trio
Cappuccino, Duo A&A, Nuit Blanche
Wirklich bestens
trainierte Körper können wir in zwei weiteren Darbietungen
bewundern. Drei Bingo-Mitglieder zelebrieren als Trio
Cappuccino Partner-Equilibristik. Verschiedene filigrane
Figuren der hübschen jungen Damen werden mit Handständen
gekrönt. Zudem gibt es Handvoltigen. Beim Duo A&A kommen dann
auch die Zuschauerinnen auf ihre Kosten. Denn Adam und Anton
sind äußerst muskulös gebaut. Auf einer Rundbühne in der
Manegenmitte arbeiten sie ihre beeindruckende
Hand-auf-Hand-Akrobatik. Poetisch aufgemacht sind die
Jonglagen auf Einrädern des Duos Nuit Blanche. Als Requisiten
dienen ihnen weiße Bälle, die zunächst wie Leuchtkörper an
einer nostalgischen Laterne hängen. Zumeist jongliert Mikhail
Ivanov im Solo. Besonders effektvoll sind aber die Passings
zwischen ihm und Partnerin Elena. Rasant ist die letzte Nummer
der Show. Sonny Gärtner und Petrica Anghel wagen als Duo Shock
halsbrecherische Touren auf dem Todesrad. Das Seilspringen
sowie der Salto auf der Außenseite des rotierenden Rades sind
nur zwei der halsbrecherischen Stunts. Der Abend ist natürlich
nicht zu Ende, bevor sich nicht alle Mitwirkenden ausgiebig
vom Publikum verabschiedet haben. Das Finale wird hier gewohnt
aufwendig zelebriert. Vor dem wirklich allerletzten Vorhang
laden Without Socks noch einmal zum Fototermin.
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