CHPITEAU.DE

Salto Natale 2019 - "Fantasia"
www.saltonatale.ch ; 117 Showfotos

Kloten, 22. November 2019: Eine Märchenwelt im Circuszelt schafft „Salto Natale“ mit seinem 17. Programm „Fantasia“. Bereits im Opening erleben wir die Mitglieder des Ensembles in der Gestalt verschiedener Fabelwesen. Die Damen und Herren des Balletts erscheinen als Elben mit spitzen Ohren, wie in „Herr der Ringe“. Gemeinsam empfangen sie ein junges Mädchen, gespielt von Sofia Selnikhina, in ihrem Zauberreich. Mit verschiedenen Märchenmotiven werden die einzelnen Nummern des Programms gestaltet, durch fließende Übergänge zu einem großen Ganzen verbunden.

Das ist „Salto Natale“ in Bestform. Bewundernswert durchgängig und konsequent wurde die Grundidee dieser Show in die Tat umgesetzt. Im vergangenen Jahr präsentierte Rolf Knie mehr oder minder ein reines Nummernprogramm, während gleichzeitig die aufwendigen Vorbereitungen für sein Projekt „Knie – das Circus-Musical“ liefen. Heuer konnte der Fokus wieder stärker auf dem Wintercircus liegen. Und das spürt man.


Duo Full House 

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass es richtig viel zu lachen gibt. Das Duo Full House alias Gaby Schmutz-Camus und Henry Camus zelebriert den Kontrast zwischen der vermeintlich braven Schweizerin aus Effretikon und ihrem Gatten aus dem mondänen New York. Sie möchte ihre Jonglierkünste mit Keulen beweisen, er sich dabei liebend gerne in den Vordergrund drängeln. Das führt zum Ehestreit auf offener Bühne. Und so wirft man sich bei der Passing-Jonglage wutentbrannt außer den Keulen auch einen gefüllten Wäscheständer, eine Schneeschaufel oder einen geschmückten Weihnachtsbaum zu. Ein herrlicher Spaß. Später wird der „dressierte Gatte“ mit der Peitsche dirigiert. Ein wahres Kabinettstückchen gelingt am Klavier. Henry liegt auf dem Rücken und spielt mit überkreuzten Händen. Auf den in die Luft gestreckten Füßen liegt Gaby und klimpert mit. Eine grandiose Variante von „vierhändig“.


Aylona Pavlova, Selnikhins, Zhenyu Li

Für einen starken artistischen Auftakt des Programms sorgt Aylona Pavlova. In großer Höhe arbeitet sie ungesichert am Luftring, überzeugt mit kraftvoll-dynamischen Tricks und blitzschnellen Wirbeln. Zu so viel Frauenpower singt Mimi Barber mit ihrer starken Stimme „Woman“. Im zweiten Teil wird ihr mit „This is my Life“ ein grandioses Solo gegönnt. Sie löst Patric Scott ab, der in den vergangenen vier Saisons für den Gesang bei Salto Natale zuständig war. Geblieben ist die formidable Band unter der Leitung von Edgar Schmid. Zusammen mit dem fantastischen Licht von Diego Diáz sind optimale Rahmenbedingungen geschaffen. Nach zwei Jahren zurück bei „Salto Natale“ ist Zhenyu Li. Diesmal zeigt er seine Equilibristik-Nummer nicht auf langen Stäben, sondern in einer Variante auf einem Mast und einer nebendran stehenden Bank. Die Originalnummer gefällt uns etwas besser. Zwei starke Untermänner und zwei elegante Fliegerinnen, in dieser Konstellation begeistern die Selnikhins am russischen Barren. Ohne Hilfestellung werden verschiedenste Salti sicher geflogen.


Mariana Blanco, Wolf Brothers, Sifeng Gu und Lishang Chen 

Nun begeben wir uns in die Welt von Aladin und der Märchen aus 1001 Nacht. Das Ballett bringt eine riesige Wunderlampe auf die Bühne. Der Deckel wird abgenommen, und Mariana Blanco entschwebt dem Gefäß im Zopfhang. Unter anderem dreht sie an ihren Haaren hängend einen Wirbel. Dazu zieht ein großer Luftballon-Vogel sanft seine Kreise über dem Publikum. Von Arabien geht es nach „Bella Italia“. Pinocchio erscheint auf der Tribüne und kündigt auf Italienisch den Auftritt einer wunderschönen Trapezartistin an. Bei einer solch frechen Lüge wird seine Nase riesengroß. Denn tatsächlich erscheint David Wolf im weißen Umhang und möchte das Trapez erklimmen. Das ist dank des trotteligen Requisiteurs, Davids Bruders Richard, keine leichte Aufgabe. Nach Pleiten, Pech und Pannen befinden sich scheinbar unbeabsichtigt beide in luftiger Höhe. Das Publikum geht bei dem Spaß enthusiastisch mit. Riesigen Jubel gibt es dann völlig zu Recht für die Pausennummer. Die Truppe „Extreme Light“ tanzt in der Dunkelheit. Dank der LED-Lichter an ihren schwarzen Kostümen können die Männer und Frauen aus der Ukraine nach Belieben aus dem Nichts erscheinen, Bilder aus Licht kreieren und wieder verschwinden. Das moderne Spektakel bietet eine grandiose Mischung aus ausgeklügelter, sorgfältiger Programmierung und professionellem Tanz. Nach der Pause gelangen wir zur „Unendlichen Geschichte“. Die kleine Sofia fliegt auf Fuchur, dem Glücksdrachen. Unter dem eigens angefertigten Kostüm verbergen sich die Artisten Sifeng Gu und Lishang Chen. Normalerweise arbeiten sie in der traditionellen Gestalt eines chinesischen Neujahrsdrachens. Wagemutig springen sie zu zweit die Stufen hinauf und hinunter, die sich aus unterschiedlich hohen Säulen ergeben – und dies auch über eine weite Distanz.


Duo Fusion, Truppe Selnikhin, Duo Romance 

Riesigen Jubel lösen Virginia Tuells und Giovani Perez alias Duo Fusion mit viel Ausstrahlung und Partner-Akrobatik vom Feinsten aus. Eingebunden in einen leidenschaftlich zelebrierten Tango, wechseln sie sich in der tragenden Rolle ab. Aus dem Bühnenboden erscheint der Froschkönig, der sich mit einem Knall in den Prinzen verwandelt – alias Alex Bogdi vom Duo Romance. Mit seiner Partnerin Maria zeigt er die zum Beispiel aus dem Zirkus Charles Knie bestens bekannte, leistungsstarke Pole-Nummer. Mit rhythmischem Applaus, gar Bravo-Rufen werden sie gefeiert. Damit ist für uns der Höhepunkt der Vorstellung erreicht. Die Märchen-Reise führt jedoch weiter zu Alice ins Wunderland. Alice, das ist die junge Sofia Selnikhina. Das zarte Mädchen wird hier zur Fliegerin bei ikarischen Spielen. Der verrückte Hutmacher alias Maxim Selnikhin – 42-jährig und von kräftiger Statur – hat die Rolle des Untermanns. Die Trickfolge ist so extrem wie der Unterschied im Körperbau der beiden Akteure. Was uns nicht behagt, reißt das Publikum zu Beifallsstürmen hin. Die Schlussnummer übernimmt die Truppe Dobrovitzky am Doppelten Fangstuhl. Sie war bereits vor fünf Jahren im Programm. Zunächst entern die Russen die Bühne als Seeräuber, begleitet von der passenden Filmmusik aus „Pirates of the Carribean“. Das Requisit mit seinen Masten schafft Segelschiff-Assoziationen. Schade, dass die Musik mit dem Beginn der Trickfolge zu Swing wechselt und dabei bleibt – da passt die Akustik nicht mehr zur Optik. Die stehenden Fänger werfen sich die beiden Fliegerinnen und den Flieger gegenseitig zu. Ähnlich wie bei einer Flugtrapeznummer gehören Sprünge, Salti, Pirouetten und zum Abschluss die Passage zum Repertoire.

Rolf Knie darf insgesamt stolz sein auf diese Produktion, die er gemeinsam mit seinem Kreativteam – darunter Marco Baumgartner in der Regie und Grazia Covre für die Choreographie – geschaffen hat. Mit Standing Ovations wird diese erste Vorstellung der Saison gefeiert.

_______________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll